Humboldt, Wilhelm von: Ueber die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau. In: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, 1826. S. 161-188.angeregt, bis zu ihren Elementen, den Grundlauten, vorzudringen, dieselben zu unterscheiden und zu bezeichnen, oder mit anderen Worten, Buchstabenschrift zu erfinden, oder sich darbietende begierig zu ergreifen. Richtigkeit der intellectuellen Ansicht der Sprache, von Lebendigkeit und Feinheit zeugende Bearbeitung ihrer Laute, und Buchstabenschrift erheischen und befördern sich daher gegenseitig, und vollenden, vereint, die Auffassung und Bildung der Sprache in ihrer ächten Eigenthümlichkeit. Jeder Mangel an einem dieser drei Punkte wird in ihrem Bau, oder ihrem Gebrauche fühlbar, und wo die natürliche Einwirkung der Dinge nicht durch besondere Umstände Abweichungen erfährt, da darf man sie vereint, und noch verbunden mit Festigkeit grammatischer Formen und rhythmischer Kunst anzutreffen hoffen. Die hier gemachte Einschränkung beugt dem Bestreben vor, dasjenige, was sich theoretisch ergiebt, nun auch durch die Geschichte der Völker (sollte man es ihr auch aufdringen müssen) sogleich beweisen, oder voreilig widerlegen zu wollen. Darum darf aber die Entwicklung aus bloßen Begriffen, wenn sie nur sonst richtig und vollständig ist, nicht unnütz genannt werden. Sie muß vielmehr, wo es nur irgend angeht, die Prüfung der Thatsachen begleiten, und ihr die Punkte der Untersuchung bestimmen helfen. Nach dem im Vorigen über den Zusammenhang des Sprachbaues mit der Buchstabenschrift Gesagten, werden erschöpfende Untersuchungen über die Verbreitung der letzteren nicht von der Geschichte der Sprachen selbst getrennt werden dürfen, und es wird überall auf die Frage ankommen: ob es die Beschaffenheit der Sprache, und die sich in ihr ausdrückende Sprachanlage der Nation, oder andere Umstände waren, welche wesentlich auf die Art der Erfindung oder Aneignung eines Alphabets einwirkten? inwiefern diese Entstehungsweise die Beschaffenheit desselben bestimmte oder veränderte, und welche Spuren es, bei allgemein gewordenem Gebrauch, in der Sprache zurückließ? Es kann hier nicht meine Absicht seyn, nach der bis jetzt versuchten Entwicklung aus Ideen, noch in eine historische Untersuchung der Sprachen in Beziehung auf die Schriftmittel, deren sie sich bedienen, einzugehen. Nur um im Ganzen den behaupteten Zusammenhang angeregt, bis zu ihren Elementen, den Grundlauten, vorzudringen, dieselben zu unterscheiden und zu bezeichnen, oder mit anderen Worten, Buchstabenschrift zu erfinden, oder sich darbietende begierig zu ergreifen. Richtigkeit der intellectuellen Ansicht der Sprache, von Lebendigkeit und Feinheit zeugende Bearbeitung ihrer Laute, und Buchstabenschrift erheischen und befördern sich daher gegenseitig, und vollenden, vereint, die Auffassung und Bildung der Sprache in ihrer ächten Eigenthümlichkeit. Jeder Mangel an einem dieser drei Punkte wird in ihrem Bau, oder ihrem Gebrauche fühlbar, und wo die natürliche Einwirkung der Dinge nicht durch besondere Umstände Abweichungen erfährt, da darf man sie vereint, und noch verbunden mit Festigkeit grammatischer Formen und rhythmischer Kunst anzutreffen hoffen. Die hier gemachte Einschränkung beugt dem Bestreben vor, dasjenige, was sich theoretisch ergiebt, nun auch durch die Geschichte der Völker (sollte man es ihr auch aufdringen müssen) sogleich beweisen, oder voreilig widerlegen zu wollen. Darum darf aber die Entwicklung aus bloßen Begriffen, wenn sie nur sonst richtig und vollständig ist, nicht unnütz genannt werden. Sie muß vielmehr, wo es nur irgend angeht, die Prüfung der Thatsachen begleiten, und ihr die Punkte der Untersuchung bestimmen helfen. Nach dem im Vorigen über den Zusammenhang des Sprachbaues mit der Buchstabenschrift Gesagten, werden erschöpfende Untersuchungen über die Verbreitung der letzteren