Iffland, August Wilhelm: Die Jäger. Berlin, 1785. Pastor. Nun, muthig im Guten -- Ihr Herz be- halte die Oberhand, da die Vernunft ihm sagt, daß man Gott nicht ehrt, wenn man Menschenglück vernichtet. Obfstn. Es thut mir leid -- es zerreißt mir das Herz, ich weine vor Angst. Aber man muß seine Schul- digkeit thun, ohne Menschenfurcht, Herr Pastor -- ohne Menschenfurcht. Sie aber hätte ich für viel zu brav ge- halten, als daß Sie sich von dem neumodischen Leicht- sin hätten hinreissen lassen. Pastor. Neumodisch? -- Menschenliebe ist so alt, als die Religion. -- Nun meine lezte Vorstellung. Sie sind alt -- Ihr Sohn kann diese Heirath verschie- ben -- wollen Sie ihn zwingen, von dem Tage Ihres Todes an sein Glück zu rechnen? Obfstn. Will er so gottlos sein -- Gott mag es ihm vergeben! -- ich kann nicht anders. Pastor. (mit edlem Eifer.) O Vorurtheil! stärker als Mutterliebe für den einzigen Sohn -- bist du so Herr über die besseren Menschen? Was kann man vom Haufen erwarten! Sie lassen mich bekümmert von hier gehen. -- Nur das sage ich Ihnen noch -- ehren Sie diese verderbliche Beharrlichkeit nicht mit dem Na- men: Religionseifer. Jener ist erhaben und mild; was Sie äußern, ist Groll gegen Menschen, die -- -- Paſtor. Nun, muthig im Guten — Ihr Herz be- halte die Oberhand, da die Vernunft ihm ſagt, daß man Gott nicht ehrt, wenn man Menſchengluͤck vernichtet. Obfſtn. Es thut mir leid — es zerreißt mir das Herz, ich weine vor Angſt. Aber man muß ſeine Schul- digkeit thun, ohne Menſchenfurcht, Herr Paſtor — ohne Menſchenfurcht. Sie aber haͤtte ich fuͤr viel zu brav ge- halten, als daß Sie ſich von dem neumodiſchen Leicht- ſin haͤtten hinreiſſen laſſen. Paſtor. Neumodiſch? — Menſchenliebe iſt ſo alt, als die Religion. — Nun meine lezte Vorſtellung. Sie ſind alt — Ihr Sohn kann dieſe Heirath verſchie- ben — wollen Sie ihn zwingen, von dem Tage Ihres Todes an ſein Gluͤck zu rechnen? Obfſtn. Will er ſo gottlos ſein — Gott mag es ihm vergeben! — ich kann nicht anders. Paſtor. (mit edlem Eifer.) O Vorurtheil! ſtaͤrker als Mutterliebe fuͤr den einzigen Sohn — biſt du ſo Herr uͤber die beſſeren Menſchen? Was kann man vom Haufen erwarten! Sie laſſen mich bekuͤmmert von hier gehen. — Nur das ſage ich Ihnen noch — ehren Sie dieſe verderbliche Beharrlichkeit nicht mit dem Na- men: Religionseifer. Jener iſt erhaben und mild; was Sie aͤußern, iſt Groll gegen Menſchen, die — — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0090" n="84"/> <sp who="#PAS"> <speaker>Paſtor.</speaker> <p>Nun, muthig im Guten — Ihr Herz be-<lb/> halte die Oberhand, da die Vernunft ihm ſagt, daß man<lb/> Gott nicht ehrt, wenn man Menſchengluͤck vernichtet.</p> </sp><lb/> <sp who="#OBEI"> <speaker>Obfſtn.</speaker> <p>Es thut mir leid — es zerreißt mir das<lb/> Herz, ich weine vor Angſt. Aber man muß ſeine Schul-<lb/> digkeit thun, ohne Menſchenfurcht, Herr Paſtor — ohne<lb/> Menſchenfurcht. Sie aber haͤtte ich fuͤr viel zu brav ge-<lb/> halten, als daß Sie ſich von dem neumodiſchen Leicht-<lb/> ſin haͤtten hinreiſſen laſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#PAS"> <speaker>Paſtor.</speaker> <p>Neumodiſch? — Menſchenliebe iſt ſo alt,<lb/> als die Religion. — Nun meine lezte Vorſtellung.<lb/> Sie ſind alt — Ihr Sohn kann dieſe Heirath verſchie-<lb/> ben — wollen Sie ihn zwingen, von dem Tage Ihres<lb/> Todes an ſein Gluͤck zu rechnen?</p> </sp><lb/> <sp who="#OBEI"> <speaker>Obfſtn.</speaker> <p>Will er ſo gottlos ſein — Gott mag es<lb/> ihm vergeben! — ich kann nicht anders.</p> </sp><lb/> <sp who="#PAS"> <speaker>Paſtor.</speaker> <stage>(mit edlem Eifer.)</stage> <p>O Vorurtheil! ſtaͤrker<lb/> als Mutterliebe fuͤr den einzigen Sohn — biſt du ſo<lb/> Herr uͤber die <hi rendition="#g">beſſeren</hi> Menſchen? Was kann man<lb/> vom Haufen erwarten! Sie laſſen mich bekuͤmmert von<lb/> hier gehen. — Nur das ſage ich Ihnen noch — ehren<lb/> Sie dieſe verderbliche Beharrlichkeit nicht mit dem Na-<lb/> men: Religionseifer. Jener iſt erhaben und mild;<lb/> was Sie aͤußern, iſt Groll gegen Menſchen, die — —<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0090]
Paſtor. Nun, muthig im Guten — Ihr Herz be-
halte die Oberhand, da die Vernunft ihm ſagt, daß man
Gott nicht ehrt, wenn man Menſchengluͤck vernichtet.
Obfſtn. Es thut mir leid — es zerreißt mir das
Herz, ich weine vor Angſt. Aber man muß ſeine Schul-
digkeit thun, ohne Menſchenfurcht, Herr Paſtor — ohne
Menſchenfurcht. Sie aber haͤtte ich fuͤr viel zu brav ge-
halten, als daß Sie ſich von dem neumodiſchen Leicht-
ſin haͤtten hinreiſſen laſſen.
Paſtor. Neumodiſch? — Menſchenliebe iſt ſo alt,
als die Religion. — Nun meine lezte Vorſtellung.
Sie ſind alt — Ihr Sohn kann dieſe Heirath verſchie-
ben — wollen Sie ihn zwingen, von dem Tage Ihres
Todes an ſein Gluͤck zu rechnen?
Obfſtn. Will er ſo gottlos ſein — Gott mag es
ihm vergeben! — ich kann nicht anders.
Paſtor. (mit edlem Eifer.) O Vorurtheil! ſtaͤrker
als Mutterliebe fuͤr den einzigen Sohn — biſt du ſo
Herr uͤber die beſſeren Menſchen? Was kann man
vom Haufen erwarten! Sie laſſen mich bekuͤmmert von
hier gehen. — Nur das ſage ich Ihnen noch — ehren
Sie dieſe verderbliche Beharrlichkeit nicht mit dem Na-
men: Religionseifer. Jener iſt erhaben und mild;
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