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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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Wärme-Bewegung, einer ächt kosmischen Thätigkeit, zu betrachten.

So vielfach belehrend auch die Beobachtungen über die ungleiche Temperatur-Abnahme der nicht mit den Jahreszeiten veränderlichen Quellen bei zunehmender Höhe des Punktes ihres Ausbruchs ist; so kann das locale Gesetz solcher abnehmenden Temperatur der Quellen doch nicht, wie oft geschieht, unbedingt als ein allgemeines geothermisches Gesetz betrachtet werden. Wenn man gewiß wäre, daß Wasser auf einer horizontalen Schicht in großer Erstreckung ungemischt fortliefen, so würde man allerdings glauben können, daß sie allmälig die Temperatur des Festen angenommen haben; aber in dem großen Spaltengewebe der gehobenen Massen kann dieser Fall nur selten vorkommen. Kältere, höhere Wasser vermischen sich mit den unteren. Unser Bergbau, so geringe Räume er auch der Tiefe nach umfaßt, ist sehr belehrend in dieser Hinsicht; aber unmittelbar würde man nur dann zur Kenntniß der Geo-Isothermen gelangen, wenn nach Boussingault's Methode36 unterhalb der Tiefe, in welcher sich noch die Einflüsse der Temperatur-Veränderungen des nahen Luftkreises äußern, Thermometer in sehr verschiedenen Höhen über dem Meere eingegraben würden. Vom 45ten Grad der Breite bis zu den dem Aequator nahen Theilen der Tropengegend nimmt die Tiefe, in der die invariable Erdschicht beginnt, von 60 bis 11/2 oder 2 Fuß ab. Das Eingraben der Geothermometer in geringen Tiefen, um zur Kenntniß der mittleren Erd-Temperatur zu gelangen, ist demnach nur zwischen den Wendekreisen oder in der subtropischen Zone leicht ausführbar. Das vortreffliche Hülfsmittel der artesischen Brunnen, die eine Wärme-Zunahme von 1° des hunderttheiligen Thermometers für jede 91 bis 99 Fuß in absoluten Tiefen

Wärme-Bewegung, einer ächt kosmischen Thätigkeit, zu betrachten.

So vielfach belehrend auch die Beobachtungen über die ungleiche Temperatur-Abnahme der nicht mit den Jahreszeiten veränderlichen Quellen bei zunehmender Höhe des Punktes ihres Ausbruchs ist; so kann das locale Gesetz solcher abnehmenden Temperatur der Quellen doch nicht, wie oft geschieht, unbedingt als ein allgemeines geothermisches Gesetz betrachtet werden. Wenn man gewiß wäre, daß Wasser auf einer horizontalen Schicht in großer Erstreckung ungemischt fortliefen, so würde man allerdings glauben können, daß sie allmälig die Temperatur des Festen angenommen haben; aber in dem großen Spaltengewebe der gehobenen Massen kann dieser Fall nur selten vorkommen. Kältere, höhere Wasser vermischen sich mit den unteren. Unser Bergbau, so geringe Räume er auch der Tiefe nach umfaßt, ist sehr belehrend in dieser Hinsicht; aber unmittelbar würde man nur dann zur Kenntniß der Geo-Isothermen gelangen, wenn nach Boussingault's Methode36 unterhalb der Tiefe, in welcher sich noch die Einflüsse der Temperatur-Veränderungen des nahen Luftkreises äußern, Thermometer in sehr verschiedenen Höhen über dem Meere eingegraben würden. Vom 45ten Grad der Breite bis zu den dem Aequator nahen Theilen der Tropengegend nimmt die Tiefe, in der die invariable Erdschicht beginnt, von 60 bis 1½ oder 2 Fuß ab. Das Eingraben der Geothermometer in geringen Tiefen, um zur Kenntniß der mittleren Erd-Temperatur zu gelangen, ist demnach nur zwischen den Wendekreisen oder in der subtropischen Zone leicht ausführbar. Das vortreffliche Hülfsmittel der artesischen Brunnen, die eine Wärme-Zunahme von 1° des hunderttheiligen Thermometers für jede 91 bis 99 Fuß in absoluten Tiefen

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[237/0242] Wärme-Bewegung, einer ächt kosmischen Thätigkeit, zu betrachten. So vielfach belehrend auch die Beobachtungen über die ungleiche Temperatur-Abnahme der nicht mit den Jahreszeiten veränderlichen Quellen bei zunehmender Höhe des Punktes ihres Ausbruchs ist; so kann das locale Gesetz solcher abnehmenden Temperatur der Quellen doch nicht, wie oft geschieht, unbedingt als ein allgemeines geothermisches Gesetz betrachtet werden. Wenn man gewiß wäre, daß Wasser auf einer horizontalen Schicht in großer Erstreckung ungemischt fortliefen, so würde man allerdings glauben können, daß sie allmälig die Temperatur des Festen angenommen haben; aber in dem großen Spaltengewebe der gehobenen Massen kann dieser Fall nur selten vorkommen. Kältere, höhere Wasser vermischen sich mit den unteren. Unser Bergbau, so geringe Räume er auch der Tiefe nach umfaßt, ist sehr belehrend in dieser Hinsicht; aber unmittelbar würde man nur dann zur Kenntniß der Geo-Isothermen gelangen, wenn nach Boussingault's Methode ³⁶ unterhalb der Tiefe, in welcher sich noch die Einflüsse der Temperatur-Veränderungen des nahen Luftkreises äußern, Thermometer in sehr verschiedenen Höhen über dem Meere eingegraben würden. Vom 45ten Grad der Breite bis zu den dem Aequator nahen Theilen der Tropengegend nimmt die Tiefe, in der die invariable Erdschicht beginnt, von 60 bis 1½ oder 2 Fuß ab. Das Eingraben der Geothermometer in geringen Tiefen, um zur Kenntniß der mittleren Erd-Temperatur zu gelangen, ist demnach nur zwischen den Wendekreisen oder in der subtropischen Zone leicht ausführbar. Das vortreffliche Hülfsmittel der artesischen Brunnen, die eine Wärme-Zunahme von 1° des hunderttheiligen Thermometers für jede 91 bis 99 Fuß in absoluten Tiefen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/242>, abgerufen am 24.11.2024.