Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Die politische Gleichberechtigung der Frau.
handelt hat, trotzdem dem Erstgenannten unendlich über-
legen, nicht verleugnen. Professor Gustav Cohn*) hat
sich in den Geist der deutschen Frauenbewegung viel
mehr versenkt als Duboc, er hat begriffen, dass die Frauen-
bewegung einen Culturfortschritt bedeutet "in seinem Zu-
sammenhange mit der internationalen Gemeinschaft der
Gegenwart, in seiner Begründung für die Verbesserung
des Lebens. An solchem Massstabe gemessen ist es auch
nicht die einzelne Seite des Neuen, obgleich an sich
wichtig und kennzeichnend für das Ganze, keine blinde
Vorliebe etwa für die Förderung des Frauenstudiums,
keine Vorliebe, welche die unvermeidlichen Schwierig-
keiten und Schattenseiten der Einbürgerung des Neuen
verkennt - es ist der Geist eines neuen Zeitalters, der
zu Worte gelangt, es ist die Ueberzeugung, dass es un-
möglich ist, diesem Geiste die Pforten zu verschliessen.
Das Culturgesetz, dass man nicht zurückbleiben darf,
wo die ganze Welt vorwärts geht, gilt nicht bloss für
Panzerschiffe und Schiessgewehre, nicht bloss für Eisen-
bahnen und Telephone, es gilt auch für das geistige Leben
und die Entwickelung der geistigen Gaben. Wie immer
so sind es namentlich in diesem Falle blendende Vor-
urtheile, welche dem Neuen in den Weg treten, be-
stechende Schlagworte, welche sich mit sittlicher Ent-
rüstung waffnen, wo sie eigentlich in sittlicher Beschämung
verstummen sollen."

Trotz dieser Erkenntniss bleibt Professor Cohn auf
halbem Wege stehen und zwar vor dem Wahlrecht. Er

*) "Die Deutsche Frauenbewegung." Berlin 1896.

Die politische Gleichberechtigung der Frau.
handelt hat, trotzdem dem Erstgenannten unendlich über-
legen, nicht verleugnen. Professor Gustav Cohn*) hat
sich in den Geist der deutschen Frauenbewegung viel
mehr versenkt als Duboc, er hat begriffen, dass die Frauen-
bewegung einen Culturfortschritt bedeutet »in seinem Zu-
sammenhange mit der internationalen Gemeinschaft der
Gegenwart, in seiner Begründung für die Verbesserung
des Lebens. An solchem Massstabe gemessen ist es auch
nicht die einzelne Seite des Neuen, obgleich an sich
wichtig und kennzeichnend für das Ganze, keine blinde
Vorliebe etwa für die Förderung des Frauenstudiums,
keine Vorliebe, welche die unvermeidlichen Schwierig-
keiten und Schattenseiten der Einbürgerung des Neuen
verkennt – es ist der Geist eines neuen Zeitalters, der
zu Worte gelangt, es ist die Ueberzeugung, dass es un-
möglich ist, diesem Geiste die Pforten zu verschliessen.
Das Culturgesetz, dass man nicht zurückbleiben darf,
wo die ganze Welt vorwärts geht, gilt nicht bloss für
Panzerschiffe und Schiessgewehre, nicht bloss für Eisen-
bahnen und Telephone, es gilt auch für das geistige Leben
und die Entwickelung der geistigen Gaben. Wie immer
so sind es namentlich in diesem Falle blendende Vor-
urtheile, welche dem Neuen in den Weg treten, be-
stechende Schlagworte, welche sich mit sittlicher Ent-
rüstung waffnen, wo sie eigentlich in sittlicher Beschämung
verstummen sollen.«

Trotz dieser Erkenntniss bleibt Professor Cohn auf
halbem Wege stehen und zwar vor dem Wahlrecht. Er

