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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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de Vico in Rom ergeben, sind vielleicht in Oscillationen des Schwerpunkts des Ringes um den Mittelpunkt des Saturn gegründet. Auffallend ist, daß schon am Ende des 17ten Jahrhunderts ein Geistlicher, Gallet zu Avignon, ohne Erfolg versucht hatte die Astronomen seiner Zeit auf die excentrische Lage des Saturn aufmerksam zu machen.83 Bei der so überaus geringen und nach der Oberfläche abnehmenden Dichtigkeit des Saturn (vielleicht kaum 3/5 der Dichtigkeit des Wassers) ist es schwer sich eine Vorstellung von dem Molecular-Zustande oder der materiellen Beschaffenheit des Planetenkörpers zu machen; oder gar zu entscheiden, ob diese Beschaffenheit wirkliche Flüssigkeit, d. h. Verschiebbarkeit der kleinsten Theile, oder Starrheit (nach der so oft angeführten Analogie von Tannenholz, Bimsstein, Kork oder eines erstarrten Flüssigen, des Eises) voraussetze. Der Astronom der Krusenstern'schen Expedition, Horner, nennt den Saturnsring einen Wolkenzug; er will, daß die Berge des Saturn aus Dampfmassen und Dunstbläschen bestehen.84 Die Conjectural-Astronomie treibt hier ein freies und erlaubtes Spiel. Ganz anderer Art sind die ernsten, auf Beobachtung und analytischen Calcul gegründeten Speculationen über die Möglichkeit der Stabilität des Saturnsringes von zwei ausgezeichneten amerikanischen Astronomen, Bond und Peirce.85 Beide stimmen für das Resultat der Flüssigkeit, wie für fortdauernde Veränderlichkeit in der Gestalt und Theilbarkeit des äußeren Ringes. Die Erhaltung des Ganzen ist von Peirce als von der Einwirkung und Stellung der Satelliten abhängig betrachtet worden: weil ohne diese Abhängigkeit, auch bei Ungleichheiten im Ringe, sich das Gleichgewicht nicht würde erhalten können.

de Vico in Rom ergeben, sind vielleicht in Oscillationen des Schwerpunkts des Ringes um den Mittelpunkt des Saturn gegründet. Auffallend ist, daß schon am Ende des 17ten Jahrhunderts ein Geistlicher, Gallet zu Avignon, ohne Erfolg versucht hatte die Astronomen seiner Zeit auf die excentrische Lage des Saturn aufmerksam zu machen.83 Bei der so überaus geringen und nach der Oberfläche abnehmenden Dichtigkeit des Saturn (vielleicht kaum 3/5 der Dichtigkeit des Wassers) ist es schwer sich eine Vorstellung von dem Molecular-Zustande oder der materiellen Beschaffenheit des Planetenkörpers zu machen; oder gar zu entscheiden, ob diese Beschaffenheit wirkliche Flüssigkeit, d. h. Verschiebbarkeit der kleinsten Theile, oder Starrheit (nach der so oft angeführten Analogie von Tannenholz, Bimsstein, Kork oder eines erstarrten Flüssigen, des Eises) voraussetze. Der Astronom der Krusenstern'schen Expedition, Horner, nennt den Saturnsring einen Wolkenzug; er will, daß die Berge des Saturn aus Dampfmassen und Dunstbläschen bestehen.84 Die Conjectural-Astronomie treibt hier ein freies und erlaubtes Spiel. Ganz anderer Art sind die ernsten, auf Beobachtung und analytischen Calcul gegründeten Speculationen über die Möglichkeit der Stabilität des Saturnsringes von zwei ausgezeichneten amerikanischen Astronomen, Bond und Peirce.85 Beide stimmen für das Resultat der Flüssigkeit, wie für fortdauernde Veränderlichkeit in der Gestalt und Theilbarkeit des äußeren Ringes. Die Erhaltung des Ganzen ist von Peirce als von der Einwirkung und Stellung der Satelliten abhängig betrachtet worden: weil ohne diese Abhängigkeit, auch bei Ungleichheiten im Ringe, sich das Gleichgewicht nicht würde erhalten können.

