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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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den geschmolzenen, trotz des Druckes, den sie erleiden, leicht bewegten Theilen des Inneren durch Ortswechsel in den Massen vorgehen, selbst die geometrische Oberfläche in Krümmung der Meridiane und Parallele in kleinen Räumen nach sehr langen Zeitabschnitten modificiren; so ist die physische Oberfläche in ihrer oceanischen Region durch Ebbe und Fluth (locale Depression und Anschwellung des Flüssigen) sogar periodisch einem Ortswechsel der Massen ausgesetzt. Die Kleinheit des Gravitations-Effectes in den continentalen Regionen kann einen sehr allmäligen Wechsel der wirklichen Beobachtung entziehen; und nach Bessel's Berechnung muß, um die Polhöhe eines Orts nur um 1" zu vergrößern, in dem Inneren der Erde eine Ortsveränderung von einer Masse vorausgesetzt werden, deren Gewicht, ihre Dichtigkeit der mittleren Dichtigkeit der Erde gleich gesetzt, das von 114 geographischen Cubikmeilen5 ist. So auffallend groß auch dieses Volum der ortsverändernden, bewegten Masse uns erscheint, wenn wir es mit dem Volum des Montblanc oder Chimborazo, oder Kintschindjinga vergleichen; so sinkt doch bald das Erstaunen über die Größe des Phänomens, wenn man sich erinnert, daß das Erdsphäroid über 2650 Millionen solcher Cubikmeilen umfaßt.

Das Problem der Figur der Erde, dessen Zusammenhang mit der geologischen Frage über früheren liquiden Zustand der planetarischen Rotations-Körper schon in der großen Zeit6 von Newton, Huygens und Hooke erkannt wurde, ist mit ungleichem Erfolge auf drei Wegen zu lösen versucht worden: durch geodätisch-astronomische Gradmessung, durch Pendel-Versuche, und durch Ungleichheiten in der Länge und Breite des Mondes. Die erste

den geschmolzenen, trotz des Druckes, den sie erleiden, leicht bewegten Theilen des Inneren durch Ortswechsel in den Massen vorgehen, selbst die geometrische Oberfläche in Krümmung der Meridiane und Parallele in kleinen Räumen nach sehr langen Zeitabschnitten modificiren; so ist die physische Oberfläche in ihrer oceanischen Region durch Ebbe und Fluth (locale Depression und Anschwellung des Flüssigen) sogar periodisch einem Ortswechsel der Massen ausgesetzt. Die Kleinheit des Gravitations-Effectes in den continentalen Regionen kann einen sehr allmäligen Wechsel der wirklichen Beobachtung entziehen; und nach Bessel's Berechnung muß, um die Polhöhe eines Orts nur um 1″ zu vergrößern, in dem Inneren der Erde eine Ortsveränderung von einer Masse vorausgesetzt werden, deren Gewicht, ihre Dichtigkeit der mittleren Dichtigkeit der Erde gleich gesetzt, das von 114 geographischen Cubikmeilen5 ist. So auffallend groß auch dieses Volum der ortsverändernden, bewegten Masse uns erscheint, wenn wir es mit dem Volum des Montblanc oder Chimborazo, oder Kintschindjinga vergleichen; so sinkt doch bald das Erstaunen über die Größe des Phänomens, wenn man sich erinnert, daß das Erdsphäroid über 2650 Millionen solcher Cubikmeilen umfaßt.

Das Problem der Figur der Erde, dessen Zusammenhang mit der geologischen Frage über früheren liquiden Zustand der planetarischen Rotations-Körper schon in der großen Zeit6 von Newton, Huygens und Hooke erkannt wurde, ist mit ungleichem Erfolge auf drei Wegen zu lösen versucht worden: durch geodätisch-astronomische Gradmessung, durch Pendel-Versuche, und durch Ungleichheiten in der Länge und Breite des Mondes. Die erste

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[20/0025] den geschmolzenen, trotz des Druckes, den sie erleiden, leicht bewegten Theilen des Inneren durch Ortswechsel in den Massen vorgehen, selbst die geometrische Oberfläche in Krümmung der Meridiane und Parallele in kleinen Räumen nach sehr langen Zeitabschnitten modificiren; so ist die physische Oberfläche in ihrer oceanischen Region durch Ebbe und Fluth (locale Depression und Anschwellung des Flüssigen) sogar periodisch einem Ortswechsel der Massen ausgesetzt. Die Kleinheit des Gravitations-Effectes in den continentalen Regionen kann einen sehr allmäligen Wechsel der wirklichen Beobachtung entziehen; und nach Bessel's Berechnung muß, um die Polhöhe eines Orts nur um 1″ zu vergrößern, in dem Inneren der Erde eine Ortsveränderung von einer Masse vorausgesetzt werden, deren Gewicht, ihre Dichtigkeit der mittleren Dichtigkeit der Erde gleich gesetzt, das von 114 geographischen Cubikmeilen ⁵ ist. So auffallend groß auch dieses Volum der ortsverändernden, bewegten Masse uns erscheint, wenn wir es mit dem Volum des Montblanc oder Chimborazo, oder Kintschindjinga vergleichen; so sinkt doch bald das Erstaunen über die Größe des Phänomens, wenn man sich erinnert, daß das Erdsphäroid über 2650 Millionen solcher Cubikmeilen umfaßt. Das Problem der Figur der Erde, dessen Zusammenhang mit der geologischen Frage über früheren liquiden Zustand der planetarischen Rotations-Körper schon in der großen Zeit ⁶ von Newton, Huygens und Hooke erkannt wurde, ist mit ungleichem Erfolge auf drei Wegen zu lösen versucht worden: durch geodätisch-astronomische Gradmessung, durch Pendel-Versuche, und durch Ungleichheiten in der Länge und Breite des Mondes. Die erste

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/25>, abgerufen am 28.04.2024.