gehört nicht in ihre Moral. Jhr Hang zu Rechts- streiten ist so berühmt, daß an vielen Orten das allgemeine Sprüchwort herrscht: er ist so prozeß- süchtig, wie ein Pfaffe. Dieser unselige Hang wird in manchen Ländern noch mehr durch die Einrich- tung genährt, daß der Pfarrer alle Prozesse, wel- che auf Vermehrung und Erhaltung des Kirchen- und Pfarreinkommens und der geistlichen Einkünf- te Bezug haben, auf Gefahr und Kosten des Kir- chenschatzes führen darf. Hat eine Kirche kein Ae- rarium, so müssen andere Kirchen Anleihen machen, um die unbefugte Streitlust eines solchen Seelen- hirten zu befriedigen. Diese Pfaffenprozesse werden gewöhnlich mit Hildebrandischer Anmaßung und Er- bitterung geführt, und müssen natürlich alles Gute ersticken, was der Prediger etwa noch, wenn gleich nicht durch sein Beispiel, doch durch seine Lehre hät- te stiften können. Die Gegenstände solcher Rechts- streite sind oft so unbedeutend, daß man kaum be- greift, wie angesehene Gerichtshöfe es dulden kön- nen, daß man sie Jahrelang damit belästigt. Ein halbes Dutzend Eier, ein Viertelpfund Flachs, ei- ne Elle Wurst sind häufig die wichtigen Dinge, worüber der weiße Rabbiner, auf Kosten des Kir- chenaerariums, sich viele Jahre und manchmal wohl die ganze Zeit seines Lebens *) mit seiner Gemeine herumzankt.
*) Jch erinnre mich hier eines Prozesses zwischen ei-
gehoͤrt nicht in ihre Moral. Jhr Hang zu Rechts- ſtreiten iſt ſo beruͤhmt, daß an vielen Orten das allgemeine Spruͤchwort herrſcht: er iſt ſo prozeß- ſuͤchtig, wie ein Pfaffe. Dieſer unſelige Hang wird in manchen Laͤndern noch mehr durch die Einrich- tung genaͤhrt, daß der Pfarrer alle Prozeſſe, wel- che auf Vermehrung und Erhaltung des Kirchen- und Pfarreinkommens und der geiſtlichen Einkuͤnf- te Bezug haben, auf Gefahr und Koſten des Kir- chenſchatzes fuͤhren darf. Hat eine Kirche kein Ae- rarium, ſo muͤſſen andere Kirchen Anleihen machen, um die unbefugte Streitluſt eines ſolchen Seelen- hirten zu befriedigen. Dieſe Pfaffenprozeſſe werden gewoͤhnlich mit Hildebrandiſcher Anmaßung und Er- bitterung gefuͤhrt, und muͤſſen natuͤrlich alles Gute erſticken, was der Prediger etwa noch, wenn gleich nicht durch ſein Beiſpiel, doch durch ſeine Lehre haͤt- te ſtiften koͤnnen. Die Gegenſtaͤnde ſolcher Rechts- ſtreite ſind oft ſo unbedeutend, daß man kaum be- greift, wie angeſehene Gerichtshoͤfe es dulden koͤn- nen, daß man ſie Jahrelang damit belaͤſtigt. Ein halbes Dutzend Eier, ein Viertelpfund Flachs, ei- ne Elle Wurſt ſind haͤufig die wichtigen Dinge, woruͤber der weiße Rabbiner, auf Koſten des Kir- chenaerariums, ſich viele Jahre und manchmal wohl die ganze Zeit ſeines Lebens *) mit ſeiner Gemeine herumzankt.
*) Jch erinnre mich hier eines Prozeſſes zwiſchen ei-
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gehoͤrt nicht in ihre Moral. Jhr Hang zu Rechts-
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allgemeine Spruͤchwort herrſcht: er iſt ſo prozeß-
ſuͤchtig, wie ein Pfaffe. Dieſer unſelige Hang wird
in manchen Laͤndern noch mehr durch die Einrich-
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che auf Vermehrung und Erhaltung des Kirchen-
und Pfarreinkommens und der geiſtlichen Einkuͤnf-
te Bezug haben, auf Gefahr und Koſten des Kir-
chenſchatzes fuͤhren darf. Hat eine Kirche kein Ae-
rarium, ſo muͤſſen andere Kirchen Anleihen machen,
um die unbefugte Streitluſt eines ſolchen Seelen-
hirten zu befriedigen. Dieſe Pfaffenprozeſſe werden
gewoͤhnlich mit Hildebrandiſcher Anmaßung und Er-
bitterung gefuͤhrt, und muͤſſen natuͤrlich alles Gute
erſticken, was der Prediger etwa noch, wenn gleich
nicht durch ſein Beiſpiel, doch durch ſeine Lehre haͤt-
te ſtiften koͤnnen. Die Gegenſtaͤnde ſolcher Rechts-
ſtreite ſind oft ſo unbedeutend, daß man kaum be-
greift, wie angeſehene Gerichtshoͤfe es dulden koͤn-
nen, daß man ſie Jahrelang damit belaͤſtigt. Ein
halbes Dutzend Eier, ein Viertelpfund Flachs, ei-
ne Elle Wurſt ſind haͤufig die wichtigen Dinge,
woruͤber der weiße Rabbiner, auf Koſten des Kir-
chenaerariums, ſich viele Jahre und manchmal
wohl die ganze Zeit ſeines Lebens *) mit ſeiner
Gemeine herumzankt.
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/271>, abgerufen am 21.11.2024.
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