Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.göttlichen Lichts aus dem Evangelium beraubt seien. Aus Am Weihnachtsfeste 1845 traf er in der Kirche mit goͤttlichen Lichts aus dem Evangelium beraubt ſeien. Aus Am Weihnachtsfeſte 1845 traf er in der Kirche mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0196" n="188"/> goͤttlichen Lichts aus dem Evangelium beraubt ſeien. Aus<lb/> ſeinem in fruͤher Jugend gehegten Wunſche, die bibliſche Wahr¬<lb/> heit zu verkuͤndigen, entſprang daher in ſpaͤterer Zeit ein ſo<lb/> ſehnliches Verlangen, als Miſſionaͤr unter den Heiden das<lb/> Evangelium zu predigen, daß er wiederholt den ihm befreun¬<lb/> deten Prediger deshalb um Rath befragte. Dieſer rieth ihm<lb/> zwar davon ab, da er ſchon zu alt ſei, um die dazu erfor¬<lb/> derlichen fremden Sprachen noch mit Erfolg lernen zu koͤnnen,<lb/> indeß erregte dies in ihm eben ſo wenig ein Bedenken, als<lb/> die Vorſtellung, daß er als Miſſionaͤr ſich wahrſcheinlich von<lb/> ſeiner Familie werde trennen muͤſſen, indem er ſich mit dem<lb/> Ausſpruch Chriſti ermuthigte: Wer Vater und Mutter, Weib<lb/> und Kind, das Leben mehr liebt als mich, der iſt meiner<lb/> nicht werth. Deshalb ſchrieb er noch vor wenigen Jahren an<lb/> einen hochgeſtellten Mann, um durch deſſen Vermittelung Auf¬<lb/> nahme in eine Miſſionsanſtalt zu finden, wobei er ſich des<lb/> Ausdrucks bediente, daß ihm vom Geiſte Gottes eingegeben<lb/> worden ſei, was Andere ſich erſt erwerben koͤnnten, nachdem<lb/> ſie Tauſende von Thalern auf ewandt haͤtten. Da er keine<lb/> Antwort erhielt, ſo ſah er hierin einen Fingerzeig, daß Gott<lb/> ſeinen Vorſatz verwerfe, daher er denn von demſelben abſtand.<lb/> Uebrigens verſichert er nichts weniger als ein Kopfhaͤnger,<lb/> vielmehr ſo lebensfroh geweſen zu ſein, daß er mit ſeiner<lb/> Familie oͤfters anſtaͤndige Vergnuͤgungsoͤrter beſucht, und noch<lb/> lieber in der freien Natur ſich ergangen habe.</p><lb/> <p>Am Weihnachtsfeſte 1845 traf er in der Kirche mit<lb/> einem ihm unbekannten Manne H. zuſammen, und ließ ſich<lb/> vor Anfang des Gottesdienſtes in ein Geſpraͤch mit ihm ein.<lb/> Es muß derſelbe ein fanatiſcher Schwaͤrmer geweſen ſein, da<lb/> er dem G. nicht nur verſicherte, daß Gott und Chriſtus ihm<lb/> erſchienen ſeien, und ihm befohlen haͤtten, an dem Glaubens¬<lb/> werke der Zeit zu arbeiten, ſondern auch an G., welcher<lb/> ihm bei einer ſpaͤteren Gelegenheit das Concept des oben er¬<lb/> waͤhnten Briefes als Beweis ſeines frommen Strebens zeigte,<lb/> die krankende Aeußerung richtete, der Brief ſei nicht aus<lb/> goͤttlicher Geſinnung, ſondern aus Eingebung des Teufels her¬<lb/> vorgegangen. Denn G. wuͤrde, wenn ihm ſeine Bitte ge¬<lb/> waͤhrt worden waͤre, den Menſchen gedankt haben, da doch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [188/0196]
goͤttlichen Lichts aus dem Evangelium beraubt ſeien. Aus
ſeinem in fruͤher Jugend gehegten Wunſche, die bibliſche Wahr¬
heit zu verkuͤndigen, entſprang daher in ſpaͤterer Zeit ein ſo
ſehnliches Verlangen, als Miſſionaͤr unter den Heiden das
Evangelium zu predigen, daß er wiederholt den ihm befreun¬
deten Prediger deshalb um Rath befragte. Dieſer rieth ihm
zwar davon ab, da er ſchon zu alt ſei, um die dazu erfor¬
derlichen fremden Sprachen noch mit Erfolg lernen zu koͤnnen,
indeß erregte dies in ihm eben ſo wenig ein Bedenken, als
die Vorſtellung, daß er als Miſſionaͤr ſich wahrſcheinlich von
ſeiner Familie werde trennen muͤſſen, indem er ſich mit dem
Ausſpruch Chriſti ermuthigte: Wer Vater und Mutter, Weib
und Kind, das Leben mehr liebt als mich, der iſt meiner
nicht werth. Deshalb ſchrieb er noch vor wenigen Jahren an
einen hochgeſtellten Mann, um durch deſſen Vermittelung Auf¬
nahme in eine Miſſionsanſtalt zu finden, wobei er ſich des
Ausdrucks bediente, daß ihm vom Geiſte Gottes eingegeben
worden ſei, was Andere ſich erſt erwerben koͤnnten, nachdem
ſie Tauſende von Thalern auf ewandt haͤtten. Da er keine
Antwort erhielt, ſo ſah er hierin einen Fingerzeig, daß Gott
ſeinen Vorſatz verwerfe, daher er denn von demſelben abſtand.
Uebrigens verſichert er nichts weniger als ein Kopfhaͤnger,
vielmehr ſo lebensfroh geweſen zu ſein, daß er mit ſeiner
Familie oͤfters anſtaͤndige Vergnuͤgungsoͤrter beſucht, und noch
lieber in der freien Natur ſich ergangen habe.
Am Weihnachtsfeſte 1845 traf er in der Kirche mit
einem ihm unbekannten Manne H. zuſammen, und ließ ſich
vor Anfang des Gottesdienſtes in ein Geſpraͤch mit ihm ein.
Es muß derſelbe ein fanatiſcher Schwaͤrmer geweſen ſein, da
er dem G. nicht nur verſicherte, daß Gott und Chriſtus ihm
erſchienen ſeien, und ihm befohlen haͤtten, an dem Glaubens¬
werke der Zeit zu arbeiten, ſondern auch an G., welcher
ihm bei einer ſpaͤteren Gelegenheit das Concept des oben er¬
waͤhnten Briefes als Beweis ſeines frommen Strebens zeigte,
die krankende Aeußerung richtete, der Brief ſei nicht aus
goͤttlicher Geſinnung, ſondern aus Eingebung des Teufels her¬
vorgegangen. Denn G. wuͤrde, wenn ihm ſeine Bitte ge¬
waͤhrt worden waͤre, den Menſchen gedankt haben, da doch
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