Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.Erscheinungen, welche aus der Rotation erklärt werden (wie Richer's Uhrgang in Cayenne, tägliche Aberration, Ablenkung des Projectilen, Passatwinde), sind wohl nicht mit dem zu verwechseln, was zu jeder Zeit durch Foucault's Apparat hervorgerufen wird, und wovon, ohne es weiter zu verfolgen, die Mitglieder der Academia del Cimento scheinen etwas erkannt zu haben (Antinori in den Comptes rendus T. XXXII. p. 635). 23 (S. 30.) Im griechischen Alterthume wurden zwei Gegenden der Erde bezeichnet, in denen auf merkwürdige Anschwellungen der Oberfläche nach den damals herrschenden Meinungen geschlossen wurde: der hohe Norden von Asien und das Land unter dem Aequator. "Die hohen und nackten scythischen Ebenen", sagt Hippocrates (de aere et aquis §. XIX p. 72 Littre), "ohne von Bergen gekrönt zu sein, verlängern und erheben sich bis unter den Bären." Derselbe Glaube wurde schon früher dem Empedocles (Plut. de plac. philos. II, 8) zugeschrieben. Aristoteles (Meteor. I, 1 a 15 p. 66 Ideler) sagt: daß die älteren Meteorologen, welche die Sonne "nicht unter der Erde, sondern um dieselbe herumführten", die gegen den Norden hin angeschwollene Erde als eine Ursach betrachteten von dem Verschwinden der Sonne oder des Nachtwerdens. Auch in der Compilation der Probleme (XXVI, 15 pag. 941 Bekker) wird die Kälte des Nordwindes der Höhe des Bodens in dieser Weltgegend zugeschrieben. In allen diesen Stellen ist nicht von Gebirgen, sondern von Anschwellung des Bodens in Hochebenen die Rede. Ich habe bereits an einem anderen Orte (Asie centrale T. I. p. 58) gezeigt, daß Strabo, welcher allein sich des so charakteristischen Wortes oropedia bedient, für Armenien (XI p. 522 Casaub.), für das von wilden Eseln bewohnte Lycaonien (XII p. 568) und für Ober-Indien, im Goldlande der Derden (XV p. 706), die Verschiedenheit der Klimate durch geographische Breite überall von der unterscheidet, welche der Höhe über dem Meere zugeschrieben werden muß. "Selbst in südlichen Erdstrichen", sagt der Geograph von Amasia, "ist jeder hohe Boden, wenn er auch eine Ebene ist, kalt" (II p. 73). -- Für die sehr gemäßigte Temperatur unter dem Aequator führen Eratosthenes und Polybius nicht allein den schnelleren Durchgang der Sonne (Geminus, Elem. Astron. c. 13; Cleom. cycl. theor. 1, 6), sondern vorzugsweise die Erscheinungen, welche aus der Rotation erklärt werden (wie Richer's Uhrgang in Cayenne, tägliche Aberration, Ablenkung des Projectilen, Passatwinde), sind wohl nicht mit dem zu verwechseln, was zu jeder Zeit durch Foucault's Apparat hervorgerufen wird, und wovon, ohne es weiter zu verfolgen, die Mitglieder der Academia del Cimento scheinen etwas erkannt zu haben (Antinori in den Comptes rendus T. XXXII. p. 635). 23 (S. 30.) Im griechischen Alterthume wurden zwei Gegenden der Erde bezeichnet, in denen auf merkwürdige Anschwellungen der Oberfläche nach den damals herrschenden Meinungen geschlossen wurde: der hohe Norden von Asien und das Land unter dem Aequator. „Die hohen und nackten scythischen Ebenen", sagt Hippocrates (de aëre et aquis §. XIX p. 72 Littré), „ohne von Bergen gekrönt zu sein, verlängern und erheben sich bis unter den Bären." Derselbe Glaube wurde schon früher dem Empedocles (Plut. de plac. philos. II, 8) zugeschrieben. Aristoteles (Meteor. I, 1 a 15 p. 66 