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Humboldt, Alexander von: Der zweite Band des Kosmos. Anzeige von Alexander v. Humboldt. In: Allgemeine Zeitung. Nr. 274, Beilage vom 1[.] October 1847 (1848), S. 2185.

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Nr. 274.    Beilage zur Allgemeinen Zeitung.    1 October 1847.


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Der zweite Band des Kosmos.
Anzeige von Alexander v. Humboldt.

* Das verspätete Erscheinen des zweiten Theils des Kosmos,
dessen Druck jetzt beendigt ist,*) darf nicht der Verlagshandlung,
welche jedes Mittel der Beschleunigung freundlichst dargeboten hat,
sondern allein der individuellen Lage des Verfassers und seinem re-
gen Wunsche zugeschrieben werden einem inhaltschweren Unterneh-
men den Rest aller seiner Kräfte zu widmen. In dem ersten Bande
des Werkes sind die Hauptresultate der Beobachtung, wie sie der
reinen Objectivität wissenschaftlicher Naturbeschreibung angehören,
eng an einander gereihet, in der Form eines Naturgemäldes
aufgestellt worden. Es umfaßt dasselbe das Weltganze von den
fernsten Nebelflecken bis zu den kleinsten Organismen der irdischen
Schöpfung. Der zweite Band des Kosmos betrachtet den Reflex des
durch die äußeren Sinne empfangenen Bildes auf das Gefühl und
die dichterisch gestimmte Einbildungskraft. Wir treten aus dem
Kreis der Objecte in den Kreis der Empfindungen. Es eröffnet sich
uns eine innere Welt. Wir durchforschen sie, nicht um in diesem
Buche von der Natur zu ergründen -- wie es von der Philo-
sophie der Kunst gefordert wird -- was in der Möglichkeit ästheti-
scher Wirkungen dem Wesen der Gemütskräfte und den mannich-
faltigen Richtungen geistiger Thätigkeit zukommt, sondern um
die Quellen lebendiger Anschauung, als Mittel jener Erhöhung ei-
nes reinen Naturgefühls, zu schildern; um den Ursachen nachzuspü-
ren welche besonders in der neuern Zeit durch Belebung der Ein-
bildungskraft so mächtig auf die Liebe zum Naturstudium und auf
den Hang zu fernen Reisen gewirkt haben. Die Anregungs-
mittel
selbst sind von dreierlei Art: ästhetische Behandlung von
Naturscenen in belebten Schilderungen der Thier- und Pflanzen-
welt, ein sehr moderner Zweig der Litteratur; Landschaftmalerei, be-
sonders insofern sie angefangen hat die Physiognomik der Gewächse
aufzufassen; mehr verbreitete Kultur der Tropengewächse und con-
trastirende Zusammenstellung erotischer Formen. Jedes der hier
bezeichneten Anregungsmittel hätte schon seiner historischen Bezie-
hungen wegen der Gegenstand vielumfassender Erörterung werden
können; aber nach dem Geiste und dem Zweck meiner Schrift schien
es geeigneter nur die leitenden Ideen zu entwickeln, daran zu erin-
nern wie die Naturwelt in verschiedenen Zeitepochen und bei ver-
schiedenen Volksstämmen so ganz anders auf die Gedanken- und
Empfindungswelt eingewirkt hat, wie in einem Zustande allgemei-
ner Kultur das ernste Wissen und die zarteren Anregungen der
Phantasie sich gegenseitig zu durchdringen streben. Um die Natur
in ihrer ganzen erhabenen Größe zu schildern, darf man nicht bei
den äußern Erscheinungen allein verweilen; die Natur muß auch
dargestellt werden wie sie sich im Innern des Menschen abspiegelt,
wie sie durch diesen Reflex bald das Nebelland physischer Mythen
mit anmuthigen Gestalten füllt, bald den edlen Keim darstellender
Kunstthätigkeit entfaltet. Auf die hier bezeichneten Anregungsmittel
zum wissenschaftlichen Naturstudium lasse ich die Geschichte der
physischen Weltanschauung
folgen. Es ist dieselbe, wie ich
sie auffasse, die Geschichte der Erkenntniß eines Naturganzen, gleich-
sam die Geschichte des Gedankens von der Einheit der Erscheinungen
und von dem Zusammenhange der Kräfte im Weltall. Sie darf in
ihrer Behandlungsweise nicht verwechselt werden mit der Geschichte
