Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Laßt uns dagegen einen Blick werfen auf die
jüdischen philosophischen Schriftsteller der Urzeit. Hier
treffen wir nichts, was uns die Juden als eigent-
liche Denker, Manches aber vielleicht, was sie als
Grübler uns zeigt. Vier Sammlungen moralischer
Aphorismen, von denen nur zwei in den Kanon
aufgenommen sind, und gerade die beste und geist-
vollste -- jene von Jesus Sirach *) -- unter die

*) Gott weiß, warum man nicht das Buch Jesus
Sirachs, statt des Hohenliedes des Salomo in den
Kanon aufnahm! Das Liebespärchen, welches in
diesem lyrisch-dialogischen Gedichte -- denn ein Dra-
ma ist es nicht -- redet, spricht wahrlich oft, als
ob es in den Kohlhöfen von Leipzig aufgeblühet,
und bei den Bernhardinerinnen in Berlin gebildet
wäre. Man sehe nur das siebente Kapitel und Ka-
pitel 8. V. 8 -- 10, so wie mehrere andere Stel-
len. Dies Gedicht soll Weissagungen von unserm
Heiland enthalten! Ein sauberer Prophet, der sei-
ne Verkündigungen in ein so schlüpfriges Gewand
einkleidete, wodurch jeder Vater abgeschreckt werden
muß, seiner unschuldigen Tochter, seinem noch un-
verderbten Sohn das alte Testament in die Hände
zu geben. Sollte man glauben, daß man ohne das
Hohelied, nicht Weissagungen genug von unserm
Heilande behielte, so verpflichte ich mich hiedurch
gegen die hohe Geistlichkeit aller fünf christlichen
Hauptkonfessionen, in dem Buch Sirach weit meh-
rere und weit deutlichere Weissagungen von Chri-
stus, und wenn es begehrt wird, auch vom großen
Christoph nachzuweisen, als man jemals im Hohen-
liede gefunden hat.

Laßt uns dagegen einen Blick werfen auf die
juͤdiſchen philoſophiſchen Schriftſteller der Urzeit. Hier
treffen wir nichts, was uns die Juden als eigent-
liche Denker, Manches aber vielleicht, was ſie als
Gruͤbler uns zeigt. Vier Sammlungen moraliſcher
Aphorismen, von denen nur zwei in den Kanon
aufgenommen ſind, und gerade die beſte und geiſt-
vollſte — jene von Jeſus Sirach *) — unter die

