Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

in der Länge und Breite des Mondes) ausübt. Laplace, der zuerst die Ursach dieser Ungleichheiten aufgefunden, hat auch deren Anwendung gelehrt; und scharfsinnig gezeigt, wie dieselbe den großen Vorzug gewährt, welchen vereinzelte Gradmessungen und Pendel-Versuche nicht darzubieten vermögen: den Vorzug, die mittlere Figur (die Gestalt, welche dem ganzen Planeten zugehört) in einem einzigen, einfachen Resultate zu offenbaren. Man erinnert hier gern wieder10 an den glücklichen Ausdruck des Erfinders der Methode: "daß ein Astronom, ohne seine Sternwarte zu verlassen, in der Bewegung eines Himmelskörpers die individuelle Gestalt der Erde, seines Wohnsitzes, lesen könne." Nach einer letzten Revision der beiden Ungleichheiten in der Länge und Breite unseres Satelliten, und durch die Benutzung von mehreren tausend Beobachtungen von Bürg, Bouvard und Burckhardt11 fand Laplace vermittelst dieser seiner Lunar-Methode eine Abplattung, welche der der Breitengrad-Messungen (1/299) nahe genug kommt: nämlich 1/306.

Ein drittes Mittel, die Gestalt der Erde (d. i. das Verhältniß der großen zur kleinen Axe, unter der Voraussetzung einer elliptisch sphäroidischen Gestalt) durch Ergründung des Gesetzes zu finden, nach welchem vom Aequator gegen die Rotations-Pole hin die Schwere zunimmt; bieten die Schwingungen der Pendel dar. Zur Zeitbestimmung hatten sich dieser Schwingungen zuerst die arabischen Astronomen und namentlich Ebn-Junis, am Ende des 10ten Jahrhunderts, in der Glanzperiode der Abbassidischen Chalifen12, bedient; auch, nach sechshundertjähriger Vernachlässigung, Galilei und der Pater Riccioli zu Bologna.13 Durch Verbindung mit Räderwerk zur Regulirung des Ganges der Uhren (angewandt zuerst in den unvollkommenen Versuchen von

in der Länge und Breite des Mondes) ausübt. Laplace, der zuerst die Ursach dieser Ungleichheiten aufgefunden, hat auch deren Anwendung gelehrt; und scharfsinnig gezeigt, wie dieselbe den großen Vorzug gewährt, welchen vereinzelte Gradmessungen und Pendel-Versuche nicht darzubieten vermögen: den Vorzug, die mittlere Figur (die Gestalt, welche dem ganzen Planeten zugehört) in einem einzigen, einfachen Resultate zu offenbaren. Man erinnert hier gern wieder10 an den glücklichen Ausdruck des Erfinders der Methode: „daß ein Astronom, ohne seine Sternwarte zu verlassen, in der Bewegung eines Himmelskörpers die individuelle Gestalt der Erde, seines Wohnsitzes, lesen könne." Nach einer letzten Revision der beiden Ungleichheiten in der Länge und Breite unseres Satelliten, und durch die Benutzung von mehreren tausend Beobachtungen von Bürg, Bouvard und Burckhardt11 fand Laplace vermittelst dieser seiner Lunar-Methode eine Abplattung, welche der der Breitengrad-Messungen (1/299) nahe genug kommt: nämlich 1/306.