der speciellen Naturwissenschaften, wie sie mehrere unserer vorzüg-
lichsten Lehrbücher der Physik oder der Morphologie der Pflanzen
und Thiere liefern. Die Geschichte der physischen Weltanschauung
unterscheidet: das selbständige Streben der Vernunft nach Erkennt-
niß von Naturgesetzen, d. h. die denkende Betrachtung der Natur-
erscheinungen selbst; die Weltbegebenheiten welche plötzlich den Hori-
zont der Beobachtung erweitert haben; die Erfindung neuer Mittel
sinnlicher Wahrnehmung, gleichsam die Erfindung neuer Organe,
[Spaltenumbruch] welche den Menschen mit den irdischen Gegenständen wie mit den
fernsten Welträumen in näheren Verkehr bringen. Dieser dreifache
Gesichtspunkt hat mich geleitet, um die Hauptepochen (Hauptmo-
mente) zu bestimmen welche die Geschichte der Lehre vom Kosmos
zu durchlaufen hat. Die geschichtliche Erkenntniß der allmählichen
Erweiterung des Naturwissens in beiden Sphären, der Erd- und
Himmelskunde, ist an bestimmte Perioden, an gewisse räumlich und
intellectuell wirkende Ereignisse gebunden, die jenen Perioden Eigen-
thümlichkeit und Färbung verleihen. Solche Ereignisse waren die
Unternehmungen welche in den Pontus führten und jenseits des
Phasis ein anderes Seeufer ahnden ließen; die Expeditionen nach
tropischen Gold- und Weihrauchländern; die Durchschiffung der
westlichen Meerenge und Eröffnung der großen maritimen Völker-
straße, auf der in langen Zeitabständen Cerne und die Hesperiden,
die nördlichen Zinn- und Bernsteininseln, die vulcanischen Azoren
und der Neue Continent des Columbus, südlich von den alten scan-
dinavischen Ansiedelungen entdeckt wurden. Auf die Bewegungen
welche aus dem Becken des Mittelmeeres und dem nördlichsten Ende
des nahen arabischen Meerbusens ausgingen, auf die Pontus- und
Ophirfahrten, folgen in meiner historischen Schilderung die Heer-
züge des Macedoniers und sein Versuch den Westen mit dem Osten
zu verschmelzen; die Wirkungen des indischen Seehandels und der
alexandrinischen Institute unter den Lagiden; die Weltherrschaft der
Römer unter den Cäsaren; der folgenreiche Hang der Araber zum
Verkehr mit der Natur und ihren Kräften, zu astronomischem, ma-
thematischem und praktisch-chemischem Wissen. Mit der Besitznahme
einer ganzen Erdhälfte, welche verhüllt lag, mit den größten Ent-
deckungen im Raume, welche je die Menschen gemacht, ist für mich
die Reihe der Ereignisse und Begebenheiten geschlossen, die plötzlich
den Horizont der Ideen erweitert, zum Erforschen von physischen
Gesetzen angeregt, das Streben nach dem endlichen Erfassen des
Weltganzen belebt haben. Die Intelligenz bringt fortan Großes
ohne Anregung durch Begebenheiten, als Wirkung eigener innerer
Kraft, gleichzeitig nach allen Richtungen hervor.

Ich habe in den vorliegenden Betrachtungen in allgemeinen Um-
rissen den Inhalt des neuen Bandes meines Werkes anzudeuten ge-
sucht. Obschon der 1ste und 2te Band des Kosmos gewissermaßen
ein geschlossenes Ganzes bilden, so hoffe ich doch daß am spätesten
Abend meines Lebens es mir noch vergönnt seyn wird einen dritten
und letzten Band hinzuzufügen, welcher die "Ergebnisse wissenschaft-
licher Forschung in den speciellen Theilen der physischen Weltbe-
schreibung" enthalten soll. Derselbe wird das allgemeine Na-
turgemälde
erläutern und, um den Gebrauch des ganzen Werkes
bequemer zu machen, eine Inhaltsübersicht ähnlicher Art enthalten
wie ich sie jetzt schon für den ersten und zweiten Band liefere. Möge
wie bisher Wohlwollen und, was dem Wohlwollen erst seinen
Werth gibt, möge die Ehre strenger Prüfung der Lohn meiner Ar-
beitsamkeit seyn! Der höchste Genuß, welchen in einer mehr als
fünfzigjährigen schriftstellerischen Laufbahn das fortgesetzte Streben
nach freier Oeffentlichkeit gewähren kann, bleibt an die Hoffnung
geknüpft, in Ideen und Gefühlen seiner Zeit nie fremd zu werden.