nicht von der Geschichte der Sprachen selbst getrennt werden dürfen, und es wird überall auf die Frage ankommen: ob es die Beschaffenheit der Sprache, und die sich in ihr ausdrückende Sprachanlage der Nation, oder andere Umstände waren, welche wesentlich auf die Art der Erfindung oder Aneignung eines Alphabets einwirkten? inwiefern diese Entstehungsweise die Beschaffenheit desselben bestimmte oder veränderte, und welche Spuren es, bei allgemein gewordenem Gebrauch, in der Sprache zurückließ? Es kann hier nicht meine Absicht seyn, nach der bis jetzt versuchten Entwicklung aus Ideen, noch in eine historische Untersuchung der Sprachen in Beziehung auf die Schriftmittel, deren sie sich bedienen, einzugehen. 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Nach dem im Vorigen über den Zusammenhang des Sprachbaues mit der Buchstabenschrift Gesagten, werden erschöpfende Untersuchungen über die Verbreitung der letzteren nicht von der Geschichte der Sprachen selbst getrennt werden dürfen, und es wird überall auf die Frage ankommen: ob es die Beschaffenheit der Sprache, und die sich in ihr ausdrückende Sprachanlage der Nation, oder andere Umstände waren, welche wesentlich auf die Art der Erfindung oder Aneignung eines Alphabets einwirkten? inwiefern diese Entstehungsweise die Beschaffenheit desselben bestimmte oder veränderte, und welche Spuren es, bei allgemein gewordenem Gebrauch, in der Sprache zurückließ?</p> <p>Es kann hier nicht meine Absicht seyn, nach der bis jetzt versuchten Entwicklung aus Ideen, noch in eine historische Untersuchung der Sprachen in Beziehung auf die Schriftmittel, deren sie sich bedienen, einzugehen. Nur um im Ganzen den behaupteten Zusammenhang </p> </div> </body> </text> </TEI> [177/0017]
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Richtigkeit der intellectuellen Ansicht der Sprache, von Lebendigkeit und Feinheit zeugende Bearbeitung ihrer Laute, und Buchstabenschrift erheischen und befördern sich daher gegenseitig, und vollenden, vereint, die Auffassung und Bildung der Sprache in ihrer ächten Eigenthümlichkeit. Jeder Mangel an einem dieser drei Punkte wird in ihrem Bau, oder ihrem Gebrauche fühlbar, und wo die natürliche Einwirkung der Dinge nicht durch besondere Umstände Abweichungen erfährt, da darf man sie vereint, und noch verbunden mit Festigkeit grammatischer Formen und rhythmischer Kunst anzutreffen hoffen.
Die hier gemachte Einschränkung beugt dem Bestreben vor, dasjenige, was sich theoretisch ergiebt, nun auch durch die Geschichte der Völker (sollte man es ihr auch aufdringen müssen) sogleich beweisen, oder voreilig widerlegen zu wollen. Darum darf aber die Entwicklung aus bloßen Begriffen, wenn sie nur sonst richtig und vollständig ist, nicht unnütz genannt werden. Sie muß vielmehr, wo es nur irgend angeht, die Prüfung der Thatsachen begleiten, und ihr die Punkte der Untersuchung bestimmen helfen. Nach dem im Vorigen über den Zusammenhang des Sprachbaues mit der Buchstabenschrift Gesagten, werden erschöpfende Untersuchungen über die Verbreitung der letzteren nicht von der Geschichte der Sprachen selbst getrennt werden dürfen, und es wird überall auf die Frage ankommen: ob es die Beschaffenheit der Sprache, und die sich in ihr ausdrückende Sprachanlage der Nation, oder andere Umstände waren, welche wesentlich auf die Art der Erfindung oder Aneignung eines Alphabets einwirkten? inwiefern diese Entstehungsweise die Beschaffenheit desselben bestimmte oder veränderte, und welche Spuren es, bei allgemein gewordenem Gebrauch, in der Sprache zurückließ?
Es kann hier nicht meine Absicht seyn, nach der bis jetzt versuchten Entwicklung aus Ideen, noch in eine historische Untersuchung der Sprachen in Beziehung auf die Schriftmittel, deren sie sich bedienen, einzugehen. Nur um im Ganzen den behaupteten Zusammenhang
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