Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.sei, doch nicht wie von der Drehbank (ein Ausdruck, dem Herodot IV, 36 entlehnt), und manche Abweichungen habe; führt er viele Umgestaltungen an, welche durch Wasser und Feuer, durch Erdbeben, unterirdische Windstöße (elastische Dämpfe?) und andere dergleichen Ursachen erfolgen: aber auch hier die Ordnung nicht beachtend. Denn die Kugelrundung um die ganze Erde erfolgt aus der Anordnung des Ganzen, und solche Umgestaltungen verändern das Ganze der Erde gar nicht; das Kleine verschwindet im Großen." Später heißt es, immer nach Groskurd's sehr gelungener Uebersetzung: "daß die Erde mit der See kugelförmig sei, und eine und dieselbe Oberfläche bilde mit den Meeren. Das Hervorragende des Landes, welches unbedeutend ist und unbemerkt bleiben kann, verliert sich in solcher Größe: so daß wir die Kugelgestalt in solchen Fällen nicht so bestimmen wie nach der Drehbank, auch nicht wie der Meßkünstler nach dem Begriffe, sondern nach sinnlicher und zwar gröberer Wahrnehmung." (Strabo II p. 112.) "Die Welt ist zugleich ein Werk der Natur und der Vorsehung; Werk der Natur, indem alles gegen einen Punkt, die Mitte des Ganzen, sich zusammenneigt, und sich um denselben rundet: das weniger Dichte (das Wasser) das Dichtere (die Erde) enthaltend." (Strabo XVII p. 809.) Wo bei den Griechen von der Figur der Erde gehandelt wird, heißt es bloß (Cleom. cycl. theor. I, 8 p. 51): daß man sie mit einer flachen oder in der Mitte vertieften Scheibe, mit einem Cylinder (Anaximander), mit einem Cubus, einer Pyramide verglichen; und endlich allgemein, trotz des langen Streits der Epicuräer, welche die Anziehung nach dem Centrum läugneten, für eine Kugel gehalten habe. Die Idee der Abplattung hat sich der Phantasie nicht dargeboten. Die längliche Erde des Democritus war nur die in Einer Dimension verlängerte Scheibe des Thales. Der Paukenform, to skhema tumpanoeides, welche vorzugsweise dem Leucippus zugeschrieben wird (Plut. de plac. philos. III, 10; Galen. hist. phil. cap. 21; Aristot. de Coelo II, 13 pag. 293 Bekker), liegt schon zum Grunde die Vorstellung einer Halbkugel mit ebener Basis, welche vielleicht den Gleicher bezeichnet, während die Krümmung als die oikoumene gedacht wurde. Eine Stelle des Plinius IX, 54 über die Perlen erläutert diese Gestaltung: wogegen Aristoteles, Meteorol. II, 5 a 10 (Ideler T. I. p. 563), nur eine Vergleichung von Kugel- sei, doch nicht wie von der Drehbank (ein Ausdruck, dem Herodot IV, 36 entlehnt), und manche Abweichungen habe; führt er viele Umgestaltungen an, welche durch Wasser und Feuer, durch Erdbeben, unterirdische Windstöße (elastische Dämpfe?) und andere dergleichen Ursachen erfolgen: aber auch hier die Ordnung nicht beachtend. Denn die Kugelrundung um die ganze Erde erfolgt aus der Anordnung des Ganzen, und solche Umgestaltungen verändern das Ganze der Erde gar nicht; das Kleine verschwindet im Großen." Später heißt es, immer nach Groskurd's sehr gelungener Uebersetzung: „daß die Erde mit der See kugelförmig sei, und eine und dieselbe Oberfläche bilde mit den Meeren. Das Hervorragende des Landes, welches unbedeutend ist und unbemerkt bleiben kann, verliert sich in solcher Größe: so daß wir die Kugelgestalt in solchen Fällen nicht so bestimmen wie nach der Drehbank, auch nicht wie der Meßkünstler nach dem Begriffe, sondern nach sinnlicher und zwar gröberer Wahrnehmung." (Strabo II p. 112.) „Die Welt ist zugleich ein Werk der Natur und der Vorsehung; Werk der Natur, indem alles gegen einen Punkt, die Mitte des Ganzen, sich zusammenneigt, und sich um denselben rundet: das weniger Dichte (das Wasser) das Dichtere (die Erde) enthaltend." (Strabo XVII p. 809.) Wo bei den Griechen von der Figur der Erde gehandelt wird, heißt es bloß (Cleom. cycl. theor. I, 8 p. 51): daß man sie mit einer flachen oder in der Mitte vertieften Scheibe, mit einem Cylinder (Anaximander), mit einem Cubus, einer Pyramide verglichen; und endlich allgemein, trotz des langen Streits der Epicuräer, welche die Anziehung nach dem Centrum läugneten, für eine Kugel