Alexander v. Humboldt.

[irrelevantes Material - 13 Zeilen fehlen]
*) Die Unterzeichnete glaubt das Erscheinen im Buchhandel gegen Mitte
Octobers mit Sicherheit versprechen zu können, und wird hierüber sei-
ner Zeit öffentliche Anzeige machen.
J. G. Cotta'sche Verlagshandlung.
Nr. 274.    Beilage zur Allgemeinen Zeitung.    1 October 1847.


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Der zweite Band des Kosmos.
Anzeige von Alexander v. Humboldt.

* Das verſpätete Erſcheinen des zweiten Theils des Kosmos,
deſſen Druck jetzt beendigt iſt,*) darf nicht der Verlagshandlung,
welche jedes Mittel der Beſchleunigung freundlichſt dargeboten hat,
ſondern allein der individuellen Lage des Verfaſſers und ſeinem re-
gen Wunſche zugeſchrieben werden einem inhaltſchweren Unterneh-
men den Reſt aller ſeiner Kräfte zu widmen. In dem erſten Bande
des Werkes ſind die Hauptreſultate der Beobachtung, wie ſie der
reinen Objectivität wiſſenſchaftlicher Naturbeſchreibung angehören,
eng an einander gereihet, in der Form eines Naturgemäldes
aufgeſtellt worden. Es umfaßt dasſelbe das Weltganze von den
fernſten Nebelflecken bis zu den kleinſten Organismen der irdiſchen
Schöpfung. Der zweite Band des Kosmos betrachtet den Reflex des
durch die äußeren Sinne empfangenen Bildes auf das Gefühl und
die dichteriſch geſtimmte Einbildungskraft. Wir treten aus dem
Kreis der Objecte in den Kreis der Empfindungen. Es eröffnet ſich
uns eine innere Welt. Wir durchforſchen ſie, nicht um in dieſem
Buche von der Natur zu ergründen — wie es von der Philo-
ſophie der Kunſt gefordert wird — was in der Möglichkeit äſtheti-
ſcher Wirkungen dem Weſen der Gemütskräfte und den mannich-
faltigen Richtungen geiſtiger Thätigkeit zukommt, ſondern um
die Quellen lebendiger Anſchauung, als Mittel jener Erhöhung ei-
nes reinen Naturgefühls, zu ſchildern; um den Urſachen nachzuſpü-
ren welche beſonders in der neuern Zeit durch Belebung der Ein-
bildungskraft ſo mächtig auf die Liebe zum Naturſtudium und auf
den Hang zu fernen Reiſen gewirkt haben. Die Anregungs-
mittel
ſelbſt ſind von dreierlei Art: äſthetiſche Behandlung von
Naturſcenen in belebten Schilderungen der Thier- und Pflanzen-
welt, ein ſehr moderner Zweig der Litteratur; Landſchaftmalerei, be-
ſonders inſofern ſie angefangen hat die Phyſiognomik der Gewächſe
aufzufaſſen; mehr verbreitete Kultur der Tropengewächſe und con-
traſtirende Zuſammenſtellung erotiſcher Formen. Jedes der hier
bezeichneten Anregungsmittel hätte ſchon ſeiner hiſtoriſchen Bezie-
hungen wegen der Gegenſtand vielumfaſſender Erörterung werden
können; aber nach dem Geiſte und dem Zweck meiner Schrift ſchien
es geeigneter nur die leitenden Ideen zu entwickeln, daran zu erin-
nern wie die Naturwelt in verſchiedenen Zeitepochen und bei ver-
ſchiedenen Volksſtämmen ſo ganz anders auf die Gedanken- und
Empfindungswelt eingewirkt hat, wie in einem Zuſtande allgemei-
ner Kultur das ernſte Wiſſen und die zarteren Anregungen der
Phantaſie ſich gegenſeitig zu durchdringen ſtreben. Um die Natur
in ihrer ganzen erhabenen Größe zu ſchildern, darf man nicht bei
den äußern Erſcheinungen allein verweilen; die Natur muß auch
dargeſtellt werden wie ſie ſich im Innern des Menſchen abſpiegelt,
wie ſie durch dieſen Reflex bald das Nebelland phyſiſcher Mythen
