Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

den arm werden. Durch Kabinetsbefehle wird man
die Gerechtigkeitspflege in eine Pflege der Unge-
rechtigkeit verwandeln, wegen erdichteter Verschwö-
rungsentwürfe die rechtlichsten Männer in Ketten
und Banden, und wohl gar auf das Blutgerüst
bringen; durch Mangins und Wölfels wird man
Unzufriedene aufreizen, ihr Mißvergnügen laut
werden zu lassen, um sie dann unter dem Schein
des Rechts auf die Seite zu schaffen.

Keine Grausamkeit, die Tyrannen sich jemals
erlaubten, ist schändlicher, als Einmischung in die
Gerichtspflege. Wo der Richter nicht nach dem
Gesetz und seinem Gewissen, sondern nach dem
Willen des Fürsten oder Ministers urtheilen, der
Sachwalter nicht frei und ohne Furcht das Recht
seiner Parthei vertheidigen darf; da ist der Staat
als aufgelöst zu betrachten und der Bürger nicht
mehr zum Gehorsam gegen den Machthaber ver-
pflichtet, denn wo der Fürst nicht die Rechte des
Menschen achtet, da sind seine Unterthanen nicht
länger verbunden, ihn auf dem Throne zu dulden.
Der Zweck jedes Staats ist Sicherung der Rechte
seiner Mitglieder; wenn man diesen Zweck ver-
kennt und aus den Augen setzt, so hören auch die
Verbindlichkeiten Aller gegen den Einzelnen und
des Einzelnen gegen Alle auf, und Jeder tritt in
den Stand der Natur zurück. Ob dieser nicht häu-
fig besser und wünschenswerther, als das Leben in

den arm werden. Durch Kabinetsbefehle wird man
die Gerechtigkeitspflege in eine Pflege der Unge-
rechtigkeit verwandeln, wegen erdichteter Verſchwoͤ-
rungsentwuͤrfe die rechtlichſten Maͤnner in Ketten
und Banden, und wohl gar auf das Blutgeruͤſt
bringen; durch Mangins und Woͤlfels wird man
Unzufriedene aufreizen, ihr Mißvergnuͤgen laut
werden zu laſſen, um ſie dann unter dem Schein
des Rechts auf die Seite zu ſchaffen.

