sind, daß viele von ihnen den Wunsch ihrer Töchter nach Entwicklung ihrer Fähigkeiten und ihres Persönlichkeitsgefühles nicht begreifen, sich der Ausführung dieses Wunsches mit aller Kraft widersetzen und sich ihm entgegenstemmen. Das sind aber Mütter von gestern. Vielleicht auch daß es, wie Dr. Alice Salomon meint, sogar schon Mütter gibt, die, moderner als ihre Töchter, für diese eine wissenschaftliche Ausbildung und Zu- kunft erstreben, die von ihnen nicht gewünscht und abgelehnt wird. Daß auch diese Mütter eine Ent- täuschung erleben, ist begreiflich. Das sind zum Teil schon Mütter von morgen.
Jm allgemeinen jedoch ist das Verhältnis zwischen Müttern und Töchtern gegenwärtig so, daß die letzteren den ersteren tat- sächlich über den Kopf wachsen. Dieser Zustand ist an und für sich erfreulich, da er, um mit Nietzsche zu sprechen, eine "Hinaufpflanzung" bedeutet. Unerfreulich ist nur die häufige Überhebung seitens der Töchter, die es vergessen, daß sie in erster Reihe ihren Müttern dafür zu danken haben, daß es ihnen vergönnt ist, sich anderes Rüstzeug aus den Geisteskammern des Universums zu holen, als es jenen zur Ver- fügung stand. Beinahe ebenso unerfreulich, wenn auch rührender und versöhnlicher wirkt die kritik- lose Bewunderung, die die Mütter von heute dem
sind, daß viele von ihnen den Wunsch ihrer Töchter nach Entwicklung ihrer Fähigkeiten und ihres Persönlichkeitsgefühles nicht begreifen, sich der Ausführung dieses Wunsches mit aller Kraft widersetzen und sich ihm entgegenstemmen. Das sind aber Mütter von gestern. Vielleicht auch daß es, wie Dr. Alice Salomon meint, sogar schon Mütter gibt, die, moderner als ihre Töchter, für diese eine wissenschaftliche Ausbildung und Zu- kunft erstreben, die von ihnen nicht gewünscht und abgelehnt wird. Daß auch diese Mütter eine Ent- täuschung erleben, ist begreiflich. Das sind zum Teil schon Mütter von morgen.
Jm allgemeinen jedoch ist das Verhältnis zwischen Müttern und Töchtern gegenwärtig so, daß die letzteren den ersteren tat- sächlich über den Kopf wachsen. Dieser Zustand ist an und für sich erfreulich, da er, um mit Nietzsche zu sprechen, eine „Hinaufpflanzung“ bedeutet. Unerfreulich ist nur die häufige Überhebung seitens der Töchter, die es vergessen, daß sie in erster Reihe ihren Müttern dafür zu danken haben, daß es ihnen vergönnt ist, sich anderes Rüstzeug aus den Geisteskammern des Universums zu holen, als es jenen zur Ver- fügung stand. Beinahe ebenso unerfreulich, wenn auch rührender und versöhnlicher wirkt die kritik- lose Bewunderung, die die Mütter von heute dem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0174"n="170"/>
sind, daß viele von ihnen den Wunsch ihrer Töchter<lb/>
nach Entwicklung ihrer Fähigkeiten und ihres<lb/>
Persönlichkeitsgefühles nicht begreifen, sich der<lb/>
Ausführung dieses Wunsches mit aller Kraft<lb/>
widersetzen und sich ihm entgegenstemmen. Das<lb/>
sind aber Mütter von gestern. Vielleicht auch daß<lb/>
es, wie Dr. Alice Salomon meint, sogar schon<lb/>
Mütter gibt, die, moderner als ihre Töchter, für<lb/>
diese eine wissenschaftliche Ausbildung und Zu-<lb/>
kunft erstreben, die von ihnen nicht gewünscht und<lb/>
abgelehnt wird. Daß auch diese Mütter eine Ent-<lb/>
täuschung erleben, ist begreiflich. Das sind zum<lb/>
Teil schon Mütter von morgen.</p><lb/><p>Jm allgemeinen jedoch ist das Verhältnis<lb/>
zwischen Müttern und Töchtern gegenwärtig so,<lb/><hirendition="#g">daß die letzteren den ersteren tat-<lb/>
sächlich über den Kopf wachsen.</hi> Dieser<lb/>
Zustand ist an und für sich erfreulich, da er, um<lb/>
mit Nietzsche zu sprechen, eine „Hinaufpflanzung“<lb/>
bedeutet. Unerfreulich ist nur <hirendition="#g">die häufige<lb/>
Überhebung seitens der Töchter</hi>, die<lb/>
es vergessen, daß sie in erster Reihe ihren Müttern<lb/>
dafür zu danken haben, daß es ihnen vergönnt ist,<lb/>
sich anderes Rüstzeug aus den Geisteskammern<lb/>
des Universums zu holen, als es jenen zur Ver-<lb/>
fügung stand. Beinahe ebenso unerfreulich, wenn<lb/>
auch rührender und versöhnlicher wirkt die kritik-<lb/>
lose Bewunderung, die die Mütter von heute dem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[170/0174]
sind, daß viele von ihnen den Wunsch ihrer Töchter
nach Entwicklung ihrer Fähigkeiten und ihres
Persönlichkeitsgefühles nicht begreifen, sich der
Ausführung dieses Wunsches mit aller Kraft
widersetzen und sich ihm entgegenstemmen. Das
sind aber Mütter von gestern. Vielleicht auch daß
es, wie Dr. Alice Salomon meint, sogar schon
Mütter gibt, die, moderner als ihre Töchter, für
diese eine wissenschaftliche Ausbildung und Zu-
kunft erstreben, die von ihnen nicht gewünscht und
abgelehnt wird. Daß auch diese Mütter eine Ent-
täuschung erleben, ist begreiflich. Das sind zum
Teil schon Mütter von morgen.
Jm allgemeinen jedoch ist das Verhältnis
zwischen Müttern und Töchtern gegenwärtig so,
daß die letzteren den ersteren tat-
sächlich über den Kopf wachsen. Dieser
Zustand ist an und für sich erfreulich, da er, um
mit Nietzsche zu sprechen, eine „Hinaufpflanzung“
bedeutet. Unerfreulich ist nur die häufige
Überhebung seitens der Töchter, die
es vergessen, daß sie in erster Reihe ihren Müttern
dafür zu danken haben, daß es ihnen vergönnt ist,
sich anderes Rüstzeug aus den Geisteskammern
des Universums zu holen, als es jenen zur Ver-
fügung stand. Beinahe ebenso unerfreulich, wenn
auch rührender und versöhnlicher wirkt die kritik-
lose Bewunderung, die die Mütter von heute dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2020-12-07T10:34:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-12-07T10:34:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: gekennzeichnet;
Druckfehler: gekennzeichnet;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): als s transkribiert;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/174>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.