Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.kommen und sich beschädigen, welches auf einem so weiten und höckerichten Wege, wie von hier zum Paradiese leicht möglich ist; nur dieser Wunsch lei- tet mich, wenn ich über politische und religiöse Ge- genstände schreibe, und das Thörichte und Schäd- liche mancher kirchlichen und andern Possen und Pößchen darzustellen suche. Jch weiß es gar wohl, wie viel es kostet, sich von den Vorurtheilen der Jugend loszuwinden, und daß bei Manchem selbst dann, wenn er sich schon von ihnen befreiet glaubt, eine bange Sehnsucht nach dem eiteln Wahn seiner Kindheit und beunruhigende Zweifel gegen das, was die Vernunft ihn lehrt, erwachen. Wer die mensch- liche Natur kennt, den darf dies nicht befremden. Sehnt sich doch oft der Reiche zurück aus seinem goldnen Palaste nach der alten, baufälligen Hütte, wo er einst den granenvollen Mord - und Geister- geschichten der geliebten Mutter oder Amme lausch- te, sich in kindischem Spiel die Zeit vertrieb, und das schwarze Brod seiner Aeltern mit größerer Eß- lust, als jetzt seine kostbarsten Speisen, genoß! Jugendvorurtheile, auch wenn man sie als Vorur- theile und Albernheiten erkannt hat, haben eine außerordentliche Gewalt über die Seele des Men- schen, denn sie knüpfen sich an die süßesten Erinne- rungen seines Lebens; sind ihm geheiligt durch die Liebe und Ehrfurcht gegen die, welche sie ihm ein- pflanzten, und an die er noch mit Liebe und Ehr- furcht
kommen und ſich beſchaͤdigen, welches auf einem ſo weiten und hoͤckerichten Wege, wie von hier zum Paradieſe leicht moͤglich iſt; nur dieſer Wunſch lei- tet mich, wenn ich uͤber politiſche und religioͤſe Ge- genſtaͤnde ſchreibe, und das Thoͤrichte und Schaͤd- liche mancher kirchlichen und andern Poſſen und Poͤßchen darzuſtellen ſuche. Jch weiß es gar wohl, wie viel es koſtet, ſich von den Vorurtheilen der Jugend loszuwinden, und daß bei Manchem ſelbſt dann, wenn er ſich ſchon von ihnen befreiet glaubt, eine bange Sehnſucht nach dem eiteln Wahn ſeiner Kindheit und beunruhigende Zweifel gegen das, was die Vernunft ihn lehrt, erwachen. Wer die menſch- liche Natur kennt, den darf dies nicht befremden. Sehnt ſich doch oft der Reiche zuruͤck aus ſeinem goldnen Palaſte nach der alten, baufaͤlligen Huͤtte, wo er einſt den granenvollen Mord - und Geiſter- geſchichten der geliebten Mutter oder Amme lauſch- te, ſich in kindiſchem Spiel die Zeit vertrieb, und das ſchwarze Brod ſeiner Aeltern mit groͤßerer Eß- luſt, als jetzt ſeine koſtbarſten Speiſen, genoß! Jugendvorurtheile, auch wenn man ſie als Vorur- theile und Albernheiten erkannt hat, haben eine außerordentliche Gewalt uͤber die Seele des Men- ſchen, denn ſie knuͤpfen ſich an die ſuͤßeſten Erinne- rungen ſeines Lebens; ſind ihm geheiligt durch die Liebe und Ehrfurcht gegen die, welche ſie ihm ein- pflanzten, und an die er noch mit Liebe und Ehr- furcht
