Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

und Staatsumwälzungen nicht haben brechen kön-
nen. Pfaffendemuth ist keine Veilchendemuth, son-
dern die Demuth des Epheu, welches schmarotzend
an dem hohen Eichbaum emporkriecht, und selbst
dessen Krone zu überranken strebt. Möge der hei-
lige Vater im Vatikan tausendmal versichern, daß
er ein Knecht der Knechte Gottes sey; mögen un-
fere katholischen und protestantischen Leviten noch
so oft betheuern, daß "sie sich zwar für berufene,
aber für unwürdige Diener ihres Herrn und Hei-
landes halten; daß sie viel zu geringe sind aller
Barmherzigkeit und Treue, die Gott an ihnen ge-
than hat;" man traue ihnen nicht; sie treiben ei-
nen höflichen Scherz, und würden es sehr übel
nehmen, wenn man ihnen Recht geben wollte. Der
pfäffische Hochmuth, welcher so gerne sich in den
Mantel einer übergroßen Bescheidenheit hüllt, ist
um so schlimmer, da jeder Pfaffe sich einbildet,
oder doch der Welt einbilden möchte, daß er ein
höheres und heiligeres Wesen sey, als alle übrigen
Menschen. Durch die Ordination oder Priester-
weihe glaubt er sich in ein näheres, unmittelbares
Verhältniß mit Gott versetzt; er hält sich nicht für
einen Diener des Staats, sondern für einen Die-
ner der Gottheit. Wer ihn beleidigt, beleidigt
nicht den Menschen, sondern Gott selbst, dessen
Diener er ist, und daher ist es nicht Rachgier, son-
dern Pflicht, jede Kränkung auf das strengste zu

20 *

und Staatsumwaͤlzungen nicht haben brechen koͤn-
nen. Pfaffendemuth iſt keine Veilchendemuth, ſon-
dern die Demuth des Epheu, welches ſchmarotzend
an dem hohen Eichbaum emporkriecht, und ſelbſt
deſſen Krone zu uͤberranken ſtrebt. Moͤge der hei-
lige Vater im Vatikan tauſendmal verſichern, daß
er ein Knecht der Knechte Gottes ſey; moͤgen un-
fere katholiſchen und proteſtantiſchen Leviten noch
ſo oft betheuern, daß »ſie ſich zwar fuͤr berufene,
aber fuͤr unwuͤrdige Diener ihres Herrn und Hei-
landes halten; daß ſie viel zu geringe ſind aller
Barmherzigkeit und Treue, die Gott an ihnen ge-
than hat;« man traue ihnen nicht; ſie treiben ei-
nen hoͤflichen Scherz, und wuͤrden es ſehr uͤbel
nehmen, wenn man ihnen Recht geben wollte. Der
pfaͤffiſche Hochmuth, welcher ſo gerne ſich in den
Mantel einer uͤbergroßen Beſcheidenheit huͤllt, iſt
um ſo ſchlimmer, da jeder Pfaffe ſich einbildet,
oder doch der Welt einbilden moͤchte, daß er ein
hoͤheres und heiligeres Weſen ſey, als alle uͤbrigen
Menſchen. Durch die Ordination oder Prieſter-
weihe glaubt er ſich in ein naͤheres, unmittelbares
Verhaͤltniß mit Gott verſetzt; er haͤlt ſich nicht fuͤr
einen Diener des Staats, ſondern fuͤr einen Die-
ner der Gottheit. Wer ihn beleidigt, beleidigt
nicht den Menſchen, ſondern Gott ſelbſt, deſſen
Diener er iſt, und daher iſt es nicht Rachgier, ſon-
dern Pflicht, jede Kraͤnkung auf das ſtrengſte zu

