Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

welcher mit Pulver nach einem wilden Eber schoß,
der ihm seine Saatfelder verheerte, bestrafte er
bloß mit zweijähriger Kettenstrafe, und begnadig-
te einen dreifachen Pferdedieb, der zum Galgen
verurtheilt war, aber eine niedliche Tochter hatte.
Noch vor Kurzem soll er ein sehr weises Gesetz er-
lassen haben, daß keiner seiner Unterthanen über
politische Gegenstände und besonders über den Kon-
greß zu Verona etwas denken, reden, lesen und
schreiben soll. Zum Glück sind die meisten Lesens
und Schreibens unkundig. Se. Durchlaucht sind
übrigens zu jenem Kongresse nicht mit eingeladen
worden!

Zürnen muß man jedoch über manchen kleinen Duo-
dezmonarchen, der mehr Hofmarschälle, Kammer-
herren, Kammerjunker, Oberjägermeister, Pagen,
Lakaien hält, als er Truppen ins Feld stellen kann.
Ein solcher Hofstaat von unnützen Fressern gleicht
nicht übel den weiten Hosen eines Geitzigen, von
denen Shakespear sagt, daß sie für die magern
Beine ihres Besitzers viel zu weit sind. Sollte
nicht jeder Hofschranze, der an der Tafel eines sol-
chen fürstlichen Wüstlings sich mästet, vor sich selbst
erröthen, wenn ihm eine arme Wittwe mit ihren
halbverhungerten Waisen, ein zitternder, in Lumpen
gehüllter Greis, ein kummervoller Vater begegnet,
welcher die kranke Gattin, die frierenden Kleinen
ohne Hülfe, ohne Brod lassen muß, um nur sei-

welcher mit Pulver nach einem wilden Eber ſchoß,
der ihm ſeine Saatfelder verheerte, beſtrafte er
bloß mit zweijaͤhriger Kettenſtrafe, und begnadig-
te einen dreifachen Pferdedieb, der zum Galgen
verurtheilt war, aber eine niedliche Tochter hatte.
Noch vor Kurzem ſoll er ein ſehr weiſes Geſetz er-
laſſen haben, daß keiner ſeiner Unterthanen uͤber
politiſche Gegenſtaͤnde und beſonders uͤber den Kon-
greß zu Verona etwas denken, reden, leſen und
ſchreiben ſoll. Zum Gluͤck ſind die meiſten Leſens
und Schreibens unkundig. Se. Durchlaucht ſind
uͤbrigens zu jenem Kongreſſe nicht mit eingeladen
worden!

