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Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.

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Ueber die Schwankungen

Wir wissen aus Bökh's scharfsinnigen Untersuchungen,* wie,
bei Eröffnung des Morgenlandes durch die Perserkriege und durch
des großen Macedoniers Zug nach Vorder-Jndien, das Gold sich
allmählig bei den europäischen Hellenen anhäufte, wie zum Bei-
spiel in Demosthenes Zeitalter die edeln Metalle einen fast fünfmal
geringern Werth hatten, als im Solonischen. Der Strom ging
damals von Osten nach Westen, und der Zufluß des Goldes war
so reichlich, daß, wenn zu Herodots Zeit das Verhältniß des Goldes
zum Silber wie 1:13 war, es bei Alexanders Tode und über hun-
dert Jahre nachher, wie 1:10 stand.** Je weniger allgemein
die Handelsverbindungen in der alten Welt waren, desto größere
und plötzlichere Veränderungen mußte der relative Gold- und Sil-
berwerth erleiden. So finden wir in Rom, durch lokale Anhäufung
eines der edeln Metalle, bald nach der Eroberung von Syrakus,
das Verhältniß des Goldes zum Silber wie 1:17, wenn unter
Julius Cäsar es auf einige Zeit bis 1:8 herabsank. Je geringer
die Menge des schon vorhandenen Metalles in einem Lande ist,
desto leichter können, durch Zufluß von Außen, jene ungeheuren
Schwankungen hervorgebracht werden. Die jetzige Welt ist durch
Allgemeinheit und Schnelligkeit des Verkehrs, welcher das Gleich-
gewicht herstellt, sie ist durch die Größe der schon vorhandenen,
angehäuften Massen von Gold und Silber zur Stabilität im rela-
tiven Werthe der Metalle geneigt. Nach der Revolution in dem
spanischen Amerika war die jährliche Metallproduktion viele Jahre
lang auf ein Drittel herabgesunken, und doch konnten die unbeträcht-
lichen Oscillationen, welche man hie und da bemerkte, nicht dieser
Ursache zugeschrieben werden. Ganz anders ist es mit dem Ver-
hältniß des Silbers zu einem noch so wenig angehäuften und dabei
so ungleich vertheilten Metalle, dem Platin.

Von statistischen Angaben, die irgend ein allgemeines, mit der
jetzigen Goldproduktion ganzer Länder vergleichbares Resultat ent-
hielten, finden wir bei den Alten nichts. Die Natur der Staats-
verwaltung bot nicht die Controlen dar, welche in späteren

* Staatshaushaltung der Athener. Bd. 1. S. 6-31.
** Siehe Letronne's gelehrte Berichtigung der monetarischen Hypothesen
von Garnier: Considerations generales sur l'evaluation des mon-
aies grecques et romaines
. 1817. p. 112.
Ueber die Schwankungen

Wir wiſſen aus Bökh's ſcharfſinnigen Unterſuchungen,* wie,
bei Eröffnung des Morgenlandes durch die Perſerkriege und durch
des großen Macedoniers Zug nach Vorder-Jndien, das Gold ſich
allmählig bei den europäiſchen Hellenen anhäufte, wie zum Bei-
ſpiel in Demoſthenes Zeitalter die edeln Metalle einen faſt fünfmal
geringern Werth hatten, als im Soloniſchen. Der Strom ging
damals von Oſten nach Weſten, und der Zufluß des Goldes war
ſo reichlich, daß, wenn zu Herodots Zeit das Verhältniß des Goldes
zum Silber wie 1:13 war, es bei Alexanders Tode und über hun-
dert Jahre nachher, wie 1:10 ſtand.** Je weniger allgemein
die Handelsverbindungen in der alten Welt waren, deſto größere
und plötzlichere Veränderungen mußte der relative Gold- und Sil-
berwerth erleiden. So finden wir in Rom, durch lokale Anhäufung
eines der edeln Metalle, bald nach der Eroberung von Syrakus,
das Verhältniß des Goldes zum Silber wie 1:17⅐, wenn unter
Julius Cäſar es auf einige Zeit bis 1:8 herabſank. Je geringer
die Menge des ſchon vorhandenen Metalles in einem Lande iſt,
deſto leichter können, durch Zufluß von Außen, jene ungeheuren
Schwankungen hervorgebracht werden. Die jetzige Welt iſt durch
Allgemeinheit und Schnelligkeit des Verkehrs, welcher das Gleich-
gewicht herſtellt, ſie iſt durch die Größe der ſchon vorhandenen,
angehäuften Maſſen von Gold und Silber zur Stabilität im rela-
tiven Werthe der Metalle geneigt. Nach der Revolution in dem
ſpaniſchen Amerika war die jährliche Metallproduktion viele Jahre
lang auf ein Drittel herabgeſunken, und doch konnten die unbeträcht-
lichen Oſcillationen, welche man hie und da bemerkte, nicht dieſer
Urſache zugeſchrieben werden. Ganz anders iſt es mit dem Ver-
hältniß des Silbers zu einem noch ſo wenig angehäuften und dabei
ſo ungleich vertheilten Metalle, dem Platin.

