Humboldt, Alexander von: Ansichten der Natur mit wissenschaftlichen Erläuterungen […]. Erster Band. [Ankündigung des Erscheinens und Auszug, Teil 2 von 2].. In: Morgenblatt für gebildete Stände, Nr. 50 (1808), S. 197–199.[Spaltenumbruch] Wir verließen die Höhle bey einbrechender Nacht, nach- Wie im Vorgefühl dieses schmerzhaften Verlustes, in So sterben dahin die Geschlechter der Menschen. Es verhallt [Spaltenumbruch] [irrelevantes Material - 104 Zeilen fehlen] [Spaltenumbruch] Wir verließen die Hoͤhle bey einbrechender Nacht, nach- Wie im Vorgefuͤhl dieſes ſchmerzhaften Verluſtes, in So ſterben dahin die Geſchlechter der Menſchen. Es verhallt [Spaltenumbruch] [irrelevantes Material – 104 Zeilen fehlen] <TEI> <text> <body> <div n="2"> <pb facs="#f0003" n="199"/><lb/> <cb/> <p>Wir verließen die Hoͤhle bey einbrechender Nacht, nach-<lb/> dem wir mehrere Schaͤdel und das vollſtaͤndige Skelett eines<lb/> bejahrten Mannes, zum groͤßten Aergerniß unſerer indiani-<lb/> ſchen Fuͤhrer, geſammelt hatten. Einer dieſer Schaͤdel iſt<lb/> von Herrn <hi rendition="#g">Blumenbach</hi> in ſeinem vortrefflichen kranio-<lb/> logiſchen Werke abgebildet<note resp="#CT" type="editorial">Vgl. <bibl><ref target="http://www.blumenbach-online.de/fileadmin/wikiuser/Daten_Digitalisierung/Digitalisate_html/Texte/000191/000191.html">Blumenbach, Johann Friedrich: Jo. Frid. Blumenbachii decas quinta collectionis suae craniorum diversarum gentium illustrata. D. XXV. Aug. MDCCCVI. In: Commentationes Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis Bd. XVI (1808), Phys., S. 199-216, 10 Ill. (Kupferst.)</ref>, Abb. XLVI.: veteris Aturi. [Beschreibung auf S. 210-211.]</bibl> Herzlichen Dank an Dr. Claudia Kroke und Dr. Heiko Weber vom Projekt "<ref target="http://www.blumenbach-online.de/">Johann Friedrich Blumenbach - online</ref>" der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen für die Identifikation dieser Referenz.</note> worden. Das Skelett aber iſt,<lb/> wie ein großer Theil unſerer Sammlungen, in einem Schiff-<lb/> bruch untergegangen, der an der afrikaniſchen Kuͤſte unſerm<lb/> Freunde und ehemaligen Reiſegefaͤhrten, dem jungen Fran-<lb/> zi<supplied reason="damage" cert="high" resp="#CT">s</supplied>kanermoͤnch, <hi rendition="#g">Juan Gunzalez</hi>, das Leben koſtete.</p><lb/> <p>Wie im Vorgefuͤhl dieſes ſchmerzhaften Verluſtes, in<lb/> ernſter Stimmung, entfernten wir uns von der Gruft eines<lb/> untergegangenen Voͤlkerſtammes. Es war eine der heitern<lb/> und kuͤhlen Naͤchte, die unter den Wendekreiſen ſo gewoͤhn-<lb/> lich ſind. Mit farbigen Ringen umgeben, ſtand die Mond-<lb/> ſcheibe hoch im Zenith. Sie erleuchtete den Saum des<lb/> Nebels, der in ſcharfen Umriſſen, wolkenartig, den ſchaͤu-<lb/> menden Fluß bedeckte. Zahlloſe Jnſekten goſſen ihr roͤthli-<lb/> ches Phosphorlicht uͤber die krautbedeckte Erde. Von leben-<lb/> digem Feuer gluͤhte der Boden, als habe die ſternvolle<lb/> Himmelsdecke ſich auf die Grasflur niedergeſenkt. Rankende<lb/> Bignonien, duftende Vanille, und gelbbluͤhende Baniſterien<lb/> ſchmuͤcken den Eingang der Hoͤhle. Ueber dem Grabe rau-<lb/> ſchen die Gipfel der Palmen.