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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

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samkeit; so gieng er dem Moses entgegen. Als er
sahe, daß dieser saß und den Schemhamphorasch
schrieb, und daß der Glanz seiner Gestalt der Sonne
und einem Engel des Herrn der Herrlichkeit gleich
war, fürchtete er sich vor Moses und dachte:
Wahrlich die Engel können ihm seine Seele nicht
nehmen. Den Sammael überfiel ein Zittern und
ein Schmerz, wie die Wehen einer Gebährenden.
Moses wußte aber schon, ehe er noch den gottlosen
Sammael sahe, daß dieser zu ihm kommen würde;
darum schrieb er den Schemhamphorasch. Als der
Todesengel nun den Moses nicht anzureden wagte,
sprach dieser zu ihm: die Gottlosen haben keinen
Frieden, spricht der Herr! Was willst du bei mir?
Jch bin gekommen, antwortete Sammael, deine
Seele abzuholen. Wer hat dich geschickt? fragte
Moses. Der, welcher alle Geschöpfe erschaffen hat!
erwiederte der Engel des Todes. Moses aber
sprach: Du nimmst mir die Seele nicht! Die See-
len aller, so in der Welt leben, sind in meine
Gewalt gegeben! sagte Sammael. Und ich, versetzte
Moses, habe mehr Macht, als alle, die jemals in
die Welt gekommen sind. Als Sammael hierauf
fragte: worin seine Macht bestehe, erwiederte er:
Jch bin der Sohn Amrams, und bin beschnitten aus
Mutterleibe gekommen, so daß ich keiner Beschnei-
dung bedurfte. An demselben Tage, als ich gebo-
ren wurde, ward mein Mund geöffnet, daß ich
reden konnte, und ich gieng auf meinen Füßen, und

ſamkeit; ſo gieng er dem Moſes entgegen. Als er
ſahe, daß dieſer ſaß und den Schemhamphoraſch
ſchrieb, und daß der Glanz ſeiner Geſtalt der Sonne
und einem Engel des Herrn der Herrlichkeit gleich
war, fuͤrchtete er ſich vor Moſes und dachte:
Wahrlich die Engel koͤnnen ihm ſeine Seele nicht
nehmen. Den Sammael uͤberfiel ein Zittern und
ein Schmerz, wie die Wehen einer Gebaͤhrenden.
Moſes wußte aber ſchon, ehe er noch den gottloſen
Sammael ſahe, daß dieſer zu ihm kommen wuͤrde;
darum ſchrieb er den Schemhamphoraſch. Als der
Todesengel nun den Moſes nicht anzureden wagte,
ſprach dieſer zu ihm: die Gottloſen haben keinen
Frieden, ſpricht der Herr! Was willſt du bei mir?
Jch bin gekommen, antwortete Sammael, deine
Seele abzuholen. Wer hat dich geſchickt? fragte
Moſes. Der, welcher alle Geſchoͤpfe erſchaffen hat!
erwiederte der Engel des Todes. Moſes aber
ſprach: Du nimmſt mir die Seele nicht! Die See-
len aller, ſo in der Welt leben, ſind in meine
Gewalt gegeben! ſagte Sammael. Und ich, verſetzte
Moſes, habe mehr Macht, als alle, die jemals in
die Welt gekommen ſind. Als Sammael hierauf
fragte: worin ſeine Macht beſtehe, erwiederte er:
Jch bin der Sohn Amrams, und bin beſchnitten aus
Mutterleibe gekommen, ſo daß ich keiner Beſchnei-
dung bedurfte. An demſelben Tage, als ich gebo-
ren wurde, ward mein Mund geoͤffnet, daß ich
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[134/0168] ſamkeit; ſo gieng er dem Moſes entgegen. Als er ſahe, daß dieſer ſaß und den Schemhamphoraſch ſchrieb, und daß der Glanz ſeiner Geſtalt der Sonne und einem Engel des Herrn der Herrlichkeit gleich war, fuͤrchtete er ſich vor Moſes und dachte: Wahrlich die Engel koͤnnen ihm ſeine Seele nicht nehmen. Den Sammael uͤberfiel ein Zittern und ein Schmerz, wie die Wehen einer Gebaͤhrenden. Moſes wußte aber ſchon, ehe er noch den gottloſen Sammael ſahe, daß dieſer zu ihm kommen wuͤrde; darum ſchrieb er den Schemhamphoraſch. Als der Todesengel nun den Moſes nicht anzureden wagte, ſprach dieſer zu ihm: die Gottloſen haben keinen Frieden, ſpricht der Herr! Was willſt du bei mir? Jch bin gekommen, antwortete Sammael, deine Seele abzuholen. Wer hat dich geſchickt? fragte Moſes. Der, welcher alle Geſchoͤpfe erſchaffen hat! erwiederte der Engel des Todes. Moſes aber ſprach: Du nimmſt mir die Seele nicht! Die See- len aller, ſo in der Welt leben, ſind in meine Gewalt gegeben! ſagte Sammael. Und ich, verſetzte Moſes, habe mehr Macht, als alle, die jemals in die Welt gekommen ſind. Als Sammael hierauf fragte: worin ſeine Macht beſtehe, erwiederte er: Jch bin der Sohn Amrams, und bin beſchnitten aus Mutterleibe gekommen, ſo daß ich keiner Beſchnei- dung bedurfte. An demſelben Tage, als ich gebo- ren wurde, ward mein Mund geoͤffnet, daß ich reden konnte, und ich gieng auf meinen Fuͤßen, und

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/168>, abgerufen am 27.11.2024.