Humboldt, Alexander von: Die Lebenskraft oder der Rhodische Genius. Eine Erzählung. In: Die Horen. Eine Monatsschrift. Bd. 1. Tübingen, 1795, S. 90-96.
"Anders ist die Mischung derselben Stoffe im Thier- "Tretet näher um mich her, meine Schüler, und
„Anders iſt die Miſchung derſelben Stoffe im Thier- „Tretet naͤher um mich her, meine Schuͤler, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0008" n="95"/><lb/> „(wer wagt es, das Licht dieſen beyzuzaͤhlen?) iſt daher<lb/> „irgendwo in Einfachheit und reinem, jungfraͤulichen<lb/> „Zuſtande zu finden. Alles eilt von ſeinem Entſtehen an<lb/> „zu neuen Verbindungen und nur die ſcheidende Kunſt<lb/> „des Menſchen kann ungepaart darſtellen was Jhr verge-<lb/> „bens im Jnneren der Erde und in dem beweglichen<lb/> „Waſſer- und Luft-Oceane ſuchtet. Jn der todten un-<lb/> „organiſchen Materie iſt traͤge Ruhe, ſo lange die Bande<lb/> „der Verwandtſchaften nicht geloͤſt werden, ſo lange ein<lb/> „dritter Stoff nicht eindringt, um ſich den vorigen bei-<lb/> „zugeſellen. Aber auch auf dieſe Stoͤrung folgt wieder<lb/> „unfruchtbare Ruhe.”</p><lb/> <p>„Anders iſt die Miſchung derſelben Stoffe im Thier-<lb/> „und Pflanzenkoͤrper. Hier tritt die Lebenskraft gebiete-<lb/> „riſch in ihre Rechte ein; ſie kuͤmmert ſich nicht um die<lb/> „demokritiſche Freundſchaft und Feindſchaft der Atome;<lb/> „ſie vereinigt Stoffe, die in der unbelebten Natur ſich<lb/> „ewig fliehen, und trennt, was in dieſer ſich unaufhalt-<lb/> „ſam ſucht.”</p><lb/> <p>„Tretet naͤher um mich her, meine Schuͤler, und<lb/> „erkennet im Rhodiſchen Genius, in dem Ausdruck ſei-<lb/> „ner jugendlichen Staͤrke, im Schmetterling auf ſeiner<lb/> „Schulter, im Herrſcherblick ſeines Auges, das Symbol<lb/> „der <hi rendition="#g">Lebenskraft</hi>, wie ſie jeden Keim der organiſchen<lb/> „Schoͤpfung beſeelt. Die irrdiſchen Elemente, zu ſeinen<lb/> „Fuͤßen, ſtreben gleichſam, ihrer eigenen Begierde zu<lb/> „folgen, und ſich mit einander zu miſchen. Befehlend<lb/> „droht ihnen der Genius mit aufgehabener, hochlodern-<lb/> „der Fackel, und zwingt ſie, ihrer alten Rechte uneinge-<lb/> „denk, ſeinem Geſetze zu folgen.”</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [95/0008]
„(wer wagt es, das Licht dieſen beyzuzaͤhlen?) iſt daher
„irgendwo in Einfachheit und reinem, jungfraͤulichen
„Zuſtande zu finden. Alles eilt von ſeinem Entſtehen an
„zu neuen Verbindungen und nur die ſcheidende Kunſt
„des Menſchen kann ungepaart darſtellen was Jhr verge-
„bens im Jnneren der Erde und in dem beweglichen
„Waſſer- und Luft-Oceane ſuchtet. Jn der todten un-
„organiſchen Materie iſt traͤge Ruhe, ſo lange die Bande
„der Verwandtſchaften nicht geloͤſt werden, ſo lange ein
„dritter Stoff nicht eindringt, um ſich den vorigen bei-
„zugeſellen. Aber auch auf dieſe Stoͤrung folgt wieder
„unfruchtbare Ruhe.”
„Anders iſt die Miſchung derſelben Stoffe im Thier-
„und Pflanzenkoͤrper. Hier tritt die Lebenskraft gebiete-
„riſch in ihre Rechte ein; ſie kuͤmmert ſich nicht um die
„demokritiſche Freundſchaft und Feindſchaft der Atome;
„ſie vereinigt Stoffe, die in der unbelebten Natur ſich
„ewig fliehen, und trennt, was in dieſer ſich unaufhalt-
„ſam ſucht.”
„Tretet naͤher um mich her, meine Schuͤler, und
„erkennet im Rhodiſchen Genius, in dem Ausdruck ſei-
„ner jugendlichen Staͤrke, im Schmetterling auf ſeiner
„Schulter, im Herrſcherblick ſeines Auges, das Symbol
„der Lebenskraft, wie ſie jeden Keim der organiſchen
„Schoͤpfung beſeelt. Die irrdiſchen Elemente, zu ſeinen
„Fuͤßen, ſtreben gleichſam, ihrer eigenen Begierde zu
„folgen, und ſich mit einander zu miſchen. Befehlend
„droht ihnen der Genius mit aufgehabener, hochlodern-
„der Fackel, und zwingt ſie, ihrer alten Rechte uneinge-
„denk, ſeinem Geſetze zu folgen.”
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