mit anmuthigen Geſtalten füllt, bald den edlen Keim darſtellender
Kunſtthätigkeit entfaltet. Auf die hier bezeichneten Anregungsmittel
zum wiſſenſchaftlichen Naturſtudium laſſe ich die Geſchichte der
phyſiſchen Weltanſchauung
folgen. Es iſt dieſelbe, wie ich
ſie auffaſſe, die Geſchichte der Erkenntniß eines Naturganzen, gleich-
ſam die Geſchichte des Gedankens von der Einheit der Erſcheinungen
und von dem Zuſammenhange der Kräfte im Weltall. Sie darf in
ihrer Behandlungsweiſe nicht verwechſelt werden mit der Geſchichte
der ſpeciellen Naturwiſſenſchaften, wie ſie mehrere unſerer vorzüg-
lichſten Lehrbücher der Phyſik oder der Morphologie der Pflanzen
und Thiere liefern. Die Geſchichte der phyſiſchen Weltanſchauung
unterſcheidet: das ſelbſtändige Streben der Vernunft nach Erkennt-
niß von Naturgeſetzen, d. h. die denkende Betrachtung der Natur-
erſcheinungen ſelbſt; die Weltbegebenheiten welche plötzlich den Hori-
zont der Beobachtung erweitert haben; die Erfindung neuer Mittel
ſinnlicher Wahrnehmung, gleichſam die Erfindung neuer Organe,
[Spaltenumbruch] welche den Menſchen mit den irdiſchen Gegenſtänden wie mit den
fernſten Welträumen in näheren Verkehr bringen. Dieſer dreifache
Geſichtspunkt hat mich geleitet, um die Hauptepochen (Hauptmo-
mente) zu beſtimmen welche die Geſchichte der Lehre vom Kosmos
zu durchlaufen hat. Die geſchichtliche Erkenntniß der allmählichen
Erweiterung des Naturwiſſens in beiden Sphären, der Erd- und
Himmelskunde, iſt an beſtimmte Perioden, an gewiſſe räumlich und
intellectuell wirkende Ereigniſſe gebunden, die jenen Perioden Eigen-
thümlichkeit und Färbung verleihen. Solche Ereigniſſe waren die
Unternehmungen welche in den Pontus führten und jenſeits des
Phaſis ein anderes Seeufer ahnden ließen; die Expeditionen nach
tropiſchen Gold- und Weihrauchländern; die Durchſchiffung der
weſtlichen Meerenge und Eröffnung der großen maritimen Völker-
ſtraße, auf der in langen Zeitabſtänden Cerne und die Heſperiden,
die nördlichen Zinn- und Bernſteininſeln, die vulcaniſchen Azoren
und der Neue Continent des Columbus, ſüdlich von den alten ſcan-
dinaviſchen Anſiedelungen entdeckt wurden. Auf die Bewegungen
welche aus dem Becken des Mittelmeeres und dem nördlichſten Ende
des nahen arabiſchen Meerbuſens ausgingen, auf die Pontus- und
Ophirfahrten, folgen in meiner hiſtoriſchen Schilderung die Heer-
züge des Macedoniers und ſein Verſuch den Weſten mit dem Oſten
zu verſchmelzen; die Wirkungen des indiſchen Seehandels und der
alexandriniſchen Inſtitute unter den Lagiden; die Weltherrſchaft der
Römer unter den Cäſaren; der folgenreiche Hang der Araber zum
Verkehr mit der Natur und ihren Kräften, zu aſtronomiſchem, ma-
thematiſchem und praktiſch-chemiſchem Wiſſen. Mit der Beſitznahme
einer ganzen Erdhälfte, welche verhüllt lag, mit den größten Ent-
deckungen im Raume, welche je die Menſchen gemacht, iſt für mich
die Reihe der Ereigniſſe und Begebenheiten geſchloſſen, die plötzlich
den Horizont der Ideen erweitert, zum Erforſchen von phyſiſchen
Geſetzen angeregt, das Streben nach dem endlichen Erfaſſen des
Weltganzen belebt haben. Die Intelligenz bringt fortan Großes
ohne Anregung durch Begebenheiten, als Wirkung eigener innerer
Kraft, gleichzeitig nach allen Richtungen hervor.