Zuͤrnen muß man jedoch uͤber manchen kleinen Duo-
dezmonarchen, der mehr Hofmarſchaͤlle, Kammer-
herren, Kammerjunker, Oberjaͤgermeiſter, Pagen,
Lakaien haͤlt, als er Truppen ins Feld ſtellen kann.
Ein ſolcher Hofſtaat von unnuͤtzen Freſſern gleicht
nicht uͤbel den weiten Hoſen eines Geitzigen, von
denen Shakeſpear ſagt, daß ſie fuͤr die magern
Beine ihres Beſitzers viel zu weit ſind. Sollte
nicht jeder Hofſchranze, der an der Tafel eines ſol-
chen fuͤrſtlichen Wuͤſtlings ſich maͤſtet, vor ſich ſelbſt
erroͤthen, wenn ihm eine arme Wittwe mit ihren
halbverhungerten Waiſen, ein zitternder, in Lumpen
gehuͤllter Greis, ein kummervoller Vater begegnet,
welcher die kranke Gattin, die frierenden Kleinen
ohne Huͤlfe, ohne Brod laſſen muß, um nur ſei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0351" n="351"/>
welcher mit Pulver nach einem wilden Eber &#x017F;choß,<lb/>
der ihm &#x017F;eine Saatfelder verheerte, be&#x017F;trafte er<lb/>
bloß mit zweija&#x0364;hriger Ketten&#x017F;trafe, und begnadig-<lb/>
te einen dreifachen Pferdedieb, der zum Galgen<lb/>
verurtheilt war, aber eine niedliche Tochter hatte.<lb/>
Noch vor Kurzem &#x017F;oll er ein &#x017F;ehr wei&#x017F;es Ge&#x017F;etz er-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en haben, daß keiner &#x017F;einer Unterthanen u&#x0364;ber<lb/>
politi&#x017F;che Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde und be&#x017F;onders u&#x0364;ber den Kon-<lb/>
greß zu Verona etwas denken, reden, le&#x017F;en und<lb/>
&#x017F;chreiben &#x017F;oll. Zum Glu&#x0364;ck &#x017F;ind die mei&#x017F;ten Le&#x017F;ens<lb/>
und Schreibens unkundig. Se. Durchlaucht &#x017F;ind<lb/>
u&#x0364;brigens zu jenem Kongre&#x017F;&#x017F;e nicht mit eingeladen<lb/>
worden!</p><lb/>
        <p>Zu&#x0364;rnen muß man jedoch u&#x0364;ber manchen kleinen Duo-<lb/>
dezmonarchen, der mehr Hofmar&#x017F;cha&#x0364;lle, Kammer-<lb/>
herren, Kammerjunker, Oberja&#x0364;germei&#x017F;ter, Pagen,<lb/>
Lakaien ha&#x0364;lt, als er Truppen ins Feld &#x017F;tellen kann.<lb/>
Ein &#x017F;olcher Hof&#x017F;taat von unnu&#x0364;tzen Fre&#x017F;&#x017F;ern gleicht<lb/>
nicht u&#x0364;bel den weiten Ho&#x017F;en eines Geitzigen, von<lb/>
denen Shake&#x017F;pear &#x017F;agt, daß &#x017F;ie fu&#x0364;r die magern<lb/>
Beine ihres Be&#x017F;itzers viel zu weit &#x017F;ind. Sollte<lb/>
nicht jeder Hof&#x017F;chranze, der an der Tafel eines &#x017F;ol-<lb/>
chen fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Wu&#x0364;&#x017F;tlings &#x017F;ich ma&#x0364;&#x017F;tet, vor &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
erro&#x0364;then, wenn ihm eine arme Wittwe mit ihren<lb/>
halbverhungerten Wai&#x017F;en, ein zitternder, in Lumpen<lb/>
gehu&#x0364;llter Greis, ein kummervoller Vater begegnet,<lb/>
welcher die kranke Gattin, die frierenden Kleinen<lb/>
ohne Hu&#x0364;lfe, ohne Brod la&#x017F;&#x017F;en muß, um nur &#x017F;ei-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[351/0351] welcher mit Pulver nach einem wilden Eber ſchoß, der ihm ſeine Saatfelder verheerte, beſtrafte er bloß mit zweijaͤhriger Kettenſtrafe, und begnadig- te einen dreifachen Pferdedieb, der zum Galgen verurtheilt war, aber eine niedliche Tochter hatte. Noch vor Kurzem ſoll er ein ſehr weiſes Geſetz er- laſſen haben, daß keiner ſeiner Unterthanen uͤber politiſche Gegenſtaͤnde und beſonders uͤber den Kon- greß zu Verona etwas denken, reden, leſen und ſchreiben ſoll. Zum Gluͤck ſind die meiſten Leſens und Schreibens unkundig. Se. Durchlaucht ſind uͤbrigens zu jenem Kongreſſe nicht mit eingeladen worden! Zuͤrnen muß man jedoch uͤber manchen kleinen Duo- dezmonarchen, der mehr Hofmarſchaͤlle, Kammer- herren, Kammerjunker, Oberjaͤgermeiſter, Pagen, Lakaien haͤlt, als er Truppen ins Feld ſtellen kann. Ein ſolcher Hofſtaat von unnuͤtzen Freſſern gleicht nicht uͤbel den weiten Hoſen eines Geitzigen, von denen Shakeſpear ſagt, daß ſie fuͤr die magern Beine ihres Beſitzers viel zu weit ſind. Sollte nicht jeder Hofſchranze, der an der Tafel eines ſol- chen fuͤrſtlichen Wuͤſtlings ſich maͤſtet, vor ſich ſelbſt erroͤthen, wenn ihm eine arme Wittwe mit ihren halbverhungerten Waiſen, ein zitternder, in Lumpen gehuͤllter Greis, ein kummervoller Vater begegnet, welcher die kranke Gattin, die frierenden Kleinen ohne Huͤlfe, ohne Brod laſſen muß, um nur ſei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/351
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/351>, abgerufen am 21.11.2024.