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Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206.

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Besteigung des Chimborazo.
mussten, war weich und lag kaum 3 bis 4 Zoll hoch
auf einer sehr glatten und harten Eisdecke. Wir wa-
ren genöthigt Stufen einzuhauen. Ein Neger ging
voran, um diese Arbeit, die seine Kräfte bald er-
schöpfte, zu vollziehen. Indem ich bei ihm vorbei-
gehen wollte, um ihn abzulösen, glitt ich aus und wurde
glücklicherweise vom Oberst Hall und meinem Neger
zurückgehalten. Wir befanden uns (setzt Hr. Bous-
singault
hinzu) für einen Augenblick alle drei in der
grössten Gefahr. Weiterhin ward der Schnee günsti-
ger und um 33/4 Uhr Nachmittags standen wir auf dem
lang ersehnten Felskamme, der wenige Fuss breit,
aber mit Abgründen umgeben war. Hier überzeugten
wir uns, dass das Weiterkommen unmöglich sey.
Wir befanden uns an dem Fusse eines Felsprisma's,
dessen obere Fläche, bedeckt mit einer Kuppe von
Schnee, den eigentlichen Gipfel des Chimborazo bil-
det. Um sich von der Topographie des ganzen Berges
ein richtiges Bild zu machen, denke man sich eine
ungeheure schneebedeckte Felsmasse, die von allen
Seiten, wie durch Strebepfeiler, unterstützt erscheint.
Die Strebepfeiler sind die Kämme, die sich anlegen
und (aus dem ewigen Schnee) hervortreten." Der
Verlust eines Physikers, wie Boussingault, wäre un-
beschreiblich theuer durch den wenigen Gewinn er-
kauft worden, den Unternehmungen dieser Art den
Wissenschaften darbieten können.

So lebhaft ich auch vor bereits dreissig Jahren
den Wunsch ausgesprochen habe, dass die Höhe des
Chimborazo möchte von neuem sorgsam trigonome-
trisch gemessen werden, so schwebt doch noch immer
einige Ungewissheit über das absolute Resultat. Don
Jorge Juan
und die französischen Akademiker geben,

Besteigung des Chimborazo.
mussten, war weich und lag kaum 3 bis 4 Zoll hoch
auf einer sehr glatten und harten Eisdecke. Wir wa-
ren genöthigt Stufen einzuhauen. Ein Neger ging
voran, um diese Arbeit, die seine Kräfte bald er-
schöpfte, zu vollziehen. Indem ich bei ihm vorbei-
gehen wollte, um ihn abzulösen, glitt ich aus und wurde
glücklicherweise vom Oberst Hall und meinem Neger
zurückgehalten. Wir befanden uns (setzt Hr. Bous-
singault
hinzu) für einen Augenblick alle drei in der
grössten Gefahr. Weiterhin ward der Schnee günsti-
ger und um 3¾ Uhr Nachmittags standen wir auf dem
lang ersehnten Felskamme, der wenige Fuss breit,
aber mit Abgründen umgeben war. Hier überzeugten
wir uns, dass das Weiterkommen unmöglich sey.
Wir befanden uns an dem Fusse eines Felsprisma's,
dessen obere Fläche, bedeckt mit einer Kuppe von
Schnee, den eigentlichen Gipfel des Chimborazo bil-
det. Um sich von der Topographie des ganzen Berges
ein richtiges Bild zu machen, denke man sich eine
ungeheure schneebedeckte Felsmasse, die von allen
Seiten, wie durch Strebepfeiler, unterstützt erscheint.
Die Strebepfeiler sind die Kämme, die sich anlegen
und (aus dem ewigen Schnee) hervortreten.“ Der
Verlust eines Physikers, wie Boussingault, wäre un-
beschreiblich theuer durch den wenigen Gewinn er-
kauft worden, den Unternehmungen dieser Art den
Wissenschaften darbieten können.

So lebhaft ich auch vor bereits dreissig Jahren
den Wunsch ausgesprochen habe, dass die Höhe des
Chimborazo möchte von neuem sorgsam trigonome-
trisch gemessen werden, so schwebt doch noch immer
einige Ungewissheit über das absolute Resultat. Don
Jorge Juan
und die französischen Akademiker geben,

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[202/0029] Besteigung des Chimborazo. mussten, war weich und lag kaum 3 bis 4 Zoll hoch auf einer sehr glatten und harten Eisdecke. Wir wa- ren genöthigt Stufen einzuhauen. Ein Neger ging voran, um diese Arbeit, die seine Kräfte bald er- schöpfte, zu vollziehen. Indem ich bei ihm vorbei- gehen wollte, um ihn abzulösen, glitt ich aus und wurde glücklicherweise vom Oberst Hall und meinem Neger zurückgehalten. Wir befanden uns (setzt Hr. Bous- singault hinzu) für einen Augenblick alle drei in der grössten Gefahr. Weiterhin ward der Schnee günsti- ger und um 3¾ Uhr Nachmittags standen wir auf dem lang ersehnten Felskamme, der wenige Fuss breit, aber mit Abgründen umgeben war. Hier überzeugten wir uns, dass das Weiterkommen unmöglich sey. Wir befanden uns an dem Fusse eines Felsprisma's, dessen obere Fläche, bedeckt mit einer Kuppe von Schnee, den eigentlichen Gipfel des Chimborazo bil- det. Um sich von der Topographie des ganzen Berges ein richtiges Bild zu machen, denke man sich eine ungeheure schneebedeckte Felsmasse, die von allen Seiten, wie durch Strebepfeiler, unterstützt erscheint. Die Strebepfeiler sind die Kämme, die sich anlegen und (aus dem ewigen Schnee) hervortreten.“ Der Verlust eines Physikers, wie Boussingault, wäre un- beschreiblich theuer durch den wenigen Gewinn er- kauft worden, den Unternehmungen dieser Art den Wissenschaften darbieten können. So lebhaft ich auch vor bereits dreissig Jahren den Wunsch ausgesprochen habe, dass die Höhe des Chimborazo möchte von neuem sorgsam trigonome- trisch gemessen werden, so schwebt doch noch immer einige Ungewissheit über das absolute Resultat. Don Jorge Juan und die französischen Akademiker geben,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206, hier S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuche_1837/29>, abgerufen am 21.11.2024.