Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

den ist, geht Gott im Garten spazieren *). Die
Menschen verstecken sich vor ihm, und weil er sie
wahrscheinlich nicht sieht, so ruft er: Adam, wo
bist du? Aengstlich kriechen sie mit ihren Feigen-
blättern hervor, und nun wird mit ihnen und der
Schlange ein peinliches Verhör angestellt, denn der
Gerechtigkeitliebende Gott macht es nicht, wie der
tägliche Rath in Luzern mit Troxler, den man
verdammte, ohne ihn hören zu wollen. Das Weib
schiebt ihre Schuld der Schlange in die Schuhe,
und Adam wälzt die seinige auf das Weib, wel-
ches, wie er sagt, Gott ihm gegeben hat. Diese
Worte enthalten einen leisen Vorwurf darüber, daß
Gott ihm eine so verführerische Ehehälfte zugesellt
hatte. Die Schlange wird am Ende verurtheilt,
auf ihrem Bauche zu kriechen, und künftig, statt
der Aepfel und Birnen, Erde zu essen. Dies ist
die Ursache, warum sie auch jetzt nicht, wie der
Adler und die Lerche in der Luft fliegt, oder wie
der Hirsch und das muntere Roß auf vier Beinen
umher springt, sondern -- kriecht. Von der vor-
geschriebenen Diät sind aber bekanntlich die unge-
horsamen Schlangen sehr abgewichen, da sie be-
kanntlich nicht von Erde, sondern von andern Din-
gen sich nähren. Adam ward verurtheilt, zu ar-

*) Jn der Zürcher Uebersetzung heißt es wörtlich: "Er
spazierete im Garten." Wie klein und wie mensch-
lich!

den iſt, geht Gott im Garten ſpazieren *). Die
Menſchen verſtecken ſich vor ihm, und weil er ſie
wahrſcheinlich nicht ſieht, ſo ruft er: Adam, wo
biſt du? Aengſtlich kriechen ſie mit ihren Feigen-
blaͤttern hervor, und nun wird mit ihnen und der
Schlange ein peinliches Verhoͤr angeſtellt, denn der
Gerechtigkeitliebende Gott macht es nicht, wie der
taͤgliche Rath in Luzern mit Troxler, den man
verdammte, ohne ihn hoͤren zu wollen. Das Weib
ſchiebt ihre Schuld der Schlange in die Schuhe,
und Adam waͤlzt die ſeinige auf das Weib, wel-
ches, wie er ſagt, Gott ihm gegeben hat. Dieſe
Worte enthalten einen leiſen Vorwurf daruͤber, daß
Gott ihm eine ſo verfuͤhreriſche Ehehaͤlfte zugeſellt
hatte. Die Schlange wird am Ende verurtheilt,
auf ihrem Bauche zu kriechen, und kuͤnftig, ſtatt
der Aepfel und Birnen, Erde zu eſſen. Dies iſt
die Urſache, warum ſie auch jetzt nicht, wie der
Adler und die Lerche in der Luft fliegt, oder wie
der Hirſch und das muntere Roß auf vier Beinen
umher ſpringt, ſondern — kriecht. Von der vor-
geſchriebenen Diaͤt ſind aber bekanntlich die unge-
horſamen Schlangen ſehr abgewichen, da ſie be-
kanntlich nicht von Erde, ſondern von andern Din-
gen ſich naͤhren. Adam ward verurtheilt, zu ar-

*) Jn der Zuͤrcher Ueberſetzung heißt es woͤrtlich: „Er
ſpazierete im Garten.‟ Wie klein und wie menſch-
lich!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0142" n="108"/>
den i&#x017F;t, geht Gott im Garten &#x017F;pazieren <note place="foot" n="*)">Jn der Zu&#x0364;rcher Ueber&#x017F;etzung heißt es wo&#x0364;rtlich: &#x201E;Er<lb/>
&#x017F;pazierete im Garten.&#x201F; Wie klein und wie men&#x017F;ch-<lb/>
lich!</note>. Die<lb/>
Men&#x017F;chen ver&#x017F;tecken &#x017F;ich vor ihm, und weil er &#x017F;ie<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich nicht &#x017F;ieht, &#x017F;o ruft er: Adam, wo<lb/>
bi&#x017F;t du? Aeng&#x017F;tlich kriechen &#x017F;ie mit ihren Feigen-<lb/>
bla&#x0364;ttern hervor, und nun wird mit ihnen und der<lb/>
Schlange ein peinliches Verho&#x0364;r ange&#x017F;tellt, denn der<lb/>
Gerechtigkeitliebende Gott macht es nicht, wie der<lb/>
ta&#x0364;gliche Rath in Luzern mit Troxler, den man<lb/>
verdammte, ohne ihn ho&#x0364;ren zu wollen. Das Weib<lb/>
&#x017F;chiebt ihre Schuld der Schlange in die Schuhe,<lb/>
und Adam wa&#x0364;lzt die &#x017F;einige auf das Weib, wel-<lb/>
ches, wie er &#x017F;agt, Gott ihm gegeben hat. Die&#x017F;e<lb/>
Worte enthalten einen lei&#x017F;en Vorwurf daru&#x0364;ber, daß<lb/>
Gott ihm eine &#x017F;o verfu&#x0364;hreri&#x017F;che Eheha&#x0364;lfte zuge&#x017F;ellt<lb/>
hatte. Die Schlange wird am Ende verurtheilt,<lb/>
auf ihrem Bauche zu kriechen, und ku&#x0364;nftig, &#x017F;tatt<lb/>
der Aepfel und Birnen, Erde zu e&#x017F;&#x017F;en. Dies i&#x017F;t<lb/>
die Ur&#x017F;ache, warum &#x017F;ie auch jetzt nicht, wie der<lb/>
Adler und die Lerche in der Luft fliegt, oder wie<lb/>
der Hir&#x017F;ch und das muntere Roß auf vier Beinen<lb/>
umher &#x017F;pringt, &#x017F;ondern &#x2014; kriecht. Von der vor-<lb/>
ge&#x017F;chriebenen Dia&#x0364;t &#x017F;ind aber bekanntlich die unge-<lb/>
hor&#x017F;amen Schlangen &#x017F;ehr abgewichen, da &#x017F;ie be-<lb/>
kanntlich nicht von Erde, &#x017F;ondern von andern Din-<lb/>
gen &#x017F;ich na&#x0364;hren. Adam ward verurtheilt, zu ar-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0142] den iſt, geht Gott im Garten ſpazieren *). Die Menſchen verſtecken ſich vor ihm, und weil er ſie wahrſcheinlich nicht ſieht, ſo ruft er: Adam, wo biſt du? Aengſtlich kriechen ſie mit ihren Feigen- blaͤttern hervor, und nun wird mit ihnen und der Schlange ein peinliches Verhoͤr angeſtellt, denn der Gerechtigkeitliebende Gott macht es nicht, wie der taͤgliche Rath in Luzern mit Troxler, den man verdammte, ohne ihn hoͤren zu wollen. Das Weib ſchiebt ihre Schuld der Schlange in die Schuhe, und Adam waͤlzt die ſeinige auf das Weib, wel- ches, wie er ſagt, Gott ihm gegeben hat. Dieſe Worte enthalten einen leiſen Vorwurf daruͤber, daß Gott ihm eine ſo verfuͤhreriſche Ehehaͤlfte zugeſellt hatte. Die Schlange wird am Ende verurtheilt, auf ihrem Bauche zu kriechen, und kuͤnftig, ſtatt der Aepfel und Birnen, Erde zu eſſen. Dies iſt die Urſache, warum ſie auch jetzt nicht, wie der Adler und die Lerche in der Luft fliegt, oder wie der Hirſch und das muntere Roß auf vier Beinen umher ſpringt, ſondern — kriecht. Von der vor- geſchriebenen Diaͤt ſind aber bekanntlich die unge- horſamen Schlangen ſehr abgewichen, da ſie be- kanntlich nicht von Erde, ſondern von andern Din- gen ſich naͤhren. Adam ward verurtheilt, zu ar- *) Jn der Zuͤrcher Ueberſetzung heißt es woͤrtlich: „Er ſpazierete im Garten.‟ Wie klein und wie menſch- lich!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/142
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/142>, abgerufen am 21.11.2024.