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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.

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unter Anderem sah, daß der Himmel unter der Gestalt zweier
Wolken sich vor ihrem Fenster auf die Erde herabließ, und
daneben zwei schöne Pferde gebaut, und mit prächtigen Decken
belegt wurden. Viele Visionen zerflossen dergestalt in Nebel¬
gebilde, daß sie dieselben gar nicht mit Worten bezeichnen
konnte, wie dies namentlich von den Verwandlungen vieler
Thiere, besonders der Insecten gilt, welche alle Dächer be¬
beckten.

Mehr oder weniger hatten aber alle diese Gebilde, welche
luftig und wesenlos als Schatten eines Traumes an ihrem
innern Sinne vorübergaukelten, eine religiöse Bedeutung.
Neben einem Kirchhofe wohnend sah sie auf demselben eine
wahre Auferstehungsscene, deren Anfang die Eröffnung eines
Grabes machte, aus welchem Menschen emporstiegen, die
theils schon völlig ausgebildet waren, theils erst auferbaut
werden mußten, wie sich dies an ihren schlechten Kleidern
erkennen ließ, worauf sie insgesammt in Regimentern zusam¬
mengeschaart wurden. Ein runder Kessel nebst zwei großen
kupfernen Töpfen mit vielen Zapfen sollten einen Altar vor¬
stellen. Dann erschien eine Schaar von Cadetten, welche
Christus als eine Leiche in das Grab legten, und sich hierauf
unter der Erde um ihn stellten, um ihn zu bewachen. Sie
sah diese Erscheinung dreimal, war aber nicht Zeugin der
Auferstehung Christi am dritten Tage, nach welchem er sich
ihr zu erkennen gab. Wohl aber nahm sie wahr, daß zwei
Damen mit halbem Leibe sich aus dem Grabe aufrichteten,
von denen ihr gesagt wurde, daß eine die Jungfrau Maria,
die andere aber Magdalena, die wahre Mutter Gottes sei.
Gott als alter, und Christus als junger Mann erschienen ihr
später sehr häufig, und sagten ihr, die Menschen müßten, ehe
sie auferstehen könnten, zuvor noch vorbereitet werden, und
sie, die G., sei zur Mitwirkung dazu berufen und vorbereitet.
Dies geschah nun auf folgende Weise. Wolken aus See¬
wasser, welche die Leichen verhüllten, schwebten zur Erde nie¬
der, jedoch nur, wenn die G. durch Schwenkungen der Arme
dazu behülflich war. Unterließ sie dieselben, so konnten die
Körper nicht aus den Wolken herauskommen, sondern es er¬
hob sich ein Jammergeschrei: "die Welt geht unter!" worauf

Ideler über d. reI. Wahnsinn. 10

unter Anderem ſah, daß der Himmel unter der Geſtalt zweier
Wolken ſich vor ihrem Fenſter auf die Erde herabließ, und
daneben zwei ſchoͤne Pferde gebaut, und mit praͤchtigen Decken
belegt wurden. Viele Viſionen zerfloſſen dergeſtalt in Nebel¬
gebilde, daß ſie dieſelben gar nicht mit Worten bezeichnen
konnte, wie dies namentlich von den Verwandlungen vieler
Thiere, beſonders der Inſecten gilt, welche alle Daͤcher be¬
beckten.