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0024" n="24"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> kommen und ſich beſchaͤdigen, welches auf einem ſo<lb/> weiten und hoͤckerichten Wege, wie von hier zum<lb/> Paradieſe leicht moͤglich iſt; nur dieſer Wunſch lei-<lb/> tet mich, wenn ich uͤber politiſche und religioͤſe Ge-<lb/> genſtaͤnde ſchreibe, und das Thoͤrichte und Schaͤd-<lb/> liche mancher kirchlichen und andern Poſſen und<lb/> Poͤßchen darzuſtellen ſuche. Jch weiß es gar wohl,<lb/> wie viel es koſtet, ſich von den Vorurtheilen der<lb/> Jugend loszuwinden, und daß bei Manchem ſelbſt<lb/> dann, wenn er ſich ſchon von ihnen befreiet glaubt,<lb/> eine bange Sehnſucht nach dem eiteln Wahn ſeiner<lb/> Kindheit und beunruhigende Zweifel gegen das, was<lb/> die Vernunft ihn lehrt, erwachen. Wer die menſch-<lb/> liche Natur kennt, den darf dies nicht befremden.<lb/> Sehnt ſich doch oft der Reiche zuruͤck aus ſeinem<lb/> goldnen Palaſte nach der alten, baufaͤlligen Huͤtte,<lb/> wo er einſt den granenvollen Mord - und Geiſter-<lb/> geſchichten der geliebten Mutter oder Amme lauſch-<lb/> te, ſich in kindiſchem Spiel die Zeit vertrieb, und<lb/> das ſchwarze Brod ſeiner Aeltern mit groͤßerer Eß-<lb/> luſt, als jetzt ſeine koſtbarſten Speiſen, genoß!<lb/> Jugendvorurtheile, auch wenn man ſie als Vorur-<lb/> theile und Albernheiten erkannt hat, haben eine<lb/> außerordentliche Gewalt uͤber die Seele des Men-<lb/> ſchen, denn ſie knuͤpfen ſich an die ſuͤßeſten Erinne-<lb/> rungen ſeines Lebens; ſind ihm geheiligt durch die<lb/> Liebe und Ehrfurcht gegen die, welche ſie ihm ein-<lb/> pflanzten, und an die er noch mit Liebe und Ehr-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">furcht</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0024]
kommen und ſich beſchaͤdigen, welches auf einem ſo
weiten und hoͤckerichten Wege, wie von hier zum
Paradieſe leicht moͤglich iſt; nur dieſer Wunſch lei-
tet mich, wenn ich uͤber politiſche und religioͤſe Ge-
genſtaͤnde ſchreibe, und das Thoͤrichte und Schaͤd-
liche mancher kirchlichen und andern Poſſen und
Poͤßchen darzuſtellen ſuche. Jch weiß es gar wohl,
wie viel es koſtet, ſich von den Vorurtheilen der
Jugend loszuwinden, und daß bei Manchem ſelbſt
dann, wenn er ſich ſchon von ihnen befreiet glaubt,
eine bange Sehnſucht nach dem eiteln Wahn ſeiner
Kindheit und beunruhigende Zweifel gegen das, was
die Vernunft ihn lehrt, erwachen. Wer die menſch-
liche Natur kennt, den darf dies nicht befremden.
Sehnt ſich doch oft der Reiche zuruͤck aus ſeinem
goldnen Palaſte nach der alten, baufaͤlligen Huͤtte,
wo er einſt den granenvollen Mord - und Geiſter-
geſchichten der geliebten Mutter oder Amme lauſch-
te, ſich in kindiſchem Spiel die Zeit vertrieb, und
das ſchwarze Brod ſeiner Aeltern mit groͤßerer Eß-
luſt, als jetzt ſeine koſtbarſten Speiſen, genoß!
Jugendvorurtheile, auch wenn man ſie als Vorur-
theile und Albernheiten erkannt hat, haben eine
außerordentliche Gewalt uͤber die Seele des Men-
ſchen, denn ſie knuͤpfen ſich an die ſuͤßeſten Erinne-
rungen ſeines Lebens; ſind ihm geheiligt durch die
Liebe und Ehrfurcht gegen die, welche ſie ihm ein-
pflanzten, und an die er noch mit Liebe und Ehr-
furcht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |