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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sie ihr Gebet vollendet, sie erhob sich, wickelte sich fröstelnd in ihren schwarzen Mantel und wollte an mir durchgehn. Der Schnee hatte aufgehört, der Himmel war hell geworden, der Vollmond übergoß alle Gegenstände mit der Klarheit eines matten Tages. Indem die Büßerin sich mir nahte, blickte sie mir ins Gesicht, ich sehe sie eine heftige Bewegung mit der Hand machen, ich höre einen Schrei, dem ein convulsivischer Husten folgt, unter Zuckungen sinkt sie auf die Bank vor dem Crucifixe. Ich eile zu der Leidenden, ich schlage den Kragen des Mantels, den sie wie eine Capuze über dem Haupte trug, zurück, ihr Gesicht wird frei, und -- ich meine vor Schreck und Entsetzen zu vergehn! Sollte sich denn heute Alles vereinigen, mich um Sinn und Verstand zu bringen? Sidonie! ruf ich überlaut, denn sie war es ja, sie blieb es, ich mochte meine Augen Lügner schelten, ich mochte mir sagen, mir zehnmal sagen, daß ja eben Sidonie mich verlassen habe, vor mir verschwunden sei unter wildem Scherz, unter ausschweifender Neckerei, daß dieses blasse, zerstörte Gesicht, diese hohlen Augen nicht Sidoniens sein könnten. Ich bin Sidonie, sagte die Bleiche mit schwacher hektischer Stimme. Jetzt müssen wir uns wiedersehen, hier, welch ein wunderbarer Zufall! -- Um Gotteswillen, Sidonie, rief ich, retten Sie meinen Kopf, der zu erkranken beginnt! Sind Sie doppelt? war Jene oder sind Sie ein Gespenst? Sie haben mich ja hieher eingeladen, Sie waren ja auf dem Carneval mit mir maskirt! -- Ich -- auf dem Carneval? erwiderte

sie ihr Gebet vollendet, sie erhob sich, wickelte sich fröstelnd in ihren schwarzen Mantel und wollte an mir durchgehn. Der Schnee hatte aufgehört, der Himmel war hell geworden, der Vollmond übergoß alle Gegenstände mit der Klarheit eines matten Tages. Indem die Büßerin sich mir nahte, blickte sie mir ins Gesicht, ich sehe sie eine heftige Bewegung mit der Hand machen, ich höre einen Schrei, dem ein convulsivischer Husten folgt, unter Zuckungen sinkt sie auf die Bank vor dem Crucifixe. Ich eile zu der Leidenden, ich schlage den Kragen des Mantels, den sie wie eine Capuze über dem Haupte trug, zurück, ihr Gesicht wird frei, und — ich meine vor Schreck und Entsetzen zu vergehn! Sollte sich denn heute Alles vereinigen, mich um Sinn und Verstand zu bringen? Sidonie! ruf ich überlaut, denn sie war es ja, sie blieb es, ich mochte meine Augen Lügner schelten, ich mochte mir sagen, mir zehnmal sagen, daß ja eben Sidonie mich verlassen habe, vor mir verschwunden sei unter wildem Scherz, unter ausschweifender Neckerei, daß dieses blasse, zerstörte Gesicht, diese hohlen Augen nicht Sidoniens sein könnten. Ich bin Sidonie, sagte die Bleiche mit schwacher hektischer Stimme. Jetzt müssen wir uns wiedersehen, hier, welch ein wunderbarer Zufall! — Um Gotteswillen, Sidonie, rief ich, retten Sie meinen Kopf, der zu erkranken beginnt! Sind Sie doppelt? war Jene oder sind Sie ein Gespenst? Sie haben mich ja hieher eingeladen, Sie waren ja auf dem Carneval mit mir maskirt! — Ich — auf dem Carneval? erwiderte

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/88>, abgerufen am 21.11.2024.