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de Vico in Rom ergeben, sind vielleicht in Oscillationen des Schwerpunkts des Ringes um den Mittelpunkt des Saturn gegründet. Auffallend ist, daß schon am Ende des 17ten Jahrhunderts ein Geistlicher, Gallet zu Avignon, ohne Erfolg versucht hatte die Astronomen seiner Zeit auf die excentrische Lage des Saturn aufmerksam zu machen.<note xml:id="ftn627" next="ftn627-text" place="end" n="83"/> Bei der so überaus geringen und nach der Oberfläche abnehmenden Dichtigkeit des Saturn (vielleicht kaum 3/5 der Dichtigkeit des Wassers) ist es schwer sich eine Vorstellung von dem <hi rendition="#g">Molecular-Zustande</hi> oder der <hi rendition="#g">materiellen</hi> Beschaffenheit des Planetenkörpers zu machen; oder gar zu entscheiden, ob diese Beschaffenheit wirkliche <hi rendition="#g">Flüssigkeit,</hi> d. h. Verschiebbarkeit der kleinsten Theile, oder <hi rendition="#g">Starrheit</hi> (nach der so oft angeführten Analogie von Tannenholz, Bimsstein, Kork oder eines <hi rendition="#g">erstarrten Flüssigen,</hi> des Eises) voraussetze. Der Astronom der Krusenstern'schen Expedition, Horner, nennt den Saturnsring einen <hi rendition="#g">Wolkenzug;</hi> er will, daß die Berge des Saturn aus Dampfmassen und Dunstbläschen bestehen.<note xml:id="ftn628" next="ftn628-text" place="end" n="84"/> Die Conjectural-Astronomie treibt hier ein freies und erlaubtes Spiel. Ganz anderer Art sind die ernsten, auf Beobachtung und analytischen Calcul gegründeten Speculationen über die Möglichkeit der <hi rendition="#g">Stabilität</hi> des Saturnsringes von zwei ausgezeichneten amerikanischen Astronomen, Bond und Peirce.<note xml:id="ftn629" next="ftn629-text" place="end" n="85"/> Beide stimmen für das Resultat der Flüssigkeit, wie für fortdauernde Veränderlichkeit in der Gestalt und Theilbarkeit des äußeren Ringes. Die Erhaltung des Ganzen ist von Peirce als von der Einwirkung und Stellung der Satelliten abhängig betrachtet worden: weil ohne diese Abhängigkeit, <hi rendition="#g">auch bei Ungleichheiten im Ringe,</hi> sich das Gleichgewicht nicht würde erhalten können.</p>
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[527/0532] de Vico in Rom ergeben, sind vielleicht in Oscillationen des Schwerpunkts des Ringes um den Mittelpunkt des Saturn gegründet. Auffallend ist, daß schon am Ende des 17ten Jahrhunderts ein Geistlicher, Gallet zu Avignon, ohne Erfolg versucht hatte die Astronomen seiner Zeit auf die excentrische Lage des Saturn aufmerksam zu machen. ⁸³ Bei der so überaus geringen und nach der Oberfläche abnehmenden Dichtigkeit des Saturn (vielleicht kaum 3/5 der Dichtigkeit des Wassers) ist es schwer sich eine Vorstellung von dem Molecular-Zustande oder der materiellen Beschaffenheit des Planetenkörpers zu machen; oder gar zu entscheiden, ob diese Beschaffenheit wirkliche Flüssigkeit, d. h. Verschiebbarkeit der kleinsten Theile, oder Starrheit (nach der so oft angeführten Analogie von Tannenholz, Bimsstein, Kork oder eines erstarrten Flüssigen, des Eises) voraussetze. Der Astronom der Krusenstern'schen Expedition, Horner, nennt den Saturnsring einen Wolkenzug; er will, daß die Berge des Saturn aus Dampfmassen und Dunstbläschen bestehen. ⁸⁴ Die Conjectural-Astronomie treibt hier ein freies und erlaubtes Spiel. Ganz anderer Art sind die ernsten, auf Beobachtung und analytischen Calcul gegründeten Speculationen über die Möglichkeit der Stabilität des Saturnsringes von zwei ausgezeichneten amerikanischen Astronomen, Bond und Peirce. ⁸⁵ Beide stimmen für das Resultat der Flüssigkeit, wie für fortdauernde Veränderlichkeit in der Gestalt und Theilbarkeit des äußeren Ringes. Die Erhaltung des Ganzen ist von Peirce als von der Einwirkung und Stellung der Satelliten abhängig betrachtet worden: weil ohne diese Abhängigkeit, auch bei Ungleichheiten im Ringe, sich das Gleichgewicht nicht würde erhalten können.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/532>, abgerufen am 29.05.2024.