Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.Laßt uns dagegen einen Blick werfen auf die *) Gott weiß, warum man nicht das Buch Jesus
Sirachs, statt des Hohenliedes des Salomo in den Kanon aufnahm! Das Liebespärchen, welches in diesem lyrisch-dialogischen Gedichte -- denn ein Dra- ma ist es nicht -- redet, spricht wahrlich oft, als ob es in den Kohlhöfen von Leipzig aufgeblühet, und bei den Bernhardinerinnen in Berlin gebildet wäre. Man sehe nur das siebente Kapitel und Ka- pitel 8. V. 8 -- 10, so wie mehrere andere Stel- len. Dies Gedicht soll Weissagungen von unserm Heiland enthalten! Ein sauberer Prophet, der sei- ne Verkündigungen in ein so schlüpfriges Gewand einkleidete, wodurch jeder Vater abgeschreckt werden muß, seiner unschuldigen Tochter, seinem noch un- verderbten Sohn das alte Testament in die Hände zu geben. Sollte man glauben, daß man ohne das Hohelied, nicht Weissagungen genug von unserm Heilande behielte, so verpflichte ich mich hiedurch gegen die hohe Geistlichkeit aller fünf christlichen Hauptkonfessionen, in dem Buch Sirach weit meh- rere und weit deutlichere Weissagungen von Chri- stus, und wenn es begehrt wird, auch vom großen Christoph nachzuweisen, als man jemals im Hohen- liede gefunden hat. Laßt uns dagegen einen Blick werfen auf die *) Gott weiß, warum man nicht das Buch Jeſus
Sirachs, ſtatt des Hohenliedes des Salomo in den Kanon aufnahm! Das Liebespaͤrchen, welches in dieſem lyriſch-dialogiſchen Gedichte — denn ein Dra- ma iſt es nicht — redet, ſpricht wahrlich oft, als ob es in den Kohlhoͤfen von Leipzig aufgebluͤhet, und bei den Bernhardinerinnen in Berlin gebildet waͤre. Man ſehe nur das ſiebente Kapitel und Ka- pitel 8. V. 8 — 10, ſo wie mehrere andere Stel- len. Dies Gedicht ſoll Weiſſagungen von unſerm Heiland enthalten! Ein ſauberer Prophet, der ſei- ne Verkuͤndigungen in ein ſo ſchluͤpfriges Gewand einkleidete, wodurch jeder Vater abgeſchreckt werden muß, ſeiner unſchuldigen Tochter, ſeinem noch un- verderbten Sohn das alte Teſtament in die Haͤnde zu geben. Sollte man glauben, daß man ohne das Hohelied, nicht Weiſſagungen genug von unſerm Heilande behielte, ſo verpflichte ich mich hiedurch gegen die hohe Geiſtlichkeit aller fuͤnf chriſtlichen Hauptkonfeſſionen, in dem Buch Sirach weit meh- rere und weit deutlichere Weiſſagungen von Chri- ſtus, und wenn es begehrt wird, auch vom großen Chriſtoph nachzuweiſen, als man jemals im Hohen- liede gefunden hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0104" n="70"/> <p>Laßt uns dagegen einen Blick werfen auf die<lb/> juͤdiſchen philoſophiſchen Schriftſteller der Urzeit. Hier<lb/> treffen wir nichts, was uns die Juden als eigent-<lb/> liche Denker, Manches aber vielleicht, was ſie als<lb/> Gruͤbler uns zeigt. Vier Sammlungen moraliſcher<lb/> Aphorismen, von denen nur zwei in den Kanon<lb/> aufgenommen ſind, und gerade die beſte und geiſt-<lb/> vollſte — jene von Jeſus Sirach <note place="foot" n="*)">Gott weiß, warum man nicht das Buch Jeſus<lb/> Sirachs, ſtatt