*) »Die Deutsche Frauenbewegung.« Berlin 1896.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0098" n="85"/><fw place="top" type="header">Die politische Gleichberechtigung der Frau.</fw><lb/>
handelt hat, trotzdem dem Erstgenannten unendlich über-<lb/>
legen, nicht verleugnen. Professor Gustav Cohn<note place="foot" n="*)">»Die Deutsche Frauenbewegung.« Berlin 1896.</note> hat<lb/>
sich in den Geist der deutschen Frauenbewegung viel<lb/>
mehr versenkt als Duboc, er hat begriffen, dass die Frauen-<lb/>
bewegung einen Culturfortschritt bedeutet »in seinem Zu-<lb/>
sammenhange mit der internationalen Gemeinschaft der<lb/>
Gegenwart, in seiner Begründung für die Verbesserung<lb/>
des Lebens. An solchem Massstabe gemessen ist es auch<lb/>
nicht die einzelne Seite des Neuen, obgleich an sich<lb/>
wichtig und kennzeichnend für das Ganze, keine blinde<lb/>
Vorliebe etwa für die Förderung des Frauenstudiums,<lb/>
keine Vorliebe, welche die unvermeidlichen Schwierig-<lb/>
keiten und Schattenseiten der Einbürgerung des Neuen<lb/>
verkennt &#x2013; es ist der Geist eines neuen Zeitalters, der<lb/>
zu Worte gelangt, es ist die Ueberzeugung, dass es un-<lb/>
möglich ist, diesem Geiste die Pforten zu verschliessen.<lb/>
Das Culturgesetz, dass man nicht zurückbleiben darf,<lb/>
wo die ganze Welt vorwärts geht, gilt nicht bloss für<lb/>
Panzerschiffe und Schiessgewehre, nicht bloss für Eisen-<lb/>
bahnen und Telephone, es gilt auch für das geistige Leben<lb/>
und die Entwickelung der geistigen Gaben. Wie immer<lb/>
so sind es namentlich in diesem Falle blendende Vor-<lb/>
urtheile, welche dem Neuen in den Weg treten, be-<lb/>
stechende Schlagworte, welche sich mit sittlicher Ent-<lb/>
rüstung waffnen, wo sie eigentlich in sittlicher Beschämung<lb/>
verstummen sollen.«</p><lb/>
      <p>Trotz dieser Erkenntniss bleibt Professor Cohn auf<lb/>
halbem Wege stehen und zwar vor dem Wahlrecht. Er<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0098] Die politische Gleichberechtigung der Frau. handelt hat, trotzdem dem Erstgenannten unendlich über- legen, nicht verleugnen. Professor Gustav Cohn *) hat sich in den Geist der deutschen Frauenbewegung viel mehr versenkt als Duboc, er hat begriffen, dass die Frauen- bewegung einen Culturfortschritt bedeutet »in seinem Zu- sammenhange mit der internationalen Gemeinschaft der Gegenwart, in seiner Begründung für die Verbesserung des Lebens. An solchem Massstabe gemessen ist es auch nicht die einzelne Seite des Neuen, obgleich an sich wichtig und kennzeichnend für das Ganze, keine blinde Vorliebe etwa für die Förderung des Frauenstudiums, keine Vorliebe, welche die unvermeidlichen Schwierig- keiten und Schattenseiten der Einbürgerung des Neuen verkennt – es ist der Geist eines neuen Zeitalters, der zu Worte gelangt, es ist die Ueberzeugung, dass es un- möglich ist, diesem Geiste die Pforten zu verschliessen. Das Culturgesetz, dass man nicht zurückbleiben darf, wo die ganze Welt vorwärts geht, gilt nicht bloss für Panzerschiffe und Schiessgewehre, nicht bloss für Eisen- bahnen und Telephone, es gilt auch für das geistige Leben und die Entwickelung der geistigen Gaben. Wie immer so sind es namentlich in diesem Falle blendende Vor- urtheile, welche dem Neuen in den Weg treten, be- stechende Schlagworte, welche sich mit sittlicher Ent- rüstung waffnen, wo sie eigentlich in sittlicher Beschämung verstummen sollen.« Trotz dieser Erkenntniss bleibt Professor Cohn auf halbem Wege stehen und zwar vor dem Wahlrecht. Er *) »Die Deutsche Frauenbewegung.« Berlin 1896.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-02-20T18:11:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-02-20T18:11:38Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898/98
Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898/98>, abgerufen am 21.11.2024.