Ich habe in den vorliegenden Betrachtungen in allgemeinen Um-
riſſen den Inhalt des neuen Bandes meines Werkes anzudeuten ge-
ſucht. Obſchon der 1ſte und 2te Band des Kosmos gewiſſermaßen
ein geſchloſſenes Ganzes bilden, ſo hoffe ich doch daß am ſpäteſten
Abend meines Lebens es mir noch vergönnt ſeyn wird einen dritten
und letzten Band hinzuzufügen, welcher die „Ergebniſſe wissenſchaft-
licher Forſchung in den ſpeciellen Theilen der phyſiſchen Weltbe-
ſchreibung“ enthalten ſoll. Derſelbe wird das allgemeine Na-
turgemälde
erläutern und, um den Gebrauch des ganzen Werkes
bequemer zu machen, eine Inhaltsüberſicht ähnlicher Art enthalten
wie ich ſie jetzt ſchon für den erſten und zweiten Band liefere. Möge
wie bisher Wohlwollen und, was dem Wohlwollen erſt ſeinen
Werth gibt, möge die Ehre ſtrenger Prüfung der Lohn meiner Ar-
beitſamkeit ſeyn! Der höchste Genuß, welchen in einer mehr als
fünfzigjährigen ſchriftſtelleriſchen Laufbahn das fortgeſetzte Streben
nach freier Oeffentlichkeit gewähren kann, bleibt an die Hoffnung
geknüpft, in Ideen und Gefühlen ſeiner Zeit nie fremd zu werden.


Alexander v. Humboldt.

[irrelevantes Material – 13 Zeilen fehlen]
*) Die Unterzeichnete glaubt das Erſcheinen im Buchhandel gegen Mitte
Octobers mit Sicherheit verſprechen zu können, und wird hierüber ſei-
ner Zeit öffentliche Anzeige machen.
J. G. Cotta'ſche Verlagshandlung.
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[0002] Nr. 274. Beilage zur Allgemeinen Zeitung. 1 October 1847. Der zweite Band des Kosmos. Anzeige von Alexander v. Humboldt. * Das verſpätete Erſcheinen des zweiten Theils des Kosmos, deſſen Druck jetzt beendigt iſt, *) darf nicht der Verlagshandlung, welche jedes Mittel der Beſchleunigung freundlichſt dargeboten hat, ſondern allein der individuellen Lage des Verfaſſers und ſeinem re- gen Wunſche zugeſchrieben werden einem inhaltſchweren Unterneh- men den Reſt aller ſeiner Kräfte zu widmen. In dem erſten Bande des Werkes ſind die Hauptreſultate der Beobachtung, wie ſie der reinen Objectivität wiſſenſchaftlicher Naturbeſchreibung angehören, eng an einander gereihet, in der Form eines Naturgemäldes aufgeſtellt worden. Es umfaßt dasſelbe das Weltganze von den fernſten Nebelflecken bis zu den kleinſten Organismen der irdiſchen Schöpfung. Der zweite Band des Kosmos betrachtet den Reflex des durch die äußeren Sinne empfangenen Bildes auf das Gefühl und die dichteriſch geſtimmte Einbildungskraft. Wir treten aus dem Kreis der Objecte in den Kreis der Empfindungen. Es eröffnet ſich uns eine innere Welt. Wir durchforſchen ſie, nicht um in dieſem Buche von der Natur zu ergründen — wie es von der Philo- ſophie der Kunſt gefordert wird — was in der Möglichkeit äſtheti- ſcher Wirkungen dem Weſen der Gemütskräfte und den mannich- faltigen Richtungen geiſtiger Thätigkeit zukommt, ſondern um die Quellen lebendiger Anſchauung, als Mittel jener Erhöhung ei- nes reinen Naturgefühls, zu ſchildern; um den Urſachen nachzuſpü- ren welche beſonders in der neuern Zeit durch Belebung der Ein- bildungskraft ſo mächtig auf die Liebe zum Naturſtudium und