anzulehnen. Bei dem geringsten Fehler, wenn er z. B. einen Buchstaben verschlucken, oder unrichtig und undeutlich aussprechen sollte, wird er erinnert, und muß die ganze Vorlesung von Anfang an wie- derholen. So lange das Gesetzbuch offen ist, darf Riemand die Synagoge verlassen.
Nach beendigtem Lesen kömmt der Jnhaber des Amts Hagbohoh (des Aufhebens); hebt das Ge- setzbuch mit beiden Armen so hoch in die Höhe, wie es ihm möglich ist, und geht auf dem Almemor hin und her, damit Jeder die heilige Schrift sehen möge. Die entzückte Gemeine ruft, als ob sie ein Wunderthier sähe: Das ist das Gesetz, was Mo- ses den Kindern Jsrael vorgelegt hat! Um die Stärke seiner Arme zu zeigen, wirft der Hagbohoh- Beamte das ziemlich schwere Gesetzbuch oft meh- rere Male in die Höhe, und fängt es mit den Händen wieder auf, wofür er dann von den Lip- pen der jüdischen Schönen das schmeichelhafte Lob erndtet: daß er gar zu "schain gehagbohagt" habe.
Die armen Weiberchen sind am schlimmsten daran. Sie haben in den Synagogen einen eigenen abgesonderten Platz mit vergitterten Fenstern, da- mit ihr reizender Anblick keine böse Gedanken erre- gen, und ihr Geplauder die Andacht nicht stören kann. Wann nun gehagbohagt wird, gerathen sie in den entsetzlichsten Aufruhr, denn obgleich es
anzulehnen. Bei dem geringſten Fehler, wenn er z. B. einen Buchſtaben verſchlucken, oder unrichtig und undeutlich ausſprechen ſollte, wird er erinnert, und muß die ganze Vorleſung von Anfang an wie- derholen. So lange das Geſetzbuch offen iſt, darf Riemand die Synagoge verlaſſen.
Nach beendigtem Leſen koͤmmt der Jnhaber des Amts Hagbohoh (des Aufhebens); hebt das Ge- ſetzbuch mit beiden Armen ſo hoch in die Hoͤhe, wie es ihm moͤglich iſt, und geht auf dem Almemor hin und her, damit Jeder die heilige Schrift ſehen moͤge. Die entzuͤckte Gemeine ruft, als ob ſie ein Wunderthier ſaͤhe: Das iſt das Geſetz, was Mo- ſes den Kindern Jſrael vorgelegt hat! Um die Staͤrke ſeiner Arme zu zeigen, wirft der Hagbohoh- Beamte das ziemlich ſchwere Geſetzbuch oft meh- rere Male in die Hoͤhe, und faͤngt es mit den Haͤnden wieder auf, wofuͤr er dann von den Lip- pen der juͤdiſchen Schoͤnen das ſchmeichelhafte Lob erndtet: daß er gar zu »ſchain gehagbohagt« habe.
Die armen Weiberchen ſind am ſchlimmſten daran. Sie haben in den Synagogen einen eigenen abgeſonderten Platz mit vergitterten Fenſtern, da- mit ihr reizender Anblick keine boͤſe Gedanken erre- gen, und ihr Geplauder die Andacht nicht ſtoͤren kann. Wann nun gehagbohagt wird, gerathen ſie in den entſetzlichſten Aufruhr, denn obgleich es
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anzulehnen. Bei dem geringſten Fehler, wenn er
z. B. einen Buchſtaben verſchlucken, oder unrichtig
und undeutlich ausſprechen ſollte, wird er erinnert,
und muß die ganze Vorleſung von Anfang an wie-
derholen. So lange das Geſetzbuch offen iſt, darf
Riemand die Synagoge verlaſſen.
Nach beendigtem Leſen koͤmmt der Jnhaber des
Amts Hagbohoh (des Aufhebens); hebt das Ge-
ſetzbuch mit beiden Armen ſo hoch in die Hoͤhe, wie
es ihm moͤglich iſt, und geht auf dem Almemor
hin und her, damit Jeder die heilige Schrift ſehen
moͤge. Die entzuͤckte Gemeine ruft, als ob ſie ein
Wunderthier ſaͤhe: Das iſt das Geſetz, was Mo-
ſes den Kindern Jſrael vorgelegt hat! Um die
Staͤrke ſeiner Arme zu zeigen, wirft der Hagbohoh-
Beamte das ziemlich ſchwere Geſetzbuch oft meh-
rere Male in die Hoͤhe, und faͤngt es mit den
Haͤnden wieder auf, wofuͤr er dann von den Lip-
pen der juͤdiſchen Schoͤnen das ſchmeichelhafte Lob
erndtet: daß er gar zu »ſchain gehagbohagt«
habe.
Die armen Weiberchen ſind am ſchlimmſten
daran. Sie haben in den Synagogen einen eigenen
abgeſonderten Platz mit vergitterten Fenſtern, da-
mit ihr reizender Anblick keine boͤſe Gedanken erre-
gen, und ihr Geplauder die Andacht nicht ſtoͤren
kann. Wann nun gehagbohagt wird, gerathen
ſie in den entſetzlichſten Aufruhr, denn obgleich es
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/228>, abgerufen am 26.11.2024.
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