Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.Malaspina den Glauben hatten verbreiten können, daß die südliche Hemisphäre im allgemeinen beträchtlich mehr abgeplattet sei als die nördliche; so haben, wie ich schon an einem anderen Orte22 angeführt, die Malouinen-Inseln und Neu-Holland, verglichen mit Neu-York, Dünkirchen und Barcelona, in genaueren Resultaten das Gegentheil erwiesen. Aus dem bisher Entwickelten ergiebt sich: daß das Pendel (ein nicht unwichtiges geognostisches Untersuchungsmittel; eine Art Senkblei, in tiefe, ungesehene Erdschichten geworfen) uns doch mit geringerer Sicherheit über die Gestalt unseres Planeten aufklärt als Gradmessungen und Mondbewegung. Die concentrischen, elliptischen, einzeln homogenen, aber von der Oberfläche gegen das Erd-Centrum an Dichtigkeit (nach gewissen Functionen des Abstandes) zunehmenden Schichten können, in einzelnen Theilen des Erdkörpers nach ihrer Beschaffenheit, Lage und Dichtigkeits-Folge verschieden, an der Oberfläche locale Abweichungen in der Intensität der Schwere erzeugen. Sind die Zustände, welche jene Abweichungen hervorbringen, um vieles neuer als die Erhärtung der äußeren Rinde, so kann man sich die Figur der Oberfläche als örtlich nicht modificirt durch die innere Bewegung der geschmolzenen Massen denken. Die Verschiedenheit der Resultate der Pendel-Messung ist übrigens viel zu groß, als daß man sie gegenwärtig noch Fehlern der Beobachtung zuschreiben könnte. Wo auch durch mannigfach versuchte Gruppirung und Combination der Stationen Uebereinstimmung in den Resultaten oder erkennbare Gesetzmäßigkeit gefunden wird, ergeben immer die Pendel eine größere Abplattung (ohngefähr schwankend zwischen den Grenzen 1/275 und 1/290) als die, welche aus den Gradmessungen hat geschlossen werden können. Malaspina den Glauben hatten verbreiten können, daß die südliche Hemisphäre im allgemeinen beträchtlich mehr abgeplattet sei als die nördliche; so haben, wie ich schon an einem anderen Orte22 angeführt, die Malouinen-Inseln und Neu-Holland, verglichen mit Neu-York, Dünkirchen und Barcelona, in genaueren Resultaten das Gegentheil erwiesen. Aus dem bisher Entwickelten ergiebt sich: daß das Pendel (ein nicht unwichtiges geognostisches Untersuchungsmittel; eine Art Senkblei, in tiefe, ungesehene Erdschichten geworfen) uns doch mit geringerer Sicherheit über die Gestalt unseres Planeten aufklärt als Gradmessungen und Mondbewegung. Die concentrischen, elliptischen, einzeln homogenen, aber von der Oberfläche gegen das Erd-Centrum an Dichtigkeit (nach gewissen Functionen des Abstandes) zunehmenden Schichten können, in einzelnen Theilen des Erdkörpers nach ihrer Beschaffenheit, Lage und Dichtigkeits-Folge verschieden, an der Oberfläche locale Abweichungen in der Intensität der Schwere erzeugen. Sind die Zustände, welche jene Abweichungen hervorbringen, um vieles neuer als die Erhärtung der äußeren Rinde, so kann man sich die Figur der Oberfläche als örtlich nicht modificirt durch die innere Bewegung der geschmolzenen Massen denken. Die Verschiedenheit der Resultate der Pendel-Messung ist übrigens viel zu groß, als daß man sie gegenwärtig noch Fehlern der Beobachtung zuschreiben könnte. Wo auch durch mannigfach versuchte Gruppirung und Combination der Stationen Uebereinstimmung in den Resultaten oder erkennbare Gesetzmäßigkeit gefunden wird, ergeben immer die Pendel eine größere Abplattung (ohngefähr schwankend zwischen den Grenzen 1/275 und 1/290) als die, welche aus den Gradmessungen hat geschlossen werden können. