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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Sie es glaubten, aber nachher, ja nachher, als ich bedachte, welche überschwängliche Wohlthat Sie mir erzeigt hatten. Mein Freund, mein Retter, mein Engel, du Werkzeug des Himmels! Ich bat dich um das Heilmittel, dort, oben auf dem Felsen, und du hast mir das Heilmittel wirklich gereicht! Meine Auflösung ist nahe. Aber mein Gefühl nehme ich mit hinüber und will es am Throne der ewigen Güte bekennen, denn diesmal hat die Tugend die Liebe geschaffen, was ja, ach! so selten ist. Segen über Sie vom Himmel, Segen auf Ihr unschuldiges, treues Haupt!

Sie umfaßte mein Haupt, sie drückte es an ihre kranke Brust, sie küßte mit kalten Lippen meine Stirn. Ich schluchzte, aufgelös't von Wehmuth; begriff ich sie auch nicht ganz, so fühlte ich doch, daß das tiefste Unglück über mir weine. Es nahte Jemand. Eine Alte kam, gebückt, eiligen Schritts, mit der Laterne den unebnen Weg vor sich erleuchtend. Töchterchen! Töchterchen! rief sie Sidonien gutmüthig scheltend an, bist du mir doch wieder entschlüpft? Kind, Kind, deine arme Brust, und die Nachtkälte! Was soll's hier? -- Beten, Mutter, versetzte Sidonie, bis der Athem ausgeht, knieen, bis die Kniee wund sind. -- Komm nach Hause, sagte die Alte. -- Ja, nach Hause, klang hohl, wie aus dem Grabe, die Antwort. Sie wankte am Arme der Alten fort, ich wollte folgen, Sidonie verbot es mir. Ich blieb auf der Bank vor dem Crucifix sitzen und starrte der Leuchte nach, bis sie verschwunden war. Ich versuchte

Sie es glaubten, aber nachher, ja nachher, als ich bedachte, welche überschwängliche Wohlthat Sie mir erzeigt hatten. Mein Freund, mein Retter, mein Engel, du Werkzeug des Himmels! Ich bat dich um das Heilmittel, dort, oben auf dem Felsen, und du hast mir das Heilmittel wirklich gereicht! Meine Auflösung ist nahe. Aber mein Gefühl nehme ich mit hinüber und will es am Throne der ewigen Güte bekennen, denn diesmal hat die Tugend die Liebe geschaffen, was ja, ach! so selten ist. Segen über Sie vom Himmel, Segen auf Ihr unschuldiges, treues Haupt!

Sie umfaßte mein Haupt, sie drückte es an ihre kranke Brust, sie küßte mit kalten Lippen meine Stirn. Ich schluchzte, aufgelös't von Wehmuth; begriff ich sie auch nicht ganz, so fühlte ich doch, daß das tiefste Unglück über mir weine. Es nahte Jemand. Eine Alte kam, gebückt, eiligen Schritts, mit der Laterne den unebnen Weg vor sich erleuchtend. Töchterchen! Töchterchen! rief sie Sidonien gutmüthig scheltend an, bist du mir doch wieder entschlüpft? Kind, Kind, deine arme Brust, und die Nachtkälte! Was soll's hier? — Beten, Mutter, versetzte Sidonie, bis der Athem ausgeht, knieen, bis die Kniee wund sind. — Komm nach Hause, sagte die Alte. — Ja, nach Hause, klang hohl, wie aus dem Grabe, die Antwort. Sie wankte am Arme der Alten fort, ich wollte folgen, Sidonie verbot es mir. Ich blieb auf der Bank vor dem Crucifix sitzen und starrte der Leuchte nach, bis sie verschwunden war. Ich versuchte

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/90>, abgerufen am 09.11.2024.