Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.des alltäglichen Lebens besser gelingen, aber da sein Gespräch Den Mittelpunkt, um welchen sich der irre Lauf seiner des alltaͤglichen Lebens beſſer gelingen, aber da ſein Geſpraͤch Den Mittelpunkt, um welchen ſich der irre Lauf ſeiner <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0110" n="102"/> des alltaͤglichen Lebens beſſer gelingen, aber da ſein Geſpraͤch<lb/> ſich ausſchließlich auf religioͤſe Begriffe bezog, ſo gerieth er fort¬<lb/> waͤhrend in eine voͤllige Geiſtesverwirrung, welche deſultoriſch<lb/> zwiſchen den verſchiedenartigſten Verhaͤltniſſen umherſchweifend,<lb/> nur mit Muͤhe einen verknuͤpfenden Faden auffinden ließ.Haͤtte<lb/> ich ihn durch oft eingemiſchte Fragen zu beſtimmteren Erklaͤ¬<lb/> rungen veranlaſſen wollen, ſo wuͤrde ich ihn in ſeinem unver¬<lb/> hohlenen Argwohn nur noch mehr beſtaͤrkt, und ihn dadurch<lb/> entweder zum heftigen Streit gereizt, oder zum muͤrriſchen<lb/> Schweigen gebracht haben. Auch fielen ſeine Antworten auf<lb/> einzelne Fragen, von deren Sinn er ſogleich zu anderen Din¬<lb/> gen uͤberſprang, ſo ungenuͤgend aus, daß ich nicht hoffen<lb/> durfte, mir durch ſie eine naͤhere Aufklaͤrung zu verſchaffen;<lb/> ja vielen ſeiner Aeußerungen konnte nicht einmal ein beſtimm¬<lb/> ter Sinn untergelegt werden.</p><lb/> <p>Den Mittelpunkt, um welchen ſich der irre Lauf ſeiner<lb/> Vorſtellungen bewegt, bildet unſtreitig ſeine Ueberzeugung, wel¬<lb/> che er ſchon wiederholt in ſeinen Briefen an die Koͤnigl. Be¬<lb/> hoͤrden ausgeſprochen hat, daß ihm in naͤchtlichen Traͤumen<lb/> goͤttliche Offenbarungen zu Theil, und mit ihnen ihm die Pflicht<lb/> auferlegt worden, dieſelben oͤffentlich zum Heil der Welt zu<lb/> verkuͤndigen. Er hat dieſe Offenbarungstraͤume in einem aus¬<lb/> fuͤhrlichen Tagebuche, meiſt unter Angabe des Datums ver¬<lb/> zeichnet, woraus er mir Mehreres vorlas. Ein beſonderes Ge¬<lb/> wicht legte er auf den einen, in welchem er als Koͤnig aus<lb/> dem hieſigen Schloſſe mit einem vierſpaͤnnigen Wagen abgeholt,<lb/> und durch die Linden zum Thore hinausgefuͤhrt worden war.<lb/> Da er ſich fuͤr einen Propheten, und ziemlich beſtimmt fuͤr<lb/> Elias haͤlt, ſo ſieht er in jenem Traume ſeine ſymboliſche<lb/> Verherrlichung, in deren Glanze er unter den Menſchen auf¬<lb/> treten ſoll. Ueberhaupt ſcheinen alle Phantasmagorieen bei ihm<lb/> von einem blendenden Nimbus umgeben zu ſein, indem er<lb/> verſichert, daß es ihm oft vorkomme, als ob er in Flammen<lb/> liege. Waͤhrend eines anderen Traums befand er ſich bei ge¬<lb/> woͤhnlichen Leuten im Dienſte, von welchen er uͤber das Feld<lb/> geſchickt wurde, um eine Ziege zu holen. Unterwegs wurde<lb/> er auf einen Berg von einem Manne gefuͤhrt, welcher mit<lb/> einem Stabe nach dem Himmel zeigte, aus deſſen geoͤffneten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [102/0110]
des alltaͤglichen Lebens beſſer gelingen, aber da ſein Geſpraͤch
ſich ausſchließlich auf religioͤſe Begriffe bezog, ſo gerieth er fort¬
waͤhrend in eine voͤllige Geiſtesverwirrung, welche deſultoriſch
zwiſchen den verſchiedenartigſten Verhaͤltniſſen umherſchweifend,
nur mit Muͤhe einen verknuͤpfenden Faden auffinden ließ.Haͤtte
ich ihn durch oft eingemiſchte Fragen zu beſtimmteren Erklaͤ¬
rungen veranlaſſen wollen, ſo wuͤrde ich ihn in ſeinem unver¬
hohlenen Argwohn nur noch mehr beſtaͤrkt, und ihn dadurch
entweder zum heftigen Streit gereizt, oder zum muͤrriſchen
Schweigen gebracht haben. Auch fielen ſeine Antworten auf
einzelne Fragen, von deren Sinn er ſogleich zu anderen Din¬
gen uͤberſprang, ſo ungenuͤgend aus, daß ich nicht hoffen
durfte, mir durch ſie eine naͤhere Aufklaͤrung zu verſchaffen;
ja vielen ſeiner Aeußerungen konnte nicht einmal ein beſtimm¬
ter Sinn untergelegt werden.
Den Mittelpunkt, um welchen ſich der irre Lauf ſeiner
Vorſtellungen bewegt, bildet unſtreitig ſeine Ueberzeugung, wel¬
che er ſchon wiederholt in ſeinen Briefen an die Koͤnigl. Be¬
hoͤrden ausgeſprochen hat, daß ihm in naͤchtlichen Traͤumen
goͤttliche Offenbarungen zu Theil, und mit ihnen ihm die Pflicht
auferlegt worden, dieſelben oͤffentlich zum Heil der Welt zu
verkuͤndigen. Er hat dieſe Offenbarungstraͤume in einem aus¬
fuͤhrlichen Tagebuche, meiſt unter Angabe des Datums ver¬
zeichnet, woraus er mir Mehreres vorlas. Ein beſonderes Ge¬
wicht legte er auf den einen, in welchem er als Koͤnig aus
dem hieſigen Schloſſe mit einem vierſpaͤnnigen Wagen abgeholt,
und durch die Linden zum Thore hinausgefuͤhrt worden war.
Da er ſich fuͤr einen Propheten, und ziemlich beſtimmt fuͤr
Elias haͤlt, ſo ſieht er in jenem Traume ſeine ſymboliſche
Verherrlichung, in deren Glanze er unter den Menſchen auf¬
treten ſoll. Ueberhaupt ſcheinen alle Phantasmagorieen bei ihm
von einem blendenden Nimbus umgeben zu ſein, indem er
verſichert, daß es ihm oft vorkomme, als ob er in Flammen
liege. Waͤhrend eines anderen Traums befand er ſich bei ge¬
woͤhnlichen Leuten im Dienſte, von welchen er uͤber das Feld
geſchickt wurde, um eine Ziege zu holen. Unterwegs wurde
er auf einen Berg von einem Manne gefuͤhrt, welcher mit
einem Stabe nach dem Himmel zeigte, aus deſſen geoͤffneten
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