</p><lb/> <p>So ſterben dahin die Geſchlechter der Menſchen. Es verhallt<lb/> die ruͤhmliche Kunde der Voͤlker. Doch wenn jede Bluͤthe<lb/> des Geiſtes welkt, wenn im Sturm der Zeiten die Werke<lb/> ſchaffender Kunſt zerſtieben, ſo entſprießt ewig neues Leben<lb/> aus dem Schooße der Erde. Raſtlos entfaltet ihre Knospen<lb/> die zeugende Natur — unbekuͤmmert, ob der frevelnde Menſch<lb/> (ein nie verſoͤhntes Geſchlecht) die reifende Frucht zertritt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div><lb/> <gap reason="insignificant" unit="lines" quantity="19"/><lb/> <cb/><lb/> <gap reason="insignificant" unit="lines" quantity="104"/><lb/> </body> </text> </TEI> [199/0003]
Wir verließen die Hoͤhle bey einbrechender Nacht, nach-
dem wir mehrere Schaͤdel und das vollſtaͤndige Skelett eines
bejahrten Mannes, zum groͤßten Aergerniß unſerer indiani-
ſchen Fuͤhrer, geſammelt hatten. Einer dieſer Schaͤdel iſt
von Herrn Blumenbach in ſeinem vortrefflichen kranio-
logiſchen Werke abgebildet worden. Das Skelett aber iſt,
wie ein großer Theil unſerer Sammlungen, in einem Schiff-
bruch untergegangen, der an der afrikaniſchen Kuͤſte unſerm
Freunde und ehemaligen Reiſegefaͤhrten, dem jungen Fran-
ziskanermoͤnch, Juan Gunzalez, das Leben koſtete.
Wie im Vorgefuͤhl dieſes ſchmerzhaften Verluſtes, in
ernſter Stimmung, entfernten wir uns von der Gruft eines
untergegangenen Voͤlkerſtammes. Es war eine der heitern
und kuͤhlen Naͤchte, die unter den Wendekreiſen ſo gewoͤhn-
lich ſind. Mit farbigen Ringen umgeben, ſtand die Mond-
ſcheibe hoch im Zenith. Sie erleuchtete den Saum des
Nebels, der in ſcharfen Umriſſen, wolkenartig, den ſchaͤu-
menden Fluß bedeckte. Zahlloſe Jnſekten goſſen ihr roͤthli-
ches Phosphorlicht uͤber die krautbedeckte Erde. Von leben-
digem Feuer gluͤhte der Boden, als habe die ſternvolle
Himmelsdecke ſich auf die Grasflur niedergeſenkt. Rankende
Bignonien, duftende Vanille, und gelbbluͤhende Baniſterien
ſchmuͤcken den Eingang der Hoͤhle. Ueber dem Grabe rau-
ſchen die Gipfel der Palmen.
So ſterben dahin die Geſchlechter der Menſchen. Es verhallt
die ruͤhmliche Kunde der Voͤlker. Doch wenn jede Bluͤthe
des Geiſtes welkt, wenn im Sturm der Zeiten die Werke
ſchaffender Kunſt zerſtieben, ſo entſprießt ewig neues Leben
aus dem Schooße der Erde. Raſtlos entfaltet ihre Knospen
die zeugende Natur — unbekuͤmmert, ob der frevelnde Menſch
(ein nie verſoͤhntes Geſchlecht) die reifende Frucht zertritt.
___________________
________________________________________________________________________________________________________
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. AnmerkungenKommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Weitere Informationen:Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |