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Humboldt, Alexander von: Ueber die Reise des Hrn. Alex. v. Humboldt. In: Morgenblatt für gebildete Stände, Nr. 91 (1810), S. 361-362.

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[Spaltenumbruch] erfreuen durch die Schönheit oder Majestät ihrer Formen,
während die von rohen Völkern gleichsam stumme Zeugen der
Ereignisse sind, welche das Dunkel von Jahrhunderten ein-
hüllt -- sie sind der unerschöpfliche Gegenstand des Nachden-
kens für diejenigen, welche dem Ursprunge der Nationen
nachforschen. Die ungeheuern Pyramiden Egyptens, die be-
hauenen Felsen Persiens, die runischen Steine Scandinaviens,
die celtischen Grabmäler, die G[ö]tzenbilder der Tartarey,
überhaupt jede Spur vergangener Geschlechter hat für den
gelehrten Forscher, der bis zur Wiege des Menschengeschlechts
die Geschichte verfolgen möchte, ein hohes Jnteresse. Unter
diesem Gesichtspunkte müssen die bizarren Denkmäler der
Mexikaner und Peruaner betrachtet werden; Denkmäler, die
außer Amerika fast unbekannt sind, und von welchen in die-
sem Atlas Hr. v. Humboldt eine sehr merkwürdige Samm-
lung mittheilt. Die Büste einer aztekschen oder mexikani-
schen Priesterinn muß auch wenig geübte Beobachter durch
die Aehnlichkeit in Erstaunen setzen, welche ihre Haarverzie-
rung mit der Calau[t]ica der Köpfe der Jsis, Sphinx, des An-
tinous und verschiedener egyptischer Statuen hat. Eine Flechte
von Perlen, die sich in den egyptischen Denkmälern nicht
findet, beweist, daß die Mexikaner mit Californien, wo
dieses reiche Meerprodukt gefunden wird, in Verbindung
gestanden sind.

Die Pyramide mit verschiedenen Schichten, die man zu
Cholula in Mexiko findet, erinnert an die egyptischen zu
Feyoum. Nun gibt es auch mehrere Aehnlichkeiten zwischen
den Mexikanern und den Nilbewohnern, allein dessen unge-
achtet ist Hr. v. Humboldt weit entfernt, hierauf eine ge-
wagte Hypothese zu gründen, im Gegentheile gibt er eben
so offen die Abweichungen, die zwischen diesen beyden Völ-
kern stattfinden, an. So weicht z. B. das mexikanische
Jahr, welches dem ersten Urtheile nach das nämliche wie das
egyptische zu seyn scheint, wesentlich von diesem durch seine
Länge ab, die nach de Laplace genau die Länge des ara-
bischen Jahres ist, welches durch die Astronomen des Kalifs
Almamoum bestimmt wurde.

Der Abbildung der Pyramide von Cholula ist eine sehr
interessante Nachricht über die Teocallis oder gottesdienstlichen
Gebäude der Mexikaner beygefügt, deren Aehnlichkeit mit
dem Tempel des Jupiter-Bolus in Babylon äußerst auffallend
ist. Das Detail über dieses Denkmal ist sehr merkwürdig,
so wie das Relief zu Oaxaca und das Denkmal zu
Xochalalco, die in dieser ersten Lieferung abgebildet sind.
Die Talente der Mexikaner beweisen, und können als Belege
dienen, daß man wol annehmen dürfe, diese Völker würden
schnelle Fortschritte in den schönen Künsten gemacht haben,
wenn sie, nicht unterjocht und unterdrückt, in friedliche Be-
rührung mit den Europäern gesetzt worden wären; denn,
hätten sie mit ihrer Gedult und Gewandheit, welche die
Bearbeitung der härtesten Steine erfordert, Beyspiele eines
[Spaltenumbruch] gereinigten Geschmacks gefunden, so hätten sie Meister-
werke hervorbringen müssen.