Ein drittes Mittel, die Gestalt der Erde (d. i. das Verhältniß der großen zur kleinen Axe, unter der Voraussetzung einer elliptisch sphäroidischen Gestalt) durch Ergründung des Gesetzes zu finden, nach welchem vom Aequator gegen die Rotations-Pole hin die Schwere zunimmt; bieten die Schwingungen der Pendel dar. Zur Zeitbestimmung hatten sich dieser Schwingungen zuerst die arabischen Astronomen und namentlich Ebn-Junis, am Ende des 10ten Jahrhunderts, in der Glanzperiode der Abbassidischen Chalifen12, bedient; auch, nach sechshundertjähriger Vernachlässigung, Galilei und der Pater Riccioli zu Bologna.13 Durch Verbindung mit Räderwerk zur Regulirung des Ganges der Uhren (angewandt zuerst in den unvollkommenen Versuchen von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0029" n="24"/>
in der Länge und Breite des Mondes) ausübt. Laplace, der zuerst die Ursach dieser Ungleichheiten aufgefunden, hat auch deren Anwendung gelehrt; und scharfsinnig gezeigt, wie dieselbe den großen Vorzug gewährt, welchen vereinzelte Gradmessungen und Pendel-Versuche nicht darzubieten vermögen: den Vorzug, die <hi rendition="#g">mittlere</hi> Figur (die Gestalt, welche dem <hi rendition="#g">ganzen</hi> Planeten zugehört) in einem einzigen, einfachen Resultate zu offenbaren. Man erinnert hier gern wieder<note xml:id="ftn10" next="#ftn10-text" place="end" n="10"/> an den glücklichen Ausdruck des Erfinders der Methode: &#x201E;daß ein Astronom, ohne seine Sternwarte zu verlassen, in der Bewegung eines Himmelskörpers die individuelle Gestalt der Erde, seines Wohnsitzes, lesen könne." Nach einer letzten Revision der beiden Ungleichheiten in der Länge und Breite unseres Satelliten, und durch die Benutzung von mehreren tausend Beobachtungen von Bürg, Bouvard und Burckhardt<note xml:id="ftn11" next="#ftn11-text" place="end" n="11"/> fand Laplace vermittelst dieser seiner Lunar-Methode eine Abplattung, welche der der Breitengrad-Messungen (1/299) nahe genug kommt: nämlich 1/306.</p>
                <p>Ein drittes Mittel, die Gestalt der Erde (d. i. das Verhältniß der großen zur kleinen Axe, unter der Voraussetzung einer elliptisch sphäroidischen Gestalt) durch Ergründung des Gesetzes zu finden, nach welchem vom Aequator gegen die Rotations-Pole hin die <hi rendition="#g">Schwere</hi> zunimmt; bieten die <hi rendition="#g">Schwingungen der Pendel</hi> dar. Zur Zeitbestimmung hatten sich dieser Schwingungen zuerst die arabischen Astronomen und namentlich Ebn-Junis, am Ende des 10ten Jahrhunderts, in der Glanzperiode der Abbassidischen Chalifen<note xml:id="ftn12" next="#ftn12-text" place="end" n="12"/>, bedient; auch, nach sechshundertjähriger Vernachlässigung, Galilei und der Pater Riccioli zu Bologna.<note xml:id="ftn13" next="#ftn13-text" place="end" n="13"/> Durch Verbindung mit Räderwerk zur Regulirung des Ganges der Uhren (angewandt zuerst in den unvollkommenen Versuchen von
</p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0029] in der Länge und Breite des Mondes) ausübt. Laplace, der zuerst die Ursach dieser Ungleichheiten aufgefunden, hat auch deren Anwendung gelehrt; und scharfsinnig gezeigt, wie dieselbe den großen Vorzug gewährt, welchen vereinzelte Gradmessungen und Pendel-Versuche nicht darzubieten vermögen: den Vorzug, die mittlere Figur (die Gestalt, welche dem ganzen Planeten zugehört) in einem einzigen, einfachen Resultate zu offenbaren. Man erinnert hier gern wieder ¹⁰ an den glücklichen Ausdruck des Erfinders der Methode: „daß ein Astronom, ohne seine Sternwarte zu verlassen, in der Bewegung eines Himmelskörpers die individuelle Gestalt der Erde, seines Wohnsitzes, lesen könne." Nach einer letzten Revision der beiden Ungleichheiten in der Länge und Breite unseres Satelliten, und durch die Benutzung von mehreren tausend Beobachtungen von Bürg, Bouvard und Burckhardt ¹¹ fand Laplace vermittelst dieser seiner Lunar-Methode eine Abplattung, welche der der Breitengrad-Messungen (1/299) nahe genug kommt: nämlich 1/306. Ein drittes Mittel, die Gestalt der Erde (d. i. das Verhältniß der großen zur kleinen Axe, unter der Voraussetzung einer elliptisch sphäroidischen Gestalt) durch Ergründung des Gesetzes zu finden, nach welchem vom Aequator gegen die Rotations-Pole hin die Schwere zunimmt; bieten die Schwingungen der Pendel dar. Zur Zeitbestimmung hatten sich dieser Schwingungen zuerst die arabischen Astronomen und namentlich Ebn-Junis, am Ende des 10ten Jahrhunderts, in der Glanzperiode der Abbassidischen Chalifen ¹² , bedient; auch, nach sechshundertjähriger Vernachlässigung, Galilei und der Pater Riccioli zu Bologna. ¹³ Durch Verbindung mit Räderwerk zur Regulirung des Ganges der Uhren (angewandt zuerst in den unvollkommenen Versuchen von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/29
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/29>, abgerufen am 21.11.2024.