auf den Hang zu fernen Reiſen gewirkt haben. Die Anregungs- mittel ſelbſt ſind von dreierlei Art: äſthetiſche Behandlung von Naturſcenen in belebten Schilderungen der Thier- und Pflanzen- welt, ein ſehr moderner Zweig der Litteratur; Landſchaftmalerei, be- ſonders inſofern ſie angefangen hat die Phyſiognomik der Gewächſe aufzufaſſen; mehr verbreitete Kultur der Tropengewächſe und con- traſtirende Zuſammenſtellung erotiſcher Formen. Jedes der hier bezeichneten Anregungsmittel hätte ſchon ſeiner hiſtoriſchen Bezie- hungen wegen der Gegenſtand vielumfaſſender Erörterung werden können; aber nach dem Geiſte und dem Zweck meiner Schrift ſchien es geeigneter nur die leitenden Ideen zu entwickeln, daran zu erin- nern wie die Naturwelt in verſchiedenen Zeitepochen und bei ver- ſchiedenen Volksſtämmen ſo ganz anders auf die Gedanken- und Empfindungswelt eingewirkt hat, wie in einem Zuſtande allgemei- ner Kultur das ernſte Wiſſen und die zarteren Anregungen der Phantaſie ſich gegenſeitig zu durchdringen ſtreben. Um die Natur in ihrer ganzen erhabenen Größe zu ſchildern, darf man nicht bei den äußern Erſcheinungen allein verweilen; die Natur muß auch dargeſtellt werden wie ſie ſich im Innern des Menſchen abſpiegelt, wie ſie durch dieſen Reflex bald das Nebelland phyſiſcher Mythen mit anmuthigen Geſtalten füllt, bald den edlen Keim darſtellender Kunſtthätigkeit entfaltet. Auf die hier bezeichneten Anregungsmittel zum wiſſenſchaftlichen Naturſtudium laſſe ich die Geſchichte der phyſiſchen Weltanſchauung folgen. Es iſt dieſelbe, wie ich ſie auffaſſe, die Geſchichte der Erkenntniß eines Naturganzen, gleich- ſam die Geſchichte des Gedankens von der Einheit der Erſcheinungen und von dem Zuſammenhange der Kräfte im Weltall. Sie darf in ihrer Behandlungsweiſe nicht verwechſelt werden mit der Geſchichte der ſpeciellen Naturwiſſenſchaften, wie ſie mehrere unſerer vorzüg- lichſten Lehrbücher der Phyſik oder der Morphologie der Pflanzen und Thiere liefern. Die Geſchichte der phyſiſchen Weltanſchauung unterſcheidet: das ſelbſtändige Streben der Vernunft nach Erkennt- niß von Naturgeſetzen, d. h. die denkende Betrachtung der Natur- erſcheinungen ſelbſt; die Weltbegebenheiten welche plötzlich den Hori- zont der Beobachtung erweitert haben; die Erfindung neuer Mittel ſinnlicher Wahrnehmung, gleichſam die Erfindung neuer Organe, welche den Menſchen mit den irdiſchen Gegenſtänden wie mit den fernſten Welträumen in näheren Verkehr bringen. Dieſer dreifache Geſichtspunkt hat mich geleitet, um die Hauptepochen (Hauptmo- mente) zu beſtimmen welche die Geſchichte der Lehre vom Kosmos zu durchlaufen hat. Die geſchichtliche Erkenntniß der allmählichen Erweiterung des Naturwiſſens in beiden Sphären, der Erd- und Himmelskunde, iſt an beſtimmte Perioden, an gewiſſe räumlich und intellectuell wirkende Ereigniſſe gebunden, die jenen Perioden Eigen- thümlichkeit und Färbung verleihen. Solche Ereigniſſe waren die Unternehmungen welche in den Pontus führten und jenſeits des Phaſis ein anderes Seeufer ahnden ließen; die Expeditionen nach tropiſchen Gold- und Weihrauchländern; die