Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

entgelten, was der Vater und Großvater verschul-
det hatten! Sie hatten Gefallen an Flittern und
äusserm Prunkwerk; ihr Gott desgleichen. Diese
Jdeen fand Moses bei seinem Volke, und sie muß-
te er benutzen, ihnen mußte er sich anschmiegen,
wenn seine Religionslehre und sein Kultus gefallen
sollten. Er benutzte sie wirklich, so gut ers ver-
mochte, und stellte seinen Jsraeliten so wie sie selbst
ihn sich dachten, Gott als ein sehr eifriges, rachgie-
riges, blutdürstiges und eine orientalisch-sklavische
Verehrung heischendes Wesen dar; aber zugleich
als ein Wesen, welches einen Greuel an allen den
Lastern und Verbrechen fand, denen sie so leiden-
schaftlich zugethan waren. Er drohete ihnen mit
irdischen Strafen bis ins vierte Glied, wenn sie
Gottes Gebote übertreten, und verhieß ihnen Be-
lohnungen bis ins tausende Glied, wenn sie diesel-
ben befolgen würden. Moses handelte besonders
darin als ein großer und edler Mensch, und als
ein sehr weiser Gesetzgeber, daß er die religiösen
Vorurtheile der Juden, welche er, so lange dies
Volk auf einer so niedrigen Stufe geistiger Aus-
bildung stand, nicht stürzen konnte, dazu benutzte,
es aus dem Zustande der Thierheit, worein es ver-
sunken war, allmählich empor zu heben. Hätte
er, wie unser göttlicher Erlöser, ihnen Gott als
einen allliebenden und unendlich gütigen Vater aller
Menschen geschildert, und sich weniger ihren rohen
Begriffen angeschmiegt, so würden seine Gesetze

entgelten, was der Vater und Großvater verſchul-
det hatten! Sie hatten Gefallen an Flittern und
aͤuſſerm Prunkwerk; ihr Gott desgleichen. Dieſe
Jdeen fand Moſes bei ſeinem Volke, und ſie muß-
te er benutzen, ihnen mußte er ſich anſchmiegen,
wenn ſeine Religionslehre und ſein Kultus gefallen
ſollten. Er benutzte ſie wirklich, ſo gut ers ver-
mochte, und ſtellte ſeinen Jſraeliten ſo wie ſie ſelbſt
ihn ſich dachten, Gott als ein ſehr eifriges, rachgie-
riges, blutduͤrſtiges und eine orientaliſch-ſklaviſche
Verehrung heiſchendes Weſen dar; aber zugleich
als ein Weſen, welches einen Greuel an allen den
Laſtern und Verbrechen fand, denen ſie ſo leiden-
ſchaftlich zugethan waren. Er drohete ihnen mit
irdiſchen Strafen bis ins vierte Glied, wenn ſie
Gottes Gebote uͤbertreten, und verhieß ihnen Be-
lohnungen bis ins tauſende Glied, wenn ſie dieſel-
ben befolgen wuͤrden. Moſes handelte beſonders
darin als ein großer und edler Menſch, und als
ein ſehr weiſer Geſetzgeber, daß er die religioͤſen
Vorurtheile der Juden, welche er, ſo lange dies
Volk auf einer ſo niedrigen Stufe geiſtiger Aus-
bildung ſtand, nicht ſtuͤrzen konnte, dazu benutzte,
es aus dem Zuſtande der Thierheit, worein es ver-
ſunken war, allmaͤhlich empor zu heben. Haͤtte
er, wie unſer goͤttlicher Erloͤſer, ihnen Gott als
einen allliebenden und unendlich guͤtigen Vater aller
Menſchen geſchildert, und ſich weniger ihren rohen
Begriffen angeſchmiegt, ſo wuͤrden ſeine Geſetze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="46"/>
entgelten, was der Vater und Großvater ver&#x017F;chul-<lb/>
det hatten! Sie hatten Gefallen an Flittern und<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erm Prunkwerk; ihr Gott desgleichen. Die&#x017F;e<lb/>
Jdeen fand Mo&#x017F;es bei &#x017F;einem Volke, und &#x017F;ie muß-<lb/>
te er benutzen, ihnen mußte er &#x017F;ich an&#x017F;chmiegen,<lb/>
wenn &#x017F;eine Religionslehre und &#x017F;ein Kultus gefallen<lb/>
