welcher mit Pulver nach einem wilden Eber schoß, der ihm seine Saatfelder verheerte, bestrafte er bloß mit zweijähriger Kettenstrafe, und begnadig- te einen dreifachen Pferdedieb, der zum Galgen verurtheilt war, aber eine niedliche Tochter hatte. Noch vor Kurzem soll er ein sehr weises Gesetz er- lassen haben, daß keiner seiner Unterthanen über politische Gegenstände und besonders über den Kon- greß zu Verona etwas denken, reden, lesen und schreiben soll. Zum Glück sind die meisten Lesens und Schreibens unkundig. Se. Durchlaucht sind übrigens zu jenem Kongresse nicht mit eingeladen worden!
Zürnen muß man jedoch über manchen kleinen Duo- dezmonarchen, der mehr Hofmarschälle, Kammer- herren, Kammerjunker, Oberjägermeister, Pagen, Lakaien hält, als er Truppen ins Feld stellen kann. Ein solcher Hofstaat von unnützen Fressern gleicht nicht übel den weiten Hosen eines Geitzigen, von denen Shakespear sagt, daß sie für die magern Beine ihres Besitzers viel zu weit sind. Sollte nicht jeder Hofschranze, der an der Tafel eines sol- chen fürstlichen Wüstlings sich mästet, vor sich selbst erröthen, wenn ihm eine arme Wittwe mit ihren halbverhungerten Waisen, ein zitternder, in Lumpen gehüllter Greis, ein kummervoller Vater begegnet, welcher die kranke Gattin, die frierenden Kleinen ohne Hülfe, ohne Brod lassen muß, um nur sei-
welcher mit Pulver nach einem wilden Eber ſchoß, der ihm ſeine Saatfelder verheerte, beſtrafte er bloß mit zweijaͤhriger Kettenſtrafe, und begnadig- te einen dreifachen Pferdedieb, der zum Galgen verurtheilt war, aber eine niedliche Tochter hatte. Noch vor Kurzem ſoll er ein ſehr weiſes Geſetz er- laſſen haben, daß keiner ſeiner Unterthanen uͤber politiſche Gegenſtaͤnde und beſonders uͤber den Kon- greß zu Verona etwas denken, reden, leſen und ſchreiben ſoll. Zum Gluͤck ſind die meiſten Leſens und Schreibens unkundig. Se. Durchlaucht ſind uͤbrigens zu jenem Kongreſſe nicht mit eingeladen worden!
Zuͤrnen muß man jedoch uͤber manchen kleinen Duo- dezmonarchen, der mehr Hofmarſchaͤlle, Kammer- herren, Kammerjunker, Oberjaͤgermeiſter, Pagen, Lakaien haͤlt, als er Truppen ins Feld ſtellen kann. Ein ſolcher Hofſtaat von unnuͤtzen Freſſern gleicht nicht uͤbel den weiten Hoſen eines Geitzigen, von denen Shakeſpear ſagt, daß ſie fuͤr die magern Beine ihres Beſitzers viel zu weit ſind. Sollte nicht jeder Hofſchranze, der an der Tafel eines ſol- chen fuͤrſtlichen Wuͤſtlings ſich maͤſtet, vor ſich ſelbſt erroͤthen, wenn ihm eine arme Wittwe mit ihren halbverhungerten Waiſen, ein zitternder, in Lumpen gehuͤllter Greis, ein kummervoller Vater begegnet, welcher die kranke Gattin, die frierenden Kleinen ohne Huͤlfe, ohne Brod laſſen muß, um nur ſei-
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welcher mit Pulver nach einem wilden Eber ſchoß,
der ihm ſeine Saatfelder verheerte, beſtrafte er
bloß mit zweijaͤhriger Kettenſtrafe, und begnadig-
te einen dreifachen Pferdedieb, der zum Galgen
verurtheilt war, aber eine niedliche Tochter hatte.
Noch vor Kurzem ſoll er ein ſehr weiſes Geſetz er-
laſſen haben, daß keiner ſeiner Unterthanen uͤber
politiſche Gegenſtaͤnde und beſonders uͤber den Kon-
greß zu Verona etwas denken, reden, leſen und
ſchreiben ſoll. Zum Gluͤck ſind die meiſten Leſens
und Schreibens unkundig. Se. Durchlaucht ſind
uͤbrigens zu jenem Kongreſſe nicht mit eingeladen
worden!
Zuͤrnen muß man jedoch uͤber manchen kleinen Duo-
dezmonarchen, der mehr Hofmarſchaͤlle, Kammer-
herren, Kammerjunker, Oberjaͤgermeiſter, Pagen,
Lakaien haͤlt, als er Truppen ins Feld ſtellen kann.
Ein ſolcher Hofſtaat von unnuͤtzen Freſſern gleicht
nicht uͤbel den weiten Hoſen eines Geitzigen, von
denen Shakeſpear ſagt, daß ſie fuͤr die magern
Beine ihres Beſitzers viel zu weit ſind. Sollte
nicht jeder Hofſchranze, der an der Tafel eines ſol-
chen fuͤrſtlichen Wuͤſtlings ſich maͤſtet, vor ſich ſelbſt
erroͤthen, wenn ihm eine arme Wittwe mit ihren
halbverhungerten Waiſen, ein zitternder, in Lumpen
gehuͤllter Greis, ein kummervoller Vater begegnet,
welcher die kranke Gattin, die frierenden Kleinen
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/351>, abgerufen am 21.11.2024.
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