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0034" n="29"/> Malaspina den Glauben hatten verbreiten können, daß die südliche Hemisphäre im allgemeinen <hi rendition="#g">beträchtlich</hi> mehr abgeplattet sei als die nördliche; so haben, wie ich schon an einem anderen Orte<note xml:id="ftn22" next="#ftn22-text" place="end" n="22"/> angeführt, die Malouinen-Inseln und Neu-Holland, verglichen mit Neu-York, Dünkirchen und Barcelona, in genaueren Resultaten das Gegentheil erwiesen.</p> <p>Aus dem bisher Entwickelten ergiebt sich: daß das Pendel (ein nicht unwichtiges geognostisches Untersuchungsmittel; eine Art Senkblei, in tiefe, ungesehene Erdschichten geworfen) uns doch mit geringerer Sicherheit über die Gestalt unseres Planeten aufklärt als Gradmessungen und Mondbewegung. Die concentrischen, elliptischen, einzeln homogenen, aber von der Oberfläche gegen das Erd-Centrum an Dichtigkeit (nach gewissen Functionen des Abstandes) zunehmenden Schichten können, in einzelnen Theilen des Erdkörpers nach ihrer Beschaffenheit, Lage und Dichtigkeits-Folge verschieden, an der Oberfläche locale Abweichungen in der Intensität der Schwere erzeugen. Sind die Zustände, welche jene Abweichungen hervorbringen, um vieles neuer als die Erhärtung der äußeren Rinde, so kann man sich die Figur der Oberfläche als örtlich nicht modificirt durch die innere Bewegung der geschmolzenen Massen denken. Die Verschiedenheit der Resultate der Pendel-Messung ist übrigens viel zu groß, als daß man sie gegenwärtig noch Fehlern der Beobachtung zuschreiben könnte. Wo auch durch mannigfach versuchte Gruppirung und Combination der Stationen Uebereinstimmung in den Resultaten oder erkennbare Gesetzmäßigkeit gefunden wird, ergeben immer die Pendel eine <hi rendition="#g">größere Abplattung</hi> (ohngefähr schwankend zwischen den Grenzen 1/275 und 1/290) als die, welche aus den Gradmessungen hat geschlossen werden können.</p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0034]
Malaspina den Glauben hatten verbreiten können, daß die südliche Hemisphäre im allgemeinen beträchtlich mehr abgeplattet sei als die nördliche; so haben, wie ich schon an einem anderen Orte
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angeführt, die Malouinen-Inseln und Neu-Holland, verglichen mit Neu-York, Dünkirchen und Barcelona, in genaueren Resultaten das Gegentheil erwiesen.
Aus dem bisher Entwickelten ergiebt sich: daß das Pendel (ein nicht unwichtiges geognostisches Untersuchungsmittel; eine Art Senkblei, in tiefe, ungesehene Erdschichten geworfen) uns doch mit geringerer Sicherheit über die Gestalt unseres Planeten aufklärt als Gradmessungen und Mondbewegung. Die concentrischen, elliptischen, einzeln homogenen, aber von der Oberfläche gegen das Erd-Centrum an Dichtigkeit (nach gewissen Functionen des Abstandes) zunehmenden Schichten können, in einzelnen Theilen des Erdkörpers nach ihrer Beschaffenheit, Lage und Dichtigkeits-Folge verschieden, an der Oberfläche locale Abweichungen in der Intensität der Schwere erzeugen. Sind die Zustände, welche jene Abweichungen hervorbringen, um vieles neuer als die Erhärtung der äußeren Rinde, so kann man sich die Figur der Oberfläche als örtlich nicht modificirt durch die innere Bewegung der geschmolzenen Massen denken. Die Verschiedenheit der Resultate der Pendel-Messung ist übrigens viel zu groß, als daß man sie gegenwärtig noch Fehlern der Beobachtung zuschreiben könnte. Wo auch durch mannigfach versuchte Gruppirung und Combination der Stationen Uebereinstimmung in den Resultaten oder erkennbare Gesetzmäßigkeit gefunden wird, ergeben immer die Pendel eine größere Abplattung (ohngefähr schwankend zwischen den Grenzen 1/275 und 1/290) als die, welche aus den Gradmessungen hat geschlossen werden können.
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