Das Papier, welches die alten Mexikaner aus den Fibern
der Aloes agave verfertigten, diente ihnen zur Aufzeichnung
hieroglyphischer Gemählde, welche die Stelle der Schrift-
sprache vertraten. Die ersten Eroberer fanden eine unge-
heure Menge solcher Manuscripte. Ein Jtaliener, Namens
Bothurni, fing vor 80 Jahren an, diese Schätze, welche
die spanische Unwissenheit nicht zu würdigen wußte, zu
sammeln; da aber die Nachforschungen dieses Reisenden
nicht, wie die des Hrn. v. Humboldt, des Schutzes der Re-
gierung sich zu erfreuen hatten, so wurden seine sequestrirten
Sammlungen in die Archive des Vice-Koniges von Mexiko
vergraben, wo sie größtentheils durch die Feuchtigkeit oder
durch Jnsekten zu Grunde gingen. Jn Hrn. v. Humboldts
Atlas findet man zwey solcher hieroglyphischen Gemählde,
von welchen das eine eine Genealogie, das andere einen
Prozeß vorstellt -- in beyden bedeuten die Zungen, wel-
che an der Seite der dargestellten Personen angebracht sind,
daß sie lebend und mächtig waren; in dem Prozeß-Gemählde
sind die Zungen sehr ungleich vertheilt: der Einheimische
hat kaum eine, mit der er spärlich seine Sache vertheidi-
gen darf, während die Fremdlinge mit langen Bärten je-
der mit drey Organen der Sprache versehen sind, zum
Belege, daß sie als Abkömmlinge des erobernden Volkes
mit lauter Stimme und mit Nachdruck sprachen.

Der für jede Klasse von Leser anziehendste Theil dieses
Atlasses ist unstreitig derjenige, der die imposanten Natur-
Scenen darstellt; diese sind aber auch am schwierigsten zu
beschreiben. Worte können nur einen schwachen Begriff von
dem Wasserfalle von Tequendama geben, welches der pitto-
reskeste auf der Erde ist, weil er mit weniger Umfange als
der Niagara und mit geringerer Höhe als der Staub-
bach
doch in schönerem Verhältnisse alles das vereinigt, was
die einzelnen Vorzüge der andern WasserfClle ausmacht.

Und wie soll man jene natürlichen Brücken von
Jcononzo beschreiben, die 100 Meter hoch über einen Strom
führen, und wovon die eine aus einer steinernen Bank be-
steht, unter welchem die weichern Theile durch die Wasser
weggespühlt wurden, und die andern aus drey Felsenstücken
bestehen, die, indem sie herabrollten, so in einander tra-
fen, daß sie einen festen Bogen bildeten.

Dieser kurze Auszug beweist hinreichend, welche ver-
schiedene und für die Leser anziehende Gegenstände die
historische Reise des Hrn. von Humboldt enthalten wird;
und da die deutsche Ausgabe (welche in der J. G. Cotta'schen
Buchhandlung in Tübingen erscheint) mit oder ohne Kupfer
zu haben seyn wird, so können auch weniger Bemittelte
dieses wichtige Werk sich anschaffen.



[Spaltenumbruch] erfreuen durch die Schoͤnheit oder Majeſtaͤt ihrer Formen,
waͤhrend die von rohen Voͤlkern gleichſam ſtumme Zeugen der
Ereigniſſe ſind, welche das Dunkel von Jahrhunderten ein-
huͤllt — ſie ſind der unerſchoͤpfliche Gegenſtand des Nachden-
kens fuͤr diejenigen, welche dem Urſprunge der Nationen
nachforſchen. Die ungeheuern Pyramiden Egyptens, die be-
hauenen Felſen Perſiens, die runiſchen Steine Scandinaviens,
die celtiſchen Grabmaͤler, die G[oͤ]tzenbilder der Tartarey,
uͤberhaupt jede Spur vergangener Geſchlechter hat fuͤr den
gelehrten Forſcher, der bis zur Wiege des Menſchengeſchlechts
die Geſchichte verfolgen moͤchte, ein hohes Jntereſſe. Unter
dieſem Geſichtspunkte muͤſſen die bizarren Denkmaͤler der
Mexikaner und Peruaner betrachtet werden; Denkmaͤler, die
außer Amerika faſt unbekannt ſind, und von welchen in die-
ſem Atlas Hr. v. Humboldt eine ſehr merkwuͤrdige Samm-
lung mittheilt. Die Buͤſte einer aztekſchen oder mexikani-
ſchen Prieſterinn muß auch wenig geuͤbte Beobachter durch
die Aehnlichkeit in Erſtaunen ſetzen, welche ihre Haarverzie-
rung mit der Calau[t]ica der Koͤpfe der Jſis, Sphinx, des An-
tinous und verſchiedener egyptiſcher Statuen hat. Eine Flechte
von Perlen, die ſich in den egyptiſchen Denkmaͤlern nicht
findet, beweist, daß die Mexikaner mit Californien, wo
dieſes reiche Meerprodukt gefunden wird, in Verbindung
geſtanden ſind.

Die Pyramide mit verſchiedenen Schichten, die man zu
Cholula in Mexiko findet, erinnert an die egyptiſchen zu
Feyoum. Nun gibt es auch mehrere Aehnlichkeiten zwiſchen
den Mexikanern und den Nilbewohnern, allein deſſen unge-
achtet iſt Hr. v. Humboldt weit entfernt, hierauf eine ge-
wagte Hypotheſe zu gruͤnden, im Gegentheile gibt er eben
ſo offen die Abweichungen, die zwiſchen dieſen beyden Voͤl-
kern ſtattfinden, an. So weicht z. B. das mexikaniſche
Jahr, welches dem erſten Urtheile nach das naͤmliche wie das
egyptiſche zu ſeyn ſcheint, weſentlich von dieſem durch ſeine
Laͤnge ab, die nach de Laplace genau die Laͤnge des ara-
biſchen Jahres iſt, welches durch die Aſtronomen des Kalifs
Almamoum beſtimmt wurde.

Der Abbildung der Pyramide von Cholula iſt eine ſehr
intereſſante Nachricht uͤber die Teocallis oder gottesdienſtlichen
Gebaͤude der Mexikaner beygefuͤgt, deren Aehnlichkeit mit
dem Tempel des Jupiter-Bolus in Babylon aͤußerſt auffallend
iſt. Das Detail uͤber dieſes Denkmal iſt ſehr merkwuͤrdig,
ſo wie das Relief zu Oaxaca und das Denkmal zu
Xochalalco, die in dieſer erſten Lieferung abgebildet ſind.
Die Talente der Mexikaner beweiſen, und koͤnnen als Belege
dienen, daß man wol annehmen duͤrfe, dieſe Voͤlker wuͤrden
ſchnelle Fortſchritte in den ſchoͤnen Kuͤnſten gemacht haben,
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ruͤhrung mit den Europaͤern geſetzt worden waͤren; denn,
haͤtten ſie mit ihrer Gedult und Gewandheit, welche die
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[Spaltenumbruch] gereinigten Geſchmacks gefunden, ſo haͤtten ſie Meiſter-
werke hervorbringen muͤſſen.

Das Papier, welches die alten Mexikaner aus den Fibern
der Aloes agave verfertigten, diente ihnen zur Aufzeichnung
hieroglyphiſcher Gemaͤhlde, welche die Stelle der Schrift-
ſprache vertraten. Die erſten Eroberer fanden eine unge-
heure Menge ſolcher Manuſcripte. Ein Jtaliener, Namens
Bothurni, fing vor 80 Jahren an, dieſe Schaͤtze, welche
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ſammeln; da aber die Nachforſchungen dieſes Reiſenden
nicht, wie die des Hrn. v. Humboldt, des Schutzes der Re-
gierung ſich zu erfreuen hatten, ſo wurden ſeine ſequeſtrirten
Sammlungen in die Archive des Vice-Koniges von Mexiko
vergraben, wo ſie groͤßtentheils durch die Feuchtigkeit oder
durch Jnſekten zu Grunde gingen. Jn Hrn. v. Humboldts
Atlas findet man zwey ſolcher hieroglyphiſchen Gemaͤhlde,
von welchen das eine eine Genealogie, das andere einen
Prozeß vorſtellt — in beyden bedeuten die Zungen, wel-
che an der Seite der dargeſtellten Perſonen angebracht ſind,
daß ſie lebend und maͤchtig waren; in dem Prozeß-Gemaͤhlde
ſind die Zungen ſehr ungleich vertheilt: der Einheimiſche
hat kaum eine, mit der er ſpaͤrlich ſeine Sache vertheidi-
gen darf, waͤhrend die Fremdlinge mit langen Baͤrten je-
der mit drey Organen der Sprache verſehen ſind, zum
Belege, daß ſie als Abkoͤmmlinge des erobernden Volkes
mit lauter Stimme und mit Nachdruck ſprachen.