20 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0235" n="235"/>
und Staatsumwa&#x0364;lzungen nicht haben brechen ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Pfaffendemuth i&#x017F;t keine Veilchendemuth, &#x017F;on-<lb/>
dern die Demuth des Epheu, welches &#x017F;chmarotzend<lb/>
an dem hohen Eichbaum emporkriecht, und &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Krone zu u&#x0364;berranken &#x017F;trebt. Mo&#x0364;ge der hei-<lb/>
lige Vater im Vatikan tau&#x017F;endmal ver&#x017F;ichern, daß<lb/>
er ein Knecht der Knechte Gottes &#x017F;ey; mo&#x0364;gen un-<lb/>
fere katholi&#x017F;chen und prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Leviten noch<lb/>
&#x017F;o oft betheuern, daß »&#x017F;ie &#x017F;ich zwar fu&#x0364;r berufene,<lb/>
aber fu&#x0364;r unwu&#x0364;rdige Diener ihres Herrn und Hei-<lb/>
landes halten; daß &#x017F;ie viel zu geringe &#x017F;ind aller<lb/>
Barmherzigkeit und Treue, die Gott an ihnen ge-<lb/>
than hat;« man traue ihnen nicht; &#x017F;ie treiben ei-<lb/>
nen ho&#x0364;flichen Scherz, und wu&#x0364;rden es &#x017F;ehr u&#x0364;bel<lb/>
nehmen, wenn man ihnen Recht geben wollte. Der<lb/>
pfa&#x0364;ffi&#x017F;che Hochmuth, welcher &#x017F;o gerne &#x017F;ich in den<lb/>
Mantel einer u&#x0364;bergroßen Be&#x017F;cheidenheit hu&#x0364;llt, i&#x017F;t<lb/>
um &#x017F;o &#x017F;chlimmer, da jeder Pfaffe &#x017F;ich einbildet,<lb/>
oder doch der Welt einbilden mo&#x0364;chte, daß er ein<lb/>
ho&#x0364;heres und heiligeres We&#x017F;en &#x017F;ey, als alle u&#x0364;brigen<lb/>
Men&#x017F;chen. Durch die Ordination oder Prie&#x017F;ter-<lb/>
weihe glaubt er &#x017F;ich in ein na&#x0364;heres, unmittelbares<lb/>
Verha&#x0364;ltniß mit Gott ver&#x017F;etzt; er ha&#x0364;lt &#x017F;ich nicht fu&#x0364;r<lb/>
einen Diener des Staats, &#x017F;ondern fu&#x0364;r einen Die-<lb/>
ner der Gottheit. Wer ihn beleidigt, beleidigt<lb/>
nicht den Men&#x017F;chen, &#x017F;ondern Gott &#x017F;elb&#x017F;t, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Diener er i&#x017F;t, und daher i&#x017F;t es nicht Rachgier, &#x017F;on-<lb/>
dern Pflicht, jede Kra&#x0364;nkung auf das &#x017F;treng&#x017F;te zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">20 *</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0235] und Staatsumwaͤlzungen nicht haben brechen koͤn- nen. Pfaffendemuth iſt keine Veilchendemuth, ſon- dern die Demuth des Epheu, welches ſchmarotzend an dem hohen Eichbaum emporkriecht, und ſelbſt deſſen Krone zu uͤberranken ſtrebt. Moͤge der hei- lige Vater im Vatikan tauſendmal verſichern, daß er ein Knecht der Knechte Gottes ſey; moͤgen un- fere katholiſchen und proteſtantiſchen Leviten noch ſo oft betheuern, daß »ſie ſich zwar fuͤr berufene, aber fuͤr unwuͤrdige Diener ihres Herrn und Hei- landes halten; daß ſie viel zu geringe ſind aller Barmherzigkeit und Treue, die Gott an ihnen ge- than hat;« man traue ihnen nicht; ſie treiben ei- nen hoͤflichen Scherz, und wuͤrden es ſehr uͤbel nehmen, wenn man ihnen Recht geben wollte. Der pfaͤffiſche Hochmuth, welcher ſo gerne ſich in den Mantel einer uͤbergroßen Beſcheidenheit huͤllt, iſt um ſo ſchlimmer, da jeder Pfaffe ſich einbildet, oder doch der Welt einbilden moͤchte, daß er ein hoͤheres und heiligeres Weſen ſey, als alle uͤbrigen Menſchen. Durch die Ordination oder Prieſter- weihe glaubt er ſich in ein naͤheres, unmittelbares Verhaͤltniß mit Gott verſetzt; er haͤlt ſich nicht fuͤr einen Diener des Staats, ſondern fuͤr einen Die- ner der Gottheit. Wer ihn beleidigt, beleidigt nicht den Menſchen, ſondern Gott ſelbſt, deſſen Diener er iſt, und daher iſt es nicht Rachgier, ſon- dern Pflicht, jede Kraͤnkung auf das ſtrengſte zu 20 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/235
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/235>, abgerufen am 14.05.2024.