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Humboldt, Alexander von: Ueber den Syenit oder Pyrocilus der Alten. In: Neue Entdeckungen und Beobachtungen aus der Physik, Naturgeschichte und Oekonomie. Bd. 1 (1791), S. 134-138.

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und Plinius zurükführen. Die natürliche
Gestalt gewisser Länder ist seit ein Paar Jahr-
tausenden mannichfaltig verändert. Meeresflu-
then, Vulcane und Erdbeben haben ihre ver-
heerende Macht ausgeübt. Berge sind zersplit-
tert, Thäler ausgefüllt, Jnseln aus dem Was-
ser emporgetrieben worden. Aristides würde
Aegypten, Cäsar das Belgische Gallien, Pli-
nius
das untere Jtalien kaum wieder erkennen.
Freilich haben diese gewaltsamen Revolutionen
nur einzelne Gegenden betroffen. Denn Nach-
richten von allgemeinen Umwandlungen unsers
Planeten, wie die, deren räthselhafte*) Spuren

wir
*) Räthselhaft aus zwiefachem Grunde. Einmal,
durch welche Hypothese läßt sich die Entste-
hung von Typolithen weicher Körper, z. B.
saamentragender Farrenkräuter erklären? Jedem
Botaniker ist bekannt, daß der leichte Saamen-
staub von der leisesten Berührung verwischt wird.
Zweitens, sollten alle Conchylien der Vorwelt,
die wir jezt nur in ihren Grabstätten finden,
gänzlich untergegangen seyn? Entfernte Aehn-
lichkeiten zwischen den petrificirten und in unse-
ren Meeren lebenden Chamen und Mytilen sind
nicht zu läugnen. Daher Linne eine Ostrea
diluviana
, eine Anomia pecten, A. angulata,
A. plicatella
und andere Versteinerungen mit
dem Beisaz: habitat ... fossilis in sein Syste-
ma naturae
eintrug. Daß aber zu den unzähli-
gen fossilen Muscheln bisher kaum ein bestimm-
tes Original in der jetzigen Thierschöpfung ge-
funden worden ist, kann ich mit dem Zeugniß
eines Mannes belegen, der die Lehre von den
Petrefacten mit dem glücklichsten Scharfsinne
in ein neues System umgearbeitet und für geo-
genische
J 4

und Plinius zurükführen. Die natürliche
Geſtalt gewiſſer Länder iſt ſeit ein Paar Jahr-
tauſenden mannichfaltig verändert. Meeresflu-
then, Vulcane und Erdbeben haben ihre ver-
heerende Macht ausgeübt. Berge ſind zerſplit-
tert, Thäler ausgefüllt, Jnſeln aus dem Waſ-
ſer emporgetrieben worden. Ariſtides würde
Aegypten, Cäſar das Belgiſche Gallien, Pli-
nius
das untere Jtalien kaum wieder erkennen.
Freilich haben dieſe gewaltſamen Revolutionen
nur einzelne Gegenden betroffen. Denn Nach-
richten von allgemeinen Umwandlungen unſers
Planeten, wie die, deren räthſelhafte*) Spuren

wir
*) Räthſelhaft aus zwiefachem Grunde. Einmal,
durch welche Hypotheſe läßt ſich die Entſte-
hung von Typolithen weicher Körper, z. B.
ſaamentragender Farrenkräuter erklären? Jedem
Botaniker iſt bekannt, daß der leichte Saamen-
ſtaub von der leiſeſten Berührung verwiſcht wird.
Zweitens, ſollten alle Conchylien der Vorwelt,
die wir jezt nur in ihren Grabſtätten finden,
gänzlich untergegangen ſeyn? Entfernte Aehn-
lichkeiten zwiſchen den petrificirten und in unſe-
ren Meeren lebenden Chamen und Mytilen ſind
nicht zu läugnen. Daher Linne eine Oſtrea
diluviana
, eine Anomia pecten, A. angulata,
A. plicatella
und andere Verſteinerungen mit
dem Beiſaz: habitat ... foſſilis in ſein Syſte-
ma naturae
eintrug. Daß aber zu den unzähli-
gen foſſilen Muſcheln bisher kaum ein beſtimm-
tes Original in der jetzigen Thierſchöpfung ge-
funden worden iſt, kann ich mit dem Zeugniß
eines Mannes belegen, der die Lehre von den
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[135/0003] und Plinius zurükführen. Die natürliche Geſtalt gewiſſer Länder iſt ſeit ein Paar Jahr- tauſenden mannichfaltig verändert. Meeresflu- then, Vulcane und Erdbeben haben ihre ver- heerende Macht ausgeübt. Berge ſind zerſplit- tert, Thäler ausgefüllt, Jnſeln aus dem Waſ- ſer emporgetrieben worden. Ariſtides würde Aegypten, Cäſar das Belgiſche Gallien, Pli- nius das untere Jtalien kaum wieder erkennen. Freilich haben dieſe gewaltſamen Revolutionen nur einzelne Gegenden betroffen. Denn Nach- richten von allgemeinen Umwandlungen unſers Planeten, wie die, deren räthſelhafte *) Spuren wir *) Räthſelhaft aus zwiefachem Grunde. Einmal, durch welche Hypotheſe läßt ſich die Entſte- hung von Typolithen weicher Körper, z. B. ſaamentragender Farrenkräuter erklären? Jedem Botaniker iſt bekannt, daß der leichte Saamen- ſtaub von der leiſeſten Berührung verwiſcht wird. Zweitens, ſollten alle Conchylien der Vorwelt, die wir jezt nur in ihren Grabſtätten finden, gänzlich untergegangen ſeyn? Entfernte Aehn- lichkeiten zwiſchen den petrificirten und in unſe- ren Meeren lebenden Chamen und Mytilen ſind nicht zu läugnen. Daher Linne eine Oſtrea diluviana, eine Anomia pecten, A. angulata, A. plicatella und andere Verſteinerungen mit dem Beiſaz: habitat ... foſſilis in ſein Syſte- ma naturae eintrug. Daß aber zu den unzähli- gen foſſilen Muſcheln bisher kaum ein beſtimm- tes Original in der jetzigen Thierſchöpfung ge- funden worden iſt, kann ich mit dem Zeugniß eines Mannes belegen, der die Lehre von den Petrefacten mit dem glücklichſten Scharfſinne in ein neues Syſtem umgearbeitet und für geo- geniſche J 4

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber den Syenit oder Pyrocilus der Alten. In: Neue Entdeckungen und Beobachtungen aus der Physik, Naturgeschichte und Oekonomie. Bd. 1 (1791), S. 134-138, hier S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_syenit_1791/3>, abgerufen am 23.11.2024.