gehalten habe. Die Idee der Abplattung hat sich der Phantasie nicht dargeboten. Die längliche Erde des Democritus war nur die in Einer Dimension verlängerte Scheibe des Thales. Der Paukenform, τὸ σχῆμα τυμπανοειδές, welche vorzugsweise dem Leucippus zugeschrieben wird (Plut. de plac. philos. III, 10; Galen. hist. phil. cap. 21; Aristot. de Coelo II, 13 pag. 293 Bekker), liegt schon zum Grunde die Vorstellung einer Halbkugel mit ebener Basis, welche vielleicht den Gleicher bezeichnet, während die Krümmung als die οἰκουμένη gedacht wurde. Eine Stelle des Plinius IX, 54 über die Perlen erläutert diese Gestaltung: wogegen Aristoteles, Meteorol. II, 5 a 10 (Ideler T. I. p. 563), nur eine Vergleichung von Kugel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <note xml:id="ftn23-text" prev="#ftn23" place="end" n="23"><pb facs="#f0165" n="160"/> sei, doch nicht wie von der Drehbank (ein Ausdruck, dem Herodot IV, 36 entlehnt), und manche <hi rendition="#g">Abweichungen</hi> habe; führt er viele Umgestaltungen an, welche durch Wasser und Feuer, durch Erdbeben, unterirdische Windstöße (elastische Dämpfe?) und andere dergleichen Ursachen erfolgen: aber auch hier die Ordnung nicht beachtend. Denn die Kugelrundung um die ganze Erde erfolgt aus der <hi rendition="#g">Anordnung des Ganzen,</hi> und solche Umgestaltungen verändern das Ganze der Erde gar nicht; das Kleine verschwindet im Großen." Später heißt es, immer nach <hi rendition="#g">Groskurd's</hi> sehr gelungener Uebersetzung: „daß die Erde mit der See kugelförmig sei, und eine und dieselbe Oberfläche bilde mit den Meeren. 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²³ sei, doch nicht wie von der Drehbank (ein Ausdruck, dem Herodot IV, 36 entlehnt), und manche Abweichungen habe; führt er viele Umgestaltungen an, welche durch Wasser und Feuer, durch Erdbeben, unterirdische Windstöße (elastische Dämpfe?) und andere dergleichen Ursachen erfolgen: aber auch hier die Ordnung nicht beachtend. Denn die Kugelrundung um die ganze Erde erfolgt aus der Anordnung des Ganzen, und solche Umgestaltungen verändern das Ganze der Erde gar nicht; das Kleine verschwindet im Großen." Später heißt es, immer nach Groskurd's sehr gelungener Uebersetzung: „daß die Erde mit der See kugelförmig sei, und eine und dieselbe Oberfläche bilde mit den Meeren. Das Hervorragende des Landes, welches unbedeutend ist und unbemerkt bleiben kann, verliert sich in solcher Größe: so daß wir die Kugelgestalt in solchen Fällen nicht so bestimmen wie nach der Drehbank, auch nicht wie der Meßkünstler nach dem Begriffe, sondern nach sinnlicher und zwar gröberer Wahrnehmung." (Strabo II p. 112.) „Die Welt ist zugleich ein Werk der Natur und der Vorsehung; Werk der Natur, indem alles gegen einen Punkt, die Mitte des Ganzen, sich zusammenneigt, und sich um denselben rundet: das weniger Dichte (das Wasser) das Dichtere (die Erde) enthaltend." (Strabo XVII p. 809.) Wo bei den Griechen von der Figur der Erde gehandelt wird, heißt es bloß (Cleom. cycl. theor. I, 8 p. 51): daß man sie mit einer flachen oder in der Mitte vertieften Scheibe, mit einem Cylinder (Anaximander), mit einem Cubus, einer Pyramide verglichen; und endlich allgemein, trotz des langen Streits der Epicuräer, welche die Anziehung nach dem Centrum läugneten, für eine Kugel gehalten habe. Die Idee der Abplattung hat sich der Phantasie nicht dargeboten. Die längliche Erde des Democritus war nur die in Einer Dimension verlängerte Scheibe des Thales. Der Paukenform, τὸ σχῆμα τυμπανοειδές, welche vorzugsweise dem Leucippus zugeschrieben wird (Plut. de plac. philos. III, 10; Galen. hist. phil. cap. 21; Aristot. de Coelo II, 13 pag. 293 Bekker), liegt schon zum Grunde die Vorstellung einer Halbkugel mit ebener Basis, welche vielleicht den Gleicher bezeichnet, während die Krümmung als die οἰκουμένη gedacht wurde. Eine Stelle des Plinius IX, 54 über die Perlen erläutert diese Gestaltung: wogegen Aristoteles, Meteorol. II, 5 a 10 (Ideler T. I. p. 563), nur eine Vergleichung von Kugel-
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