Von ſtatiſtiſchen Angaben, die irgend ein allgemeines, mit der
jetzigen Goldproduktion ganzer Länder vergleichbares Reſultat ent-
hielten, finden wir bei den Alten nichts. Die Natur der Staats-
verwaltung bot nicht die Controlen dar, welche in ſpäteren

* Staatshaushaltung der Athener. Bd. 1. S. 6–31.
** Siehe Letronne's gelehrte Berichtigung der monetariſchen Hypotheſen
von Garnier: Considérations générales ſur l'évaluation des mon-
aies grecques et romaines
. 1817. p. 112.
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[4/0005] Ueber die Schwankungen Wir wiſſen aus Bökh's ſcharfſinnigen Unterſuchungen, * wie, bei Eröffnung des Morgenlandes durch die Perſerkriege und durch des großen Macedoniers Zug nach Vorder-Jndien, das Gold ſich allmählig bei den europäiſchen Hellenen anhäufte, wie zum Bei- ſpiel in Demoſthenes Zeitalter die edeln Metalle einen faſt fünfmal geringern Werth hatten, als im Soloniſchen. Der Strom ging damals von Oſten nach Weſten, und der Zufluß des Goldes war ſo reichlich, daß, wenn zu Herodots Zeit das Verhältniß des Goldes zum Silber wie 1:13 war, es bei Alexanders Tode und über hun- dert Jahre nachher, wie 1:10 ſtand. ** Je weniger allgemein die Handelsverbindungen in der alten Welt waren, deſto größere und plötzlichere Veränderungen mußte der relative Gold- und Sil- berwerth erleiden. So finden wir in Rom, durch lokale Anhäufung eines der edeln Metalle, bald nach der Eroberung von Syrakus, das Verhältniß des Goldes zum Silber wie 1:17⅐, wenn unter Julius Cäſar es auf einige Zeit bis 1:8[FORMEL] herabſank. Je geringer die Menge des ſchon vorhandenen Metalles in einem Lande iſt, deſto leichter können, durch Zufluß von Außen, jene ungeheuren Schwankungen hervorgebracht werden. Die jetzige Welt iſt durch Allgemeinheit und Schnelligkeit des Verkehrs, welcher das Gleich- gewicht herſtellt, ſie iſt durch die Größe der ſchon vorhandenen, angehäuften Maſſen von Gold und Silber zur Stabilität im rela- tiven Werthe der Metalle geneigt. Nach der Revolution in dem ſpaniſchen Amerika war die jährliche Metallproduktion viele Jahre lang auf ein Drittel herabgeſunken, und doch konnten die unbeträcht- lichen Oſcillationen, welche man hie und da bemerkte, nicht dieſer Urſache zugeſchrieben werden. Ganz anders iſt es mit dem Ver- hältniß des Silbers zu einem noch ſo wenig angehäuften und dabei ſo ungleich vertheilten Metalle, dem Platin. Von ſtatiſtiſchen Angaben, die irgend ein allgemeines, mit der jetzigen Goldproduktion ganzer Länder vergleichbares Reſultat ent- hielten, finden wir bei den Alten nichts. Die Natur der Staats- verwaltung bot nicht die Controlen dar, welche in ſpäteren * Staatshaushaltung der Athener. Bd. 1. S. 6–31. ** Siehe Letronne's gelehrte Berichtigung der monetariſchen Hypotheſen von Garnier: Considérations générales ſur l'évaluation des mon- aies grecques et romaines. 1817. p. 112.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40, hier S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_schwankungen_1838/5>, abgerufen am 21.11.2024.