aus der Erde und hob ihn hoch in die Luft. Der Berg aber glänzte wie ein Spiegel, und die Juden standen unter demselben."
Auf solche Weise war es freilich kein Wunder, daß sie sowohl das mündliche, als das schriftliche Gesetz annahmen.
Die Ursachen, warum Gott ihnen das münd- liche Gesetz nicht gleichfalls schriftlich gab, sind nach den Erzählungen der glaubwürdigsten Talmudisten folgende:
1) Als der heilige hochgelobte Gott sich auf den Sinai hernieder ließ, um den Jsraeliten das Ge- setz zu offenbaren, sagte er es dem Moses nach der Ordnung der Bibel, der Mischna, der Gemara und der Aggada *). Als Moses nun alles aus Gottes Munde gelernt hatte, sprach er: Du Herr der Welt, ich will es ihnen aufschreiben! Gott aber antwortete: Nicht schriftlich will ich es ihnen geben, denn ich weiß, daß die Gojim einst über sie herr- schen und es ihnen wegnehmen werden. Die Bibel sollen sie schriftlich, die Mischna, die Gemara und die Aggada aber blos mündlich empfangen.
2) Sahe Gott voraus, daß die Juden unter die Völker der Welt würden zerstreuet werden; deß- halb gab er ihnen blos die Bibel schriftlich, damit nicht das mündliche Gesetz gleichfalls von den Go- jim in ihre Sprachen übersetzt werden möchte.
*) Der Kabbalistischen Schriftanslegungen und Mähr- chen.
I. Bändchen. 9
aus der Erde und hob ihn hoch in die Luft. Der Berg aber glaͤnzte wie ein Spiegel, und die Juden ſtanden unter demſelben.‟
Auf ſolche Weiſe war es freilich kein Wunder, daß ſie ſowohl das muͤndliche, als das ſchriftliche Geſetz annahmen.
Die Urſachen, warum Gott ihnen das muͤnd- liche Geſetz nicht gleichfalls ſchriftlich gab, ſind nach den Erzaͤhlungen der glaubwuͤrdigſten Talmudiſten folgende:
1) Als der heilige hochgelobte Gott ſich auf den Sinai hernieder ließ, um den Jſraeliten das Ge- ſetz zu offenbaren, ſagte er es dem Moſes nach der Ordnung der Bibel, der Miſchna, der Gemara und der Aggada *). Als Moſes nun alles aus Gottes Munde gelernt hatte, ſprach er: Du Herr der Welt, ich will es ihnen aufſchreiben! Gott aber antwortete: Nicht ſchriftlich will ich es ihnen geben, denn ich weiß, daß die Gojim einſt uͤber ſie herr- ſchen und es ihnen wegnehmen werden. Die Bibel ſollen ſie ſchriftlich, die Miſchna, die Gemara und die Aggada aber blos muͤndlich empfangen.
2) Sahe Gott voraus, daß die Juden unter die Voͤlker der Welt wuͤrden zerſtreuet werden; deß- halb gab er ihnen blos die Bibel ſchriftlich, damit nicht das muͤndliche Geſetz gleichfalls von den Go- jim in ihre Sprachen uͤberſetzt werden moͤchte.
*) Der Kabbaliſtiſchen Schriftanslegungen und Maͤhr- chen.
I. Baͤndchen. 9
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0099"n="65"/>
aus der Erde und hob ihn hoch in die Luft. Der<lb/>
Berg aber glaͤnzte wie ein Spiegel, und die Juden<lb/>ſtanden unter demſelben.‟</p><lb/><p>Auf ſolche Weiſe war es freilich kein Wunder,<lb/>
daß ſie ſowohl das muͤndliche, als das ſchriftliche<lb/>
Geſetz annahmen.</p><lb/><p>Die Urſachen, warum Gott ihnen das muͤnd-<lb/>
liche Geſetz nicht gleichfalls ſchriftlich gab, ſind nach<lb/>
den Erzaͤhlungen der glaubwuͤrdigſten Talmudiſten<lb/>
folgende:</p><lb/><p>1) Als der heilige hochgelobte Gott ſich auf den<lb/>
Sinai hernieder ließ, um den Jſraeliten das Ge-<lb/>ſetz zu offenbaren, ſagte er es dem Moſes nach<lb/>
der Ordnung der Bibel, der Miſchna, der Gemara<lb/>
und der Aggada <noteplace="foot"n="*)">Der Kabbaliſtiſchen Schriftanslegungen und Maͤhr-<lb/>
chen.</note>. Als Moſes nun alles aus<lb/>
Gottes Munde gelernt hatte, ſprach er: Du Herr<lb/>
der Welt, ich will es ihnen aufſchreiben! Gott aber<lb/>
antwortete: Nicht ſchriftlich will ich es ihnen geben,<lb/>
denn ich weiß, daß die Gojim einſt uͤber ſie herr-<lb/>ſchen und es ihnen wegnehmen werden. Die Bibel<lb/>ſollen ſie ſchriftlich, die Miſchna, die Gemara und<lb/>
die Aggada aber blos muͤndlich empfangen.</p><lb/><p>2) Sahe Gott voraus, daß die Juden unter<lb/>
die Voͤlker der Welt wuͤrden zerſtreuet werden; deß-<lb/>
halb gab er ihnen blos die Bibel ſchriftlich, damit<lb/>
nicht das muͤndliche Geſetz gleichfalls von den Go-<lb/>
jim in ihre Sprachen uͤberſetzt werden moͤchte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">I.</hi> Baͤndchen. 9</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[65/0099]
aus der Erde und hob ihn hoch in die Luft. Der
Berg aber glaͤnzte wie ein Spiegel, und die Juden
ſtanden unter demſelben.‟
Auf ſolche Weiſe war es freilich kein Wunder,
daß ſie ſowohl das muͤndliche, als das ſchriftliche
Geſetz annahmen.
Die Urſachen, warum Gott ihnen das muͤnd-
liche Geſetz nicht gleichfalls ſchriftlich gab, ſind nach
den Erzaͤhlungen der glaubwuͤrdigſten Talmudiſten
folgende:
1) Als der heilige hochgelobte Gott ſich auf den
Sinai hernieder ließ, um den Jſraeliten das Ge-
ſetz zu offenbaren, ſagte er es dem Moſes nach
der Ordnung der Bibel, der Miſchna, der Gemara
und der Aggada *). Als Moſes nun alles aus
Gottes Munde gelernt hatte, ſprach er: Du Herr
der Welt, ich will es ihnen aufſchreiben! Gott aber
antwortete: Nicht ſchriftlich will ich es ihnen geben,
denn ich weiß, daß die Gojim einſt uͤber ſie herr-
ſchen und es ihnen wegnehmen werden. Die Bibel
ſollen ſie ſchriftlich, die Miſchna, die Gemara und
die Aggada aber blos muͤndlich empfangen.
2) Sahe Gott voraus, daß die Juden unter
die Voͤlker der Welt wuͤrden zerſtreuet werden; deß-
halb gab er ihnen blos die Bibel ſchriftlich, damit
nicht das muͤndliche Geſetz gleichfalls von den Go-
jim in ihre Sprachen uͤberſetzt werden moͤchte.
*) Der Kabbaliſtiſchen Schriftanslegungen und Maͤhr-
chen.
I. Baͤndchen. 9
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/99>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.