den ist, geht Gott im Garten spazieren *). Die Menschen verstecken sich vor ihm, und weil er sie wahrscheinlich nicht sieht, so ruft er: Adam, wo bist du? Aengstlich kriechen sie mit ihren Feigen- blättern hervor, und nun wird mit ihnen und der Schlange ein peinliches Verhör angestellt, denn der Gerechtigkeitliebende Gott macht es nicht, wie der tägliche Rath in Luzern mit Troxler, den man verdammte, ohne ihn hören zu wollen. Das Weib schiebt ihre Schuld der Schlange in die Schuhe, und Adam wälzt die seinige auf das Weib, wel- ches, wie er sagt, Gott ihm gegeben hat. Diese Worte enthalten einen leisen Vorwurf darüber, daß Gott ihm eine so verführerische Ehehälfte zugesellt hatte. Die Schlange wird am Ende verurtheilt, auf ihrem Bauche zu kriechen, und künftig, statt der Aepfel und Birnen, Erde zu essen. Dies ist die Ursache, warum sie auch jetzt nicht, wie der Adler und die Lerche in der Luft fliegt, oder wie der Hirsch und das muntere Roß auf vier Beinen umher springt, sondern -- kriecht. Von der vor- geschriebenen Diät sind aber bekanntlich die unge- horsamen Schlangen sehr abgewichen, da sie be- kanntlich nicht von Erde, sondern von andern Din- gen sich nähren. Adam ward verurtheilt, zu ar-
*) Jn der Zürcher Uebersetzung heißt es wörtlich: "Er spazierete im Garten." Wie klein und wie mensch- lich!
den iſt, geht Gott im Garten ſpazieren *). Die Menſchen verſtecken ſich vor ihm, und weil er ſie wahrſcheinlich nicht ſieht, ſo ruft er: Adam, wo biſt du? Aengſtlich kriechen ſie mit ihren Feigen- blaͤttern hervor, und nun wird mit ihnen und der Schlange ein peinliches Verhoͤr angeſtellt, denn der Gerechtigkeitliebende Gott macht es nicht, wie der taͤgliche Rath in Luzern mit Troxler, den man verdammte, ohne ihn hoͤren zu wollen. Das Weib ſchiebt ihre Schuld der Schlange in die Schuhe, und Adam waͤlzt die ſeinige auf das Weib, wel- ches, wie er ſagt, Gott ihm gegeben hat. Dieſe Worte enthalten einen leiſen Vorwurf daruͤber, daß Gott ihm eine ſo verfuͤhreriſche Ehehaͤlfte zugeſellt hatte. Die Schlange wird am Ende verurtheilt, auf ihrem Bauche zu kriechen, und kuͤnftig, ſtatt der Aepfel und Birnen, Erde zu eſſen. Dies iſt die Urſache, warum ſie auch jetzt nicht, wie der Adler und die Lerche in der Luft fliegt, oder wie der Hirſch und das muntere Roß auf vier Beinen umher ſpringt, ſondern — kriecht. Von der vor- geſchriebenen Diaͤt ſind aber bekanntlich die unge- horſamen Schlangen ſehr abgewichen, da ſie be- kanntlich nicht von Erde, ſondern von andern Din- gen ſich naͤhren. Adam ward verurtheilt, zu ar-
*) Jn der Zuͤrcher Ueberſetzung heißt es woͤrtlich: „Er ſpazierete im Garten.‟ Wie klein und wie menſch- lich!
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0142"n="108"/>
den iſt, geht Gott im Garten ſpazieren <noteplace="foot"n="*)">Jn der Zuͤrcher Ueberſetzung heißt es woͤrtlich: „Er<lb/>ſpazierete im Garten.‟ Wie klein und wie menſch-<lb/>
lich!</note>. Die<lb/>
Menſchen verſtecken ſich vor ihm, und weil er ſie<lb/>
wahrſcheinlich nicht ſieht, ſo ruft er: Adam, wo<lb/>
biſt du? Aengſtlich kriechen ſie mit ihren Feigen-<lb/>
blaͤttern hervor, und nun wird mit ihnen und der<lb/>
Schlange ein peinliches Verhoͤr angeſtellt, denn der<lb/>
Gerechtigkeitliebende Gott macht es nicht, wie der<lb/>
taͤgliche Rath in Luzern mit Troxler, den man<lb/>
verdammte, ohne ihn hoͤren zu wollen. Das Weib<lb/>ſchiebt ihre Schuld der Schlange in die Schuhe,<lb/>
und Adam waͤlzt die ſeinige auf das Weib, wel-<lb/>
ches, wie er ſagt, Gott ihm gegeben hat. Dieſe<lb/>
Worte enthalten einen leiſen Vorwurf daruͤber, daß<lb/>
Gott ihm eine ſo verfuͤhreriſche Ehehaͤlfte zugeſellt<lb/>
hatte. Die Schlange wird am Ende verurtheilt,<lb/>
auf ihrem Bauche zu kriechen, und kuͤnftig, ſtatt<lb/>
der Aepfel und Birnen, Erde zu eſſen. Dies iſt<lb/>
die Urſache, warum ſie auch jetzt nicht, wie der<lb/>
Adler und die Lerche in der Luft fliegt, oder wie<lb/>
der Hirſch und das muntere Roß auf vier Beinen<lb/>
umher ſpringt, ſondern — kriecht. Von der vor-<lb/>
geſchriebenen Diaͤt ſind aber bekanntlich die unge-<lb/>
horſamen Schlangen ſehr abgewichen, da ſie be-<lb/>
kanntlich nicht von Erde, ſondern von andern Din-<lb/>
gen ſich naͤhren. Adam ward verurtheilt, zu ar-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[108/0142]
den iſt, geht Gott im Garten ſpazieren *). Die
Menſchen verſtecken ſich vor ihm, und weil er ſie
wahrſcheinlich nicht ſieht, ſo ruft er: Adam, wo
biſt du? Aengſtlich kriechen ſie mit ihren Feigen-
blaͤttern hervor, und nun wird mit ihnen und der
Schlange ein peinliches Verhoͤr angeſtellt, denn der
Gerechtigkeitliebende Gott macht es nicht, wie der
taͤgliche Rath in Luzern mit Troxler, den man
verdammte, ohne ihn hoͤren zu wollen. Das Weib
ſchiebt ihre Schuld der Schlange in die Schuhe,
und Adam waͤlzt die ſeinige auf das Weib, wel-
ches, wie er ſagt, Gott ihm gegeben hat. Dieſe
Worte enthalten einen leiſen Vorwurf daruͤber, daß
Gott ihm eine ſo verfuͤhreriſche Ehehaͤlfte zugeſellt
hatte. Die Schlange wird am Ende verurtheilt,
auf ihrem Bauche zu kriechen, und kuͤnftig, ſtatt
der Aepfel und Birnen, Erde zu eſſen. Dies iſt
die Urſache, warum ſie auch jetzt nicht, wie der
Adler und die Lerche in der Luft fliegt, oder wie
der Hirſch und das muntere Roß auf vier Beinen
umher ſpringt, ſondern — kriecht. Von der vor-
geſchriebenen Diaͤt ſind aber bekanntlich die unge-
horſamen Schlangen ſehr abgewichen, da ſie be-
kanntlich nicht von Erde, ſondern von andern Din-
gen ſich naͤhren. Adam ward verurtheilt, zu ar-
*) Jn der Zuͤrcher Ueberſetzung heißt es woͤrtlich: „Er
ſpazierete im Garten.‟ Wie klein und wie menſch-
lich!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/142>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.