Mehr oder weniger hatten aber alle dieſe Gebilde, welche
luftig und weſenlos als Schatten eines Traumes an ihrem
innern Sinne voruͤbergaukelten, eine religioͤſe Bedeutung.
Neben einem Kirchhofe wohnend ſah ſie auf demſelben eine
wahre Auferſtehungsſcene, deren Anfang die Eroͤffnung eines
Grabes machte, aus welchem Menſchen emporſtiegen, die
theils ſchon voͤllig ausgebildet waren, theils erſt auferbaut
werden mußten, wie ſich dies an ihren ſchlechten Kleidern
erkennen ließ, worauf ſie insgeſammt in Regimentern zuſam¬
mengeſchaart wurden. Ein runder Keſſel nebſt zwei großen
kupfernen Toͤpfen mit vielen Zapfen ſollten einen Altar vor¬
ſtellen. Dann erſchien eine Schaar von Cadetten, welche
Chriſtus als eine Leiche in das Grab legten, und ſich hierauf
unter der Erde um ihn ſtellten, um ihn zu bewachen. Sie
ſah dieſe Erſcheinung dreimal, war aber nicht Zeugin der
Auferſtehung Chriſti am dritten Tage, nach welchem er ſich
ihr zu erkennen gab. Wohl aber nahm ſie wahr, daß zwei
Damen mit halbem Leibe ſich aus dem Grabe aufrichteten,
von denen ihr geſagt wurde, daß eine die Jungfrau Maria,
die andere aber Magdalena, die wahre Mutter Gottes ſei.
Gott als alter, und Chriſtus als junger Mann erſchienen ihr
ſpaͤter ſehr haͤufig, und ſagten ihr, die Menſchen muͤßten, ehe
ſie auferſtehen koͤnnten, zuvor noch vorbereitet werden, und
ſie, die G., ſei zur Mitwirkung dazu berufen und vorbereitet.
Dies geſchah nun auf folgende Weiſe. Wolken aus See¬
waſſer, welche die Leichen verhuͤllten, ſchwebten zur Erde nie¬
der, jedoch nur, wenn die G. durch Schwenkungen der Arme
dazu behuͤlflich war. Unterließ ſie dieſelben, ſo konnten die
Koͤrper nicht aus den Wolken herauskommen, ſondern es er¬
hob ſich ein Jammergeſchrei: „die Welt geht unter!” worauf

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[145/0153] unter Anderem ſah, daß der Himmel unter der Geſtalt zweier Wolken ſich vor ihrem Fenſter auf die Erde herabließ, und daneben zwei ſchoͤne Pferde gebaut, und mit praͤchtigen Decken belegt wurden. Viele Viſionen zerfloſſen dergeſtalt in Nebel¬ gebilde, daß ſie dieſelben gar nicht mit Worten bezeichnen konnte, wie dies namentlich von den Verwandlungen vieler Thiere, beſonders der Inſecten gilt, welche alle Daͤcher be¬ beckten. Mehr oder weniger hatten aber alle dieſe Gebilde, welche luftig und weſenlos als Schatten eines Traumes an ihrem innern Sinne voruͤbergaukelten, eine religioͤſe Bedeutung. Neben einem Kirchhofe wohnend ſah ſie auf demſelben eine wahre Auferſtehungsſcene, deren Anfang die Eroͤffnung eines Grabes machte, aus welchem Menſchen emporſtiegen, die theils ſchon voͤllig ausgebildet waren, theils erſt auferbaut werden mußten, wie ſich dies an ihren ſchlechten Kleidern erkennen ließ, worauf ſie insgeſammt in Regimentern zuſam¬ mengeſchaart wurden. Ein runder Keſſel nebſt zwei großen kupfernen Toͤpfen mit vielen Zapfen ſollten einen Altar vor¬ ſtellen. Dann erſchien eine Schaar von Cadetten, welche Chriſtus als eine Leiche in das Grab legten, und ſich hierauf unter der Erde um ihn ſtellten, um ihn zu bewachen. Sie ſah dieſe Erſcheinung dreimal, war aber nicht Zeugin der Auferſtehung Chriſti am dritten Tage, nach welchem er ſich ihr zu erkennen gab. Wohl aber nahm ſie wahr, daß zwei Damen mit halbem Leibe ſich aus dem Grabe aufrichteten, von denen ihr geſagt wurde, daß eine die Jungfrau Maria, die andere aber Magdalena, die wahre Mutter Gottes ſei. Gott als alter, und Chriſtus als junger Mann erſchienen ihr ſpaͤter ſehr haͤufig, und ſagten ihr, die Menſchen muͤßten, ehe ſie auferſtehen koͤnnten, zuvor noch vorbereitet werden, und ſie, die G., ſei zur Mitwirkung dazu berufen und vorbereitet. Dies geſchah nun auf folgende Weiſe. Wolken aus See¬ waſſer, welche die Leichen verhuͤllten, ſchwebten zur Erde nie¬ der, jedoch nur, wenn die G. durch Schwenkungen der Arme dazu behuͤlflich war. Unterließ ſie dieſelben, ſo konnten die Koͤrper nicht aus den Wolken herauskommen, ſondern es er¬ hob ſich ein Jammergeſchrei: „die Welt geht unter!” worauf Ideler uͤber d. reI. Wahnſinn. 10

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Zitationshilfe: Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/153>, abgerufen am 27.11.2024.