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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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sie sich selbst schuldig. Jhr trat als Bundesgenosse
die ärztliche Wissenschaft zur Seite, die feststellte,
daß die Reglementierung den Mann nicht, wie ehe-
dem angenommen, vor Ansteckung und venerischen
Krankheiten schütze, sondern, daß im Gegenteil die
Prostitution einen Hauptherd aller Geschlechts-
krankheiten bilde, von dem aus sich ein Strom ver-
heerender Krankheiten über das ganze Land er-
gießt. Nach einer Statistik von Dr. Blaschko zählt
man in Berlin jährlich 30000 Neuerkrankungen,
in Preußen 773000! Wenn man bedenkt, welche
fürchterlichen Wirkungen diese Krankheiten nicht
allein auf die davon Betroffenen ausüben, sondern
auch auf die nur allzuleicht angesteckte Ehefrau -
manche dieser Krankheiten, die für den Mann
relativ leichter Natur sind, üben auf die Frau und
ihre Gebärfähigkeit die schlimmste Wirkung aus -
und nicht minder auf die armen Kinder, die blind,
schwachsinnig, verkrüppelt und mit noch anderen
Fehlern erblich belastet auf die Welt kommen, ja,
daß die Kinder im dritten und vierten Glied noch
die Sünden der Väter büßen müssen, dann muß
man unbedingt Dr. Jwan Bloch zustimmen, der die
Prostitution das Zentralproblem der sexuellen
Frage nennt, nicht allein wegen ihres Zusammen-
hanges mit der Verbreitung der Geschlechtskrank-
heiten, sondern weil sie auch in innerer ethischer
Beziehung die brennendste Gewissensfrage der mo-

sie sich selbst schuldig. Jhr trat als Bundesgenosse
die ärztliche Wissenschaft zur Seite, die feststellte,
daß die Reglementierung den Mann nicht, wie ehe-
dem angenommen, vor Ansteckung und venerischen
Krankheiten schütze, sondern, daß im Gegenteil die
Prostitution einen Hauptherd aller Geschlechts-
krankheiten bilde, von dem aus sich ein Strom ver-
heerender Krankheiten über das ganze Land er-
gießt. Nach einer Statistik von Dr. Blaschko zählt
man in Berlin jährlich 30000 Neuerkrankungen,
in Preußen 773000! Wenn man bedenkt, welche
fürchterlichen Wirkungen diese Krankheiten nicht
allein auf die davon Betroffenen ausüben, sondern
auch auf die nur allzuleicht angesteckte Ehefrau –
manche dieser Krankheiten, die für den Mann
relativ leichter Natur sind, üben auf die Frau und
ihre Gebärfähigkeit die schlimmste Wirkung aus –
und nicht minder auf die armen Kinder, die blind,
schwachsinnig, verkrüppelt und mit noch anderen
Fehlern erblich belastet auf die Welt kommen, ja,
daß die Kinder im dritten und vierten Glied noch
die Sünden der Väter büßen müssen, dann muß
man unbedingt Dr. Jwan Bloch zustimmen, der die
Prostitution das Zentralproblem der sexuellen
Frage nennt, nicht allein wegen ihres Zusammen-
hanges mit der Verbreitung der Geschlechtskrank-
heiten, sondern weil sie auch in innerer ethischer
Beziehung die brennendste Gewissensfrage der mo-

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[271/0275] sie sich selbst schuldig. Jhr trat als Bundesgenosse die ärztliche Wissenschaft zur Seite, die feststellte, daß die Reglementierung den Mann nicht, wie ehe- dem angenommen, vor Ansteckung und venerischen Krankheiten schütze, sondern, daß im Gegenteil die Prostitution einen Hauptherd aller Geschlechts- krankheiten bilde, von dem aus sich ein Strom ver- heerender Krankheiten über das ganze Land er- gießt. Nach einer Statistik von Dr. Blaschko zählt man in Berlin jährlich 30000 Neuerkrankungen, in Preußen 773000! Wenn man bedenkt, welche fürchterlichen Wirkungen diese Krankheiten nicht allein auf die davon Betroffenen ausüben, sondern auch auf die nur allzuleicht angesteckte Ehefrau – manche dieser Krankheiten, die für den Mann relativ leichter Natur sind, üben auf die Frau und ihre Gebärfähigkeit die schlimmste Wirkung aus – und nicht minder auf die armen Kinder, die blind, schwachsinnig, verkrüppelt und mit noch anderen Fehlern erblich belastet auf die Welt kommen, ja, daß die Kinder im dritten und vierten Glied noch die Sünden der Väter büßen müssen, dann muß man unbedingt Dr. Jwan Bloch zustimmen, der die Prostitution das Zentralproblem der sexuellen Frage nennt, nicht allein wegen ihres Zusammen- hanges mit der Verbreitung der Geschlechtskrank- heiten, sondern weil sie auch in innerer ethischer Beziehung die brennendste Gewissensfrage der mo-

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/275>, abgerufen am 24.11.2024.