Ideler) sagt: daß die älteren Meteorologen, welche die Sonne „nicht unter der Erde, sondern um dieselbe herumführten", die gegen den Norden hin angeschwollene Erde als eine Ursach betrachteten von dem Verschwinden der Sonne oder des Nachtwerdens. Auch in der Compilation der Probleme (XXVI, 15 pag. 941 Bekker) wird die Kälte des Nordwindes der Höhe des Bodens in dieser Weltgegend zugeschrieben. In allen diesen Stellen ist nicht von Gebirgen, sondern von Anschwellung des Bodens in Hochebenen die Rede. Ich habe bereits an einem anderen Orte (Asie centrale T. I. p. 58) gezeigt, daß Strabo, welcher allein sich des so charakteristischen Wortes ὀροπέδια bedient, für Armenien (XI p. 522 Casaub.), für das von wilden Eseln bewohnte Lycaonien (XII p. 568) und für Ober-Indien, im Goldlande der Derden (XV p. 706), die Verschiedenheit der Klimate durch geographische Breite überall von der unterscheidet, welche der Höhe über dem Meere zugeschrieben werden muß. „Selbst in südlichen Erdstrichen", sagt der Geograph von Amasia, „ist jeder hohe Boden, wenn er auch eine Ebene ist, kalt" (II p. 73). — Für die sehr gemäßigte Temperatur unter dem Aequator führen Eratosthenes und Polybius nicht allein den schnelleren Durchgang der Sonne (Geminus, Elem. Astron. c. 13; Cleom. cycl. theor. 1, 6), sondern vorzugsweise die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <note xml:id="ftn22-text" prev="#ftn22" place="end" n="22"><pb facs="#f0163" n="158"/> Erscheinungen, welche aus der Rotation erklärt werden (wie Richer's Uhrgang in Cayenne, tägliche Aberration, Ablenkung des Projectilen, Passatwinde), sind wohl nicht mit dem zu verwechseln, was zu jeder Zeit durch Foucault's Apparat hervorgerufen wird, und wovon, ohne es weiter zu verfolgen, die Mitglieder der Academia del Cimento scheinen etwas erkannt zu haben <hi rendition="#g">(Antinori</hi> in den <hi rendition="#g">Comptes rendus</hi> T. XXXII. p. 635).</note> <note xml:id="ftn23-text" prev="#ftn23" place="end" n="23"> (S. 30.) Im griechischen Alterthume wurden zwei Gegenden der Erde bezeichnet, in denen auf merkwürdige Anschwellungen der Oberfläche nach den damals herrschenden Meinungen geschlossen wurde: der hohe <hi rendition="#g">Norden von Asien</hi> und das Land unter dem <hi rendition="#g">Aequator.</hi> „Die hohen und nackten scythischen Ebenen", sagt <hi rendition="#g">Hippocrates (de aëre et aquis</hi> §. XIX p. 72 Littré), <hi rendition="#g">„ohne von Bergen gekrönt zu sein,</hi> verlängern und erheben sich bis unter den Bären." Derselbe Glaube wurde schon früher dem Empedocles <hi rendition="#g">(Plut. de plac. philos.</hi> II, 8) zugeschrieben. <hi rendition="#g">Aristoteles (Meteor.</hi> I, 1 a 15 p. 66 Ideler) sagt: daß die älteren Meteorologen, welche die Sonne „nicht unter der Erde, sondern um dieselbe herumführten", die gegen den Norden hin angeschwollene Erde als eine Ursach betrachteten von dem Verschwinden der Sonne oder des Nachtwerdens. Auch in der Compilation der <hi rendition="#g">Probleme</hi> (XXVI, 15 pag. 941 Bekker) wird die Kälte des <hi rendition="#g">Nordwindes</hi> der <hi rendition="#g">Höhe des Bodens</hi> in dieser Weltgegend zugeschrieben. In allen diesen Stellen ist nicht von Gebirgen, sondern von Anschwellung des Bodens in <hi rendition="#g">Hochebenen</hi> die Rede. Ich habe bereits an einem anderen Orte <hi