*) Gott weiß, warum man nicht das Buch Jeſus
Sirachs, ſtatt des Hohenliedes des Salomo in den
Kanon aufnahm! Das Liebespaͤrchen, welches in
dieſem lyriſch-dialogiſchen Gedichte — denn ein Dra-
ma iſt es nicht — redet, ſpricht wahrlich oft, als
ob es in den Kohlhoͤfen von Leipzig aufgebluͤhet,
und bei den Bernhardinerinnen in Berlin gebildet
waͤre. Man ſehe nur das ſiebente Kapitel und Ka-
pitel 8. V. 8 — 10, ſo wie mehrere andere Stel-
len. Dies Gedicht ſoll Weiſſagungen von unſerm
Heiland enthalten! Ein ſauberer Prophet, der ſei-
ne Verkuͤndigungen in ein ſo ſchluͤpfriges Gewand
einkleidete, wodurch jeder Vater abgeſchreckt werden
muß, ſeiner unſchuldigen Tochter, ſeinem noch un-
verderbten Sohn das alte Teſtament in die Haͤnde
zu geben. Sollte man glauben, daß man ohne das
Hohelied, nicht Weiſſagungen genug von unſerm
Heilande behielte, ſo verpflichte ich mich hiedurch
gegen die hohe Geiſtlichkeit aller fuͤnf chriſtlichen
Hauptkonfeſſionen, in dem Buch Sirach weit meh-
rere und weit deutlichere Weiſſagungen von Chri-
ſtus, und wenn es begehrt wird, auch vom großen
Chriſtoph nachzuweiſen, als man jemals im Hohen-
liede gefunden hat.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0104" n="70"/>
        <p>Laßt uns dagegen einen Blick werfen auf die<lb/>
ju&#x0364;di&#x017F;chen philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Schrift&#x017F;teller der Urzeit. Hier<lb/>
treffen wir nichts, was uns die Juden als eigent-<lb/>
liche Denker, Manches aber vielleicht, was &#x017F;ie als<lb/>
Gru&#x0364;bler uns zeigt. Vier Sammlungen morali&#x017F;cher<lb/>
Aphorismen, von denen nur zwei in den Kanon<lb/>
aufgenommen &#x017F;ind, und gerade die be&#x017F;te und gei&#x017F;t-<lb/>
voll&#x017F;te &#x2014; jene von Je&#x017F;us Sirach <note place="foot" n="*)">Gott weiß, warum man nicht das Buch Je&#x017F;us<lb/>
Sirachs, &#x017F;tatt des Hohenliedes des Salomo in den<lb/>
Kanon aufnahm! Das Liebespa&#x0364;rchen, welches in<lb/>
die&#x017F;em lyri&#x017F;ch-dialogi&#x017F;chen Gedichte &#x2014; denn ein Dra-<lb/>
ma i&#x017F;t es nicht &#x2014; redet, &#x017F;pricht wahrlich oft, als<lb/>
ob es in den Kohlho&#x0364;fen von Leipzig aufgeblu&#x0364;het,<lb/>
und bei den Bernhardinerinnen in Berlin gebildet<lb/>
wa&#x0364;re. Man &#x017F;ehe nur das &#x017F;iebente Kapitel und Ka-<lb/>
pitel 8. V. 8 &#x2014; 10, &#x017F;o wie mehrere andere Stel-<lb/>
len. Dies Gedicht &#x017F;oll Wei&#x017F;&#x017F;agungen von un&#x017F;erm<lb/>
Heiland enthalten! Ein &#x017F;auberer Prophet, der &#x017F;ei-<lb/>
ne Verku&#x0364;ndigungen in ein &#x017F;o &#x017F;chlu&#x0364;pfriges Gewand<lb/>
einkleidete, wodurch jeder Vater abge&#x017F;chreckt werden<lb/>
muß, &#x017F;einer un&#x017F;chuldigen Tochter, &#x017F;einem noch un-<lb/>
verderbten Sohn das alte Te&#x017F;tament in die Ha&#x0364;nde<lb/>
zu geben. Sollte man glauben, daß man ohne das<lb/>
Hohelied, nicht Wei&#x017F;&#x017F;agungen genug von un&#x017F;erm<lb/>
Heilande behielte, &#x017F;o verpflichte ich mich hiedurch<lb/>
gegen die hohe Gei&#x017F;tlichkeit aller fu&#x0364;nf chri&#x017F;tlichen<lb/>
Hauptkonfe&#x017F;&#x017F;ionen, in dem Buch Sirach weit meh-<lb/>
rere und weit deutlichere Wei&#x017F;&#x017F;agungen von Chri-<lb/>
&#x017F;tus, und wenn es begehrt wird, auch vom großen<lb/>
Chri&#x017F;toph nachzuwei&#x017F;en, als man jemals im Hohen-<lb/>
liede gefunden hat.</note> &#x2014; unter die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0104] Laßt uns dagegen einen Blick werfen auf die juͤdiſchen philoſophiſchen Schriftſteller der Urzeit. Hier treffen wir nichts, was uns die Juden als eigent- liche Denker, Manches aber vielleicht, was ſie als Gruͤbler uns zeigt. Vier Sammlungen moraliſcher Aphorismen, von denen nur zwei in den Kanon aufgenommen ſind, und gerade die beſte und geiſt- vollſte — jene von Jeſus Sirach *) — unter die *) Gott weiß, warum man nicht das Buch Jeſus Sirachs, ſtatt des Hohenliedes des Salomo in den Kanon aufnahm! Das Liebespaͤrchen, welches in dieſem lyriſch-dialogiſchen Gedichte — denn ein Dra- ma iſt es nicht — redet, ſpricht wahrlich oft, als ob es in den Kohlhoͤfen von Leipzig aufgebluͤhet, und bei den Bernhardinerinnen in Berlin gebildet waͤre. Man ſehe nur das ſiebente Kapitel und Ka- pitel 8. V. 8 — 10, ſo wie mehrere andere Stel- len. Dies Gedicht ſoll Weiſſagungen von unſerm Heiland enthalten! Ein ſauberer Prophet, der ſei- ne Verkuͤndigungen in ein ſo ſchluͤpfriges Gewand einkleidete, wodurch jeder Vater abgeſchreckt werden muß, ſeiner unſchuldigen Tochter, ſeinem noch un- verderbten Sohn das alte Teſtament in die Haͤnde zu geben. Sollte man glauben, daß man ohne das Hohelied, nicht Weiſſagungen genug von unſerm Heilande behielte, ſo verpflichte ich mich hiedurch gegen die hohe Geiſtlichkeit aller fuͤnf chriſtlichen Hauptkonfeſſionen, in dem Buch Sirach weit meh- rere und weit deutlichere Weiſſagungen von Chri- ſtus, und wenn es begehrt wird, auch vom großen Chriſtoph nachzuweiſen, als man jemals im Hohen- liede gefunden hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/104
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/104>, abgerufen am 18.05.2024.