&#x017F;ollten. Er benutzte &#x017F;ie wirklich, &#x017F;o gut ers ver-<lb/>
mochte, und &#x017F;tellte &#x017F;einen J&#x017F;raeliten &#x017F;o wie &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ihn &#x017F;ich dachten, Gott als ein &#x017F;ehr eifriges, rachgie-<lb/>
riges, blutdu&#x0364;r&#x017F;tiges und eine orientali&#x017F;ch-&#x017F;klavi&#x017F;che<lb/>
Verehrung hei&#x017F;chendes We&#x017F;en dar; aber zugleich<lb/>
als ein We&#x017F;en, welches einen Greuel an allen den<lb/>
La&#x017F;tern und Verbrechen fand, denen &#x017F;ie &#x017F;o leiden-<lb/>
&#x017F;chaftlich zugethan waren. Er drohete ihnen mit<lb/>
irdi&#x017F;chen Strafen bis ins vierte Glied, wenn &#x017F;ie<lb/>
Gottes Gebote u&#x0364;bertreten, und verhieß ihnen Be-<lb/>
lohnungen bis ins tau&#x017F;ende Glied, wenn &#x017F;ie die&#x017F;el-<lb/>
ben befolgen wu&#x0364;rden. Mo&#x017F;es handelte be&#x017F;onders<lb/>
darin als ein großer und edler Men&#x017F;ch, und als<lb/>
ein &#x017F;ehr wei&#x017F;er Ge&#x017F;etzgeber, daß er die religio&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Vorurtheile der Juden, welche er, &#x017F;o lange dies<lb/>
Volk auf einer &#x017F;o niedrigen Stufe gei&#x017F;tiger Aus-<lb/>
bildung &#x017F;tand, nicht &#x017F;tu&#x0364;rzen konnte, dazu benutzte,<lb/>
es aus dem Zu&#x017F;tande der Thierheit, worein es ver-<lb/>
&#x017F;unken war, allma&#x0364;hlich empor zu heben. Ha&#x0364;tte<lb/>
er, wie un&#x017F;er go&#x0364;ttlicher Erlo&#x0364;&#x017F;er, ihnen Gott als<lb/>
einen allliebenden und unendlich gu&#x0364;tigen Vater aller<lb/>
Men&#x017F;chen ge&#x017F;childert, und &#x017F;ich weniger ihren rohen<lb/>
Begriffen ange&#x017F;chmiegt, &#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;eine Ge&#x017F;etze<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0080] entgelten, was der Vater und Großvater verſchul- det hatten! Sie hatten Gefallen an Flittern und aͤuſſerm Prunkwerk; ihr Gott desgleichen. Dieſe Jdeen fand Moſes bei ſeinem Volke, und ſie muß- te er benutzen, ihnen mußte er ſich anſchmiegen, wenn ſeine Religionslehre und ſein Kultus gefallen ſollten. Er benutzte ſie wirklich, ſo gut ers ver- mochte, und ſtellte ſeinen Jſraeliten ſo wie ſie ſelbſt ihn ſich dachten, Gott als ein ſehr eifriges, rachgie- riges, blutduͤrſtiges und eine orientaliſch-ſklaviſche Verehrung heiſchendes Weſen dar; aber zugleich als ein Weſen, welches einen Greuel an allen den Laſtern und Verbrechen fand, denen ſie ſo leiden- ſchaftlich zugethan waren. Er drohete ihnen mit irdiſchen Strafen bis ins vierte Glied, wenn ſie Gottes Gebote uͤbertreten, und verhieß ihnen Be- lohnungen bis ins tauſende Glied, wenn ſie dieſel- ben befolgen wuͤrden. Moſes handelte beſonders darin als ein großer und edler Menſch, und als ein ſehr weiſer Geſetzgeber, daß er die religioͤſen Vorurtheile der Juden, welche er, ſo lange dies Volk auf einer ſo niedrigen Stufe geiſtiger Aus- bildung ſtand, nicht ſtuͤrzen konnte, dazu benutzte, es aus dem Zuſtande der Thierheit, worein es ver- ſunken war, allmaͤhlich empor zu heben. Haͤtte er, wie unſer goͤttlicher Erloͤſer, ihnen Gott als einen allliebenden und unendlich guͤtigen Vater aller Menſchen geſchildert, und ſich weniger ihren rohen Begriffen angeſchmiegt, ſo wuͤrden ſeine Geſetze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/80
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/80>, abgerufen am 21.11.2024.