Keine Grauſamkeit, die Tyrannen ſich jemals
erlaubten, iſt ſchaͤndlicher, als Einmiſchung in die
Gerichtspflege. Wo der Richter nicht nach dem
Geſetz und ſeinem Gewiſſen, ſondern nach dem
Willen des Fuͤrſten oder Miniſters urtheilen, der
Sachwalter nicht frei und ohne Furcht das Recht
ſeiner Parthei vertheidigen darf; da iſt der Staat
als aufgeloͤst zu betrachten und der Buͤrger nicht
mehr zum Gehorſam gegen den Machthaber ver-
pflichtet, denn wo der Fuͤrſt nicht die Rechte des
Menſchen achtet, da ſind ſeine Unterthanen nicht
laͤnger verbunden, ihn auf dem Throne zu dulden.
Der Zweck jedes Staats iſt Sicherung der Rechte
ſeiner Mitglieder; wenn man dieſen Zweck ver-
kennt und aus den Augen ſetzt, ſo hoͤren auch die
Verbindlichkeiten Aller gegen den Einzelnen und
des Einzelnen gegen Alle auf, und Jeder tritt in
den Stand der Natur zuruͤck. Ob dieſer nicht haͤu-
fig beſſer und wuͤnſchenswerther, als das Leben in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="172"/>
den arm werden. Durch Kabinetsbefehle wird man<lb/>
die Gerechtigkeitspflege in eine Pflege der Unge-<lb/>
rechtigkeit verwandeln, wegen erdichteter Ver&#x017F;chwo&#x0364;-<lb/>
rungsentwu&#x0364;rfe die rechtlich&#x017F;ten Ma&#x0364;nner in Ketten<lb/>
und Banden, und wohl gar auf das Blutgeru&#x0364;&#x017F;t<lb/>
bringen; durch Mangins und Wo&#x0364;lfels wird man<lb/>
Unzufriedene aufreizen, ihr Mißvergnu&#x0364;gen laut<lb/>
werden zu la&#x017F;&#x017F;en, um &#x017F;ie dann unter dem Schein<lb/>
des Rechts auf die Seite zu &#x017F;chaffen.</p><lb/>
        <p>Keine Grau&#x017F;amkeit, die Tyrannen &#x017F;ich jemals<lb/>
erlaubten, i&#x017F;t &#x017F;cha&#x0364;ndlicher, als Einmi&#x017F;chung in die<lb/>
Gerichtspflege. Wo der Richter nicht nach dem<lb/>
Ge&#x017F;etz und &#x017F;einem Gewi&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern nach dem<lb/>
Willen des Fu&#x0364;r&#x017F;ten oder Mini&#x017F;ters urtheilen, der<lb/>
Sachwalter nicht frei und ohne Furcht das Recht<lb/>
&#x017F;einer Parthei vertheidigen darf; da i&#x017F;t der Staat<lb/>
als aufgelo&#x0364;st zu betrachten und der Bu&#x0364;rger nicht<lb/>
mehr zum Gehor&#x017F;am gegen den Machthaber ver-<lb/>
pflichtet, denn wo der Fu&#x0364;r&#x017F;t nicht die Rechte des<lb/>
Men&#x017F;chen achtet, da &#x017F;ind &#x017F;eine Unterthanen nicht<lb/>
la&#x0364;nger verbunden, ihn auf dem Throne zu dulden.<lb/>
Der Zweck jedes Staats i&#x017F;t Sicherung der Rechte<lb/>
&#x017F;einer Mitglieder; wenn man die&#x017F;en Zweck ver-<lb/>
kennt und aus den Augen &#x017F;etzt, &#x017F;o ho&#x0364;ren auch die<lb/>
Verbindlichkeiten Aller gegen den Einzelnen und<lb/>
des Einzelnen gegen Alle auf, und Jeder tritt in<lb/>
den Stand der Natur zuru&#x0364;ck. Ob die&#x017F;er nicht ha&#x0364;u-<lb/>
fig be&#x017F;&#x017F;er und wu&#x0364;n&#x017F;chenswerther, als das Leben in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0172] den arm werden. Durch Kabinetsbefehle wird man die Gerechtigkeitspflege in eine Pflege der Unge- rechtigkeit verwandeln, wegen erdichteter Verſchwoͤ- rungsentwuͤrfe die rechtlichſten Maͤnner in Ketten und Banden, und wohl gar auf das Blutgeruͤſt bringen; durch Mangins und Woͤlfels wird man Unzufriedene aufreizen, ihr Mißvergnuͤgen laut werden zu laſſen, um ſie dann unter dem Schein des Rechts auf die Seite zu ſchaffen. Keine Grauſamkeit, die Tyrannen ſich jemals erlaubten, iſt ſchaͤndlicher, als Einmiſchung in die Gerichtspflege. Wo der Richter nicht nach dem Geſetz und ſeinem Gewiſſen, ſondern nach dem Willen des Fuͤrſten oder Miniſters urtheilen, der Sachwalter nicht frei und ohne Furcht das Recht ſeiner Parthei vertheidigen darf; da iſt der Staat als aufgeloͤst zu betrachten und der Buͤrger nicht mehr zum Gehorſam gegen den Machthaber ver- pflichtet, denn wo der Fuͤrſt nicht die Rechte des Menſchen achtet, da ſind ſeine Unterthanen nicht laͤnger verbunden, ihn auf dem Throne zu dulden. Der Zweck jedes Staats iſt Sicherung der Rechte ſeiner Mitglieder; wenn man dieſen Zweck ver- kennt und aus den Augen ſetzt, ſo hoͤren auch die Verbindlichkeiten Aller gegen den Einzelnen und des Einzelnen gegen Alle auf, und Jeder tritt in den Stand der Natur zuruͤck. Ob dieſer nicht haͤu- fig beſſer und wuͤnſchenswerther, als das Leben in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/172
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/172>, abgerufen am 15.05.2024.