Der fuͤr jede Klaſſe von Leſer anziehendſte Theil dieſes
Atlaſſes iſt unſtreitig derjenige, der die impoſanten Natur-
Scenen darſtellt; dieſe ſind aber auch am ſchwierigſten zu
beſchreiben. Worte koͤnnen nur einen ſchwachen Begriff von
dem Waſſerfalle von Tequendama geben, welches der pitto-
reskeſte auf der Erde iſt, weil er mit weniger Umfange als
der Niagara und mit geringerer Hoͤhe als der Staub-
bach
doch in ſchoͤnerem Verhaͤltniſſe alles das vereinigt, was
die einzelnen Vorzuͤge der andern WaſſerfClle ausmacht.

Und wie ſoll man jene natuͤrlichen Bruͤcken von
Jcononzo beſchreiben, die 100 Meter hoch uͤber einen Strom
fuͤhren, und wovon die eine aus einer ſteinernen Bank be-
ſteht, unter welchem die weichern Theile durch die Waſſer
weggeſpuͤhlt wurden, und die andern aus drey Felſenſtuͤcken
beſtehen, die, indem ſie herabrollten, ſo in einander tra-
fen, daß ſie einen feſten Bogen bildeten.

Dieſer kurze Auszug beweist hinreichend, welche ver-
ſchiedene und fuͤr die Leſer anziehende Gegenſtaͤnde die
hiſtoriſche Reiſe des Hrn. von Humboldt enthalten wird;
und da die deutſche Ausgabe (welche in der J. G. Cotta'ſchen
Buchhandlung in Tuͤbingen erſcheint) mit oder ohne Kupfer
zu haben ſeyn wird, ſo koͤnnen auch weniger Bemittelte
dieſes wichtige Werk ſich anſchaffen.



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Die Buͤſte einer aztekſchen oder mexikani- ſchen Prieſterinn muß auch wenig geuͤbte Beobachter durch die Aehnlichkeit in Erſtaunen ſetzen, welche ihre Haarverzie- rung mit der Calautica der Koͤpfe der Jſis, Sphinx, des An- tinous und verſchiedener egyptiſcher Statuen hat. Eine Flechte von Perlen, die ſich in den egyptiſchen Denkmaͤlern nicht findet, beweist, daß die Mexikaner mit Californien, wo dieſes reiche Meerprodukt gefunden wird, in Verbindung geſtanden ſind. Die Pyramide mit verſchiedenen Schichten, die man zu Cholula in Mexiko findet, erinnert an die egyptiſchen zu Feyoum. Nun gibt es auch mehrere Aehnlichkeiten zwiſchen den Mexikanern und den Nilbewohnern, allein deſſen unge- achtet iſt Hr. v. Humboldt weit entfernt, hierauf eine ge- wagte Hypotheſe zu gruͤnden, im Gegentheile gibt er eben ſo offen die Abweichungen, die zwiſchen dieſen beyden Voͤl- kern ſtattfinden, an. So weicht z. B. das mexikaniſche Jahr, welches dem erſten Urtheile nach das naͤmliche wie das egyptiſche zu ſeyn ſcheint, weſentlich von dieſem durch ſeine Laͤnge ab, die nach de Laplace genau die Laͤnge des ara- biſchen Jahres iſt, welches durch die Aſtronomen des Kalifs Almamoum beſtimmt wurde. Der Abbildung der Pyramide von Cholula iſt eine ſehr intereſſante Nachricht uͤber die Teocallis oder gottesdienſtlichen Gebaͤude der Mexikaner beygefuͤgt, deren Aehnlichkeit mit dem Tempel des Jupiter-Bolus in Babylon aͤußerſt auffallend iſt. Das Detail uͤber dieſes Denkmal iſt ſehr merkwuͤrdig, ſo wie das Relief zu Oaxaca und das Denkmal zu Xochalalco, die in dieſer erſten Lieferung abgebildet ſind. Die Talente der Mexikaner beweiſen, und koͤnnen als Belege dienen, daß man wol annehmen duͤrfe, dieſe Voͤlker wuͤrden ſchnelle Fortſchritte in den ſchoͤnen Kuͤnſten gemacht haben, wenn ſie, nicht unterjocht und unterdruͤckt, in friedliche Be- ruͤhrung mit den Europaͤern geſetzt worden waͤren; denn, haͤtten ſie mit ihrer Gedult und Gewandheit, welche die Bearbeitung der haͤrteſten Steine erfordert, Beyſpiele eines gereinigten Geſchmacks gefunden, ſo haͤtten ſie Meiſter- werke hervorbringen muͤſſen. Das Papier, welches die alten Mexikaner aus den Fibern der Aloes agave verfertigten, diente ihnen zur Aufzeichnung hieroglyphiſcher Gemaͤhlde, welche die Stelle der Schrift- ſprache vertraten. Die erſten Eroberer fanden eine unge- heure Menge ſolcher Manuſcripte. Ein Jtaliener, Namens Bothurni, fing vor 80 Jahren an, dieſe Schaͤtze, welche die ſpaniſche Unwiſſenheit nicht zu wuͤrdigen wußte, zu ſammeln; da aber die Nachforſchungen dieſes Reiſenden nicht, wie die des Hrn. v. Humboldt, des Schutzes der Re- gierung ſich zu erfreuen hatten, ſo wurden ſeine ſequeſtrirten Sammlungen in die Archive des Vice-Koniges von Mexiko vergraben, wo ſie groͤßtentheils durch die Feuchtigkeit oder durch Jnſekten zu Grunde gingen. Jn Hrn. v. Humboldts Atlas findet man zwey ſolcher hieroglyphiſchen Gemaͤhlde, von welchen das eine eine Genealogie, das andere einen Prozeß vorſtellt — in beyden bedeuten die Zungen, wel- che an der Seite der dargeſtellten Perſonen angebracht ſind, daß ſie lebend und maͤchtig waren; in dem Prozeß-Gemaͤhlde ſind die Zungen ſehr ungleich vertheilt: der Einheimiſche hat kaum eine, mit der er ſpaͤrlich ſeine Sache vertheidi- gen darf, waͤhrend die Fremdlinge mit langen Baͤrten je- der mit drey Organen der Sprache verſehen ſind, zum Belege, daß ſie als Abkoͤmmlinge des erobernden Volkes mit lauter Stimme und mit Nachdruck ſprachen. Der fuͤr jede Klaſſe von Leſer anziehendſte Theil dieſes Atlaſſes iſt unſtreitig derjenige, der die impoſanten Natur- Scenen darſtellt; dieſe ſind aber auch am ſchwierigſten zu beſchreiben. Worte koͤnnen nur einen ſchwachen Begriff von dem Waſſerfalle von Tequendama geben, welches der pitto- reskeſte auf der Erde iſt, weil er mit weniger Umfange als der Niagara und mit geringerer Hoͤhe als der Staub- bach doch in ſchoͤnerem Verhaͤltniſſe alles das vereinigt, was die einzelnen Vorzuͤge der andern WaſſerfClle ausmacht. Und wie ſoll man jene natuͤrlichen Bruͤcken von Jcononzo beſchreiben, die 100 Meter hoch uͤber einen Strom fuͤhren, und wovon die eine aus einer ſteinernen Bank be- ſteht, unter welchem die weichern Theile durch die Waſſer weggeſpuͤhlt wurden, und die andern aus drey Felſenſtuͤcken beſtehen, die, indem ſie herabrollten, ſo in einander tra- fen, daß ſie einen feſten Bogen bildeten. Dieſer kurze Auszug beweist hinreichend, welche ver- ſchiedene und fuͤr die Leſer anziehende Gegenſtaͤnde die hiſtoriſche Reiſe des Hrn. von Humboldt enthalten wird; und da die deutſche Ausgabe (welche in der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung in Tuͤbingen erſcheint) mit oder ohne Kupfer zu haben ſeyn wird, ſo koͤnnen auch weniger Bemittelte dieſes wichtige Werk ſich anſchaffen.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Reise des Hrn. Alex. v. Humboldt. In: Morgenblatt für gebildete Stände, Nr. 91 (1810), S. 361-362, hier S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_reise_1810/2>, abgerufen am 21.11.2024.