Durchſchiffung der weſtlichen Meerenge und Eröffnung der großen maritimen Völker- ſtraße, auf der in langen Zeitabſtänden Cerne und die Heſperiden, die nördlichen Zinn- und Bernſteininſeln, die vulcaniſchen Azoren und der Neue Continent des Columbus, ſüdlich von den alten ſcan- dinaviſchen Anſiedelungen entdeckt wurden. Auf die Bewegungen welche aus dem Becken des Mittelmeeres und dem nördlichſten Ende des nahen arabiſchen Meerbuſens ausgingen, auf die Pontus- und Ophirfahrten, folgen in meiner hiſtoriſchen Schilderung die Heer- züge des Macedoniers und ſein Verſuch den Weſten mit dem Oſten zu verſchmelzen; die Wirkungen des indiſchen Seehandels und der alexandriniſchen Inſtitute unter den Lagiden; die Weltherrſchaft der Römer unter den Cäſaren; der folgenreiche Hang der Araber zum Verkehr mit der Natur und ihren Kräften, zu aſtronomiſchem, ma- thematiſchem und praktiſch-chemiſchem Wiſſen. Mit der Beſitznahme einer ganzen Erdhälfte, welche verhüllt lag, mit den größten Ent- deckungen im Raume, welche je die Menſchen gemacht, iſt für mich die Reihe der Ereigniſſe und Begebenheiten geſchloſſen, die plötzlich den Horizont der Ideen erweitert, zum Erforſchen von phyſiſchen Geſetzen angeregt, das Streben nach dem endlichen Erfaſſen des Weltganzen belebt haben. Die Intelligenz bringt fortan Großes ohne Anregung durch Begebenheiten, als Wirkung eigener innerer Kraft, gleichzeitig nach allen Richtungen hervor. Ich habe in den vorliegenden Betrachtungen in allgemeinen Um- riſſen den Inhalt des neuen Bandes meines Werkes anzudeuten ge- ſucht. Obſchon der 1ſte und 2te Band des Kosmos gewiſſermaßen ein geſchloſſenes Ganzes bilden, ſo hoffe ich doch daß am ſpäteſten Abend meines Lebens es mir noch vergönnt ſeyn wird einen dritten und letzten Band hinzuzufügen, welcher die „Ergebniſſe wissenſchaft- licher Forſchung in den ſpeciellen Theilen der phyſiſchen Weltbe- ſchreibung“ enthalten ſoll. Derſelbe wird das allgemeine Na- turgemälde erläutern und, um den Gebrauch des ganzen Werkes bequemer zu machen, eine Inhaltsüberſicht ähnlicher Art enthalten wie ich ſie jetzt ſchon für den erſten und zweiten Band liefere. Möge wie bisher Wohlwollen und, was dem Wohlwollen erſt ſeinen Werth gibt, möge die Ehre ſtrenger Prüfung der Lohn meiner Ar- beitſamkeit ſeyn! Der höchste Genuß, welchen in einer mehr als fünfzigjährigen ſchriftſtelleriſchen Laufbahn das fortgeſetzte Streben nach freier Oeffentlichkeit gewähren kann, bleibt an die Hoffnung geknüpft, in Ideen und Gefühlen ſeiner Zeit nie fremd zu werden. Berlin, den 22 September 1847. Alexander v. Humboldt. _____________ *) Die Unterzeichnete glaubt das Erſcheinen im Buchhandel gegen Mitte Octobers mit Sicherheit verſprechen zu können, und wird hierüber ſei- ner Zeit öffentliche Anzeige machen. J. G. Cotta'ſche Verlagshandlung.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Der zweite Band des Kosmos. Anzeige von Alexander v. Humboldt. In: Allgemeine Zeitung. Nr. 274, Beilage vom 1[.] October 1847 (1848), S. 2185, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos_1847/2>, abgerufen am 21.11.2024.