des Hohenliedes des Salomo in den<lb/> Kanon aufnahm! Das Liebespaͤrchen, welches in<lb/> dieſem lyriſch-dialogiſchen Gedichte — denn ein Dra-<lb/> ma iſt es nicht — redet, ſpricht wahrlich oft, als<lb/> ob es in den Kohlhoͤfen von Leipzig aufgebluͤhet,<lb/> und bei den Bernhardinerinnen in Berlin gebildet<lb/> waͤre. Man ſehe nur das ſiebente Kapitel und Ka-<lb/> pitel 8. V. 8 — 10, ſo wie mehrere andere Stel-<lb/> len. Dies Gedicht ſoll Weiſſagungen von unſerm<lb/> Heiland enthalten! Ein ſauberer Prophet, der ſei-<lb/> ne Verkuͤndigungen in ein ſo ſchluͤpfriges Gewand<lb/> einkleidete, wodurch jeder Vater abgeſchreckt werden<lb/> muß, ſeiner unſchuldigen Tochter, ſeinem noch un-<lb/> verderbten Sohn das alte Teſtament in die Haͤnde<lb/> zu geben. Sollte man glauben, daß man ohne das<lb/> Hohelied, nicht Weiſſagungen genug von unſerm<lb/> Heilande behielte, ſo verpflichte ich mich hiedurch<lb/> gegen die hohe Geiſtlichkeit aller fuͤnf chriſtlichen<lb/> Hauptkonfeſſionen, in dem Buch Sirach weit meh-<lb/> rere und weit deutlichere Weiſſagungen von Chri-<lb/> ſtus, und wenn es begehrt wird, auch vom großen<lb/> Chriſtoph nachzuweiſen, als man jemals im Hohen-<lb/> liede gefunden hat.</note> — unter die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [70/0104]
Laßt uns dagegen einen Blick werfen auf die
juͤdiſchen philoſophiſchen Schriftſteller der Urzeit. Hier
treffen wir nichts, was uns die Juden als eigent-
liche Denker, Manches aber vielleicht, was ſie als
Gruͤbler uns zeigt. Vier Sammlungen moraliſcher
Aphorismen, von denen nur zwei in den Kanon
aufgenommen ſind, und gerade die beſte und geiſt-
vollſte — jene von Jeſus Sirach *) — unter die
*) Gott weiß, warum man nicht das Buch Jeſus
Sirachs, ſtatt des Hohenliedes des Salomo in den
Kanon aufnahm! Das Liebespaͤrchen, welches in
dieſem lyriſch-dialogiſchen Gedichte — denn ein Dra-
ma iſt es nicht — redet, ſpricht wahrlich oft, als
ob es in den Kohlhoͤfen von Leipzig aufgebluͤhet,
und bei den Bernhardinerinnen in Berlin gebildet
waͤre. Man ſehe nur das ſiebente Kapitel und Ka-
pitel 8. V. 8 — 10, ſo wie mehrere andere Stel-
len. Dies Gedicht ſoll Weiſſagungen von unſerm
Heiland enthalten! Ein ſauberer Prophet, der ſei-
ne Verkuͤndigungen in ein ſo ſchluͤpfriges Gewand
einkleidete, wodurch jeder Vater abgeſchreckt werden
muß, ſeiner unſchuldigen Tochter, ſeinem noch un-
verderbten Sohn das alte Teſtament in die Haͤnde
zu geben. Sollte man glauben, daß man ohne das
Hohelied, nicht Weiſſagungen genug von unſerm
Heilande behielte, ſo verpflichte ich mich hiedurch
gegen die hohe Geiſtlichkeit aller fuͤnf chriſtlichen
Hauptkonfeſſionen, in dem Buch Sirach weit meh-
rere und weit deutlichere Weiſſagungen von Chri-
ſtus, und wenn es begehrt wird, auch vom großen
Chriſtoph nachzuweiſen, als man jemals im Hohen-
liede gefunden hat.
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Zitationshilfe: | Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/104>, abgerufen am 16.02.2025. |