rendition="#g">(Asie centrale</hi> T. I. p. 58) gezeigt, daß Strabo, welcher allein sich des so charakteristischen Wortes <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ὀροπέδια</foreign></hi> bedient, für Armenien (XI p. 522 Casaub.), für das von wilden Eseln bewohnte Lycaonien (XII p. 568) und für Ober-Indien, im Goldlande der Derden (XV p. 706), die Verschiedenheit der Klimate durch geographische Breite überall von der unterscheidet, welche der Höhe über dem Meere zugeschrieben werden muß. „Selbst in südlichen Erdstrichen", sagt der Geograph von Amasia, „ist jeder hohe Boden, <hi rendition="#g">wenn er auch</hi> eine Ebene ist, kalt" (II p. 73). — Für die sehr gemäßigte Temperatur unter dem Aequator führen Eratosthenes und Polybius nicht allein den schnelleren Durchgang der Sonne <hi rendition="#g">(Geminus, Elem. Astron.</hi> c. 13; <hi rendition="#g">Cleom. cycl. theor.</hi> 1, 6), sondern vorzugsweise die </note> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0163]
²² Erscheinungen, welche aus der Rotation erklärt werden (wie Richer's Uhrgang in Cayenne, tägliche Aberration, Ablenkung des Projectilen, Passatwinde), sind wohl nicht mit dem zu verwechseln, was zu jeder Zeit durch Foucault's Apparat hervorgerufen wird, und wovon, ohne es weiter zu verfolgen, die Mitglieder der Academia del Cimento scheinen etwas erkannt zu haben (Antinori in den Comptes rendus T. XXXII. p. 635).
²³ (S. 30.) Im griechischen Alterthume wurden zwei Gegenden der Erde bezeichnet, in denen auf merkwürdige Anschwellungen der Oberfläche nach den damals herrschenden Meinungen geschlossen wurde: der hohe Norden von Asien und das Land unter dem Aequator. „Die hohen und nackten scythischen Ebenen", sagt Hippocrates (de aëre et aquis §. XIX p. 72 Littré), „ohne von Bergen gekrönt zu sein, verlängern und erheben sich bis unter den Bären." Derselbe Glaube wurde schon früher dem Empedocles (Plut. de plac. philos. II, 8) zugeschrieben. Aristoteles (Meteor. I, 1 a 15 p. 66 Ideler) sagt: daß die älteren Meteorologen, welche die Sonne „nicht unter der Erde, sondern um dieselbe herumführten", die gegen den Norden hin angeschwollene Erde als eine Ursach betrachteten von dem Verschwinden der Sonne oder des Nachtwerdens. Auch in der Compilation der Probleme (XXVI, 15 pag. 941 Bekker) wird die Kälte des Nordwindes der Höhe des Bodens in dieser Weltgegend zugeschrieben. In allen diesen Stellen ist nicht von Gebirgen, sondern von Anschwellung des Bodens in Hochebenen die Rede. Ich habe bereits an einem anderen Orte (Asie centrale T. I. p. 58) gezeigt, daß Strabo, welcher allein sich des so charakteristischen Wortes ὀροπέδια bedient, für Armenien (XI p. 522 Casaub.), für das von wilden Eseln bewohnte Lycaonien (XII p. 568) und für Ober-Indien, im Goldlande der Derden (XV p. 706), die Verschiedenheit der Klimate durch geographische Breite überall von der unterscheidet, welche der Höhe über dem Meere zugeschrieben werden muß. „Selbst in südlichen Erdstrichen", sagt der Geograph von Amasia, „ist jeder hohe Boden, wenn er auch eine Ebene ist, kalt" (II p. 73). — Für die sehr gemäßigte Temperatur unter dem Aequator führen Eratosthenes und Polybius nicht allein den schnelleren Durchgang der Sonne (Geminus, Elem. Astron. c. 13; Cleom. cycl. theor. 1, 6), sondern vorzugsweise die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |