Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.niß naht seiner Entwicklung, alle Fragen sollen ihre Antwort finden. Du warst ... stammelte ich. Auf dem Carneval, unter dem Schutze meines Bruders, Fledermaus, Pilgerin, betrogene Frau, Anhörerin zärtlicher Ausrufungen und wohlgesetzter Reden, Empfängerin verschiedener Küsse und Austheilerin einer hoffentlich nicht zu sanften Ohrfeige. -- Und die Anzeige in der Carnevalszeitung? War von mir. -- Was hat dich bewogen, fuhr ich leidenschaftlich auf, diesen verwegenen Scherz mit deinem Manne zu treiben? Laune, Etourderie, ein unüberwindlicher Kitzel, zu erproben, wie weit der Herr Gemahl mir angehören -- vielleicht ein bischen Verdruß über deine somnambüle Liebschaft. Es wäre wahrscheinlich vernünftiger gewesen, wenn ich's nicht gethan hätte; wer weiß, ob es geschähe, müßte ich es noch thun. Nun, es ist einmal geschehen, wer kann es ungeschehen machen? Vergieb mir! Mein Bruder weiß von dem eigentlichen Zusammenhange der Sache nichts, er denkt, denn so habe ich es ihm gesagt, daß ich nur einen gewöhnlichen Carnevalsscherz mit dir getrieben habe. Fühle dich in die Stimmung einer armen Frau, die in bedeutenden mystischen Ausrufungen immer von einem Wesen höherer Art hören muß, der ein Brillantring als unschätzbares Erinnerungszeichen köstlicher Stunden gezeigt wird, die dann auf einmal Licht über niß naht seiner Entwicklung, alle Fragen sollen ihre Antwort finden. Du warst ... stammelte ich. Auf dem Carneval, unter dem Schutze meines Bruders, Fledermaus, Pilgerin, betrogene Frau, Anhörerin zärtlicher Ausrufungen und wohlgesetzter Reden, Empfängerin verschiedener Küsse und Austheilerin einer hoffentlich nicht zu sanften Ohrfeige. — Und die Anzeige in der Carnevalszeitung? War von mir. — Was hat dich bewogen, fuhr ich leidenschaftlich auf, diesen verwegenen Scherz mit deinem Manne zu treiben? Laune, Etourderie, ein unüberwindlicher Kitzel, zu erproben, wie weit der Herr Gemahl mir angehören — vielleicht ein bischen Verdruß über deine somnambüle Liebschaft. Es wäre wahrscheinlich vernünftiger gewesen, wenn ich's nicht gethan hätte; wer weiß, ob es geschähe, müßte ich es noch thun. Nun, es ist einmal geschehen, wer kann es ungeschehen machen? Vergieb mir! Mein Bruder weiß von dem eigentlichen Zusammenhange der Sache nichts, er denkt, denn so habe ich es ihm gesagt, daß ich nur einen gewöhnlichen Carnevalsscherz mit dir getrieben habe. Fühle dich in die Stimmung einer armen Frau, die in bedeutenden mystischen Ausrufungen immer von einem Wesen höherer Art hören muß, der ein Brillantring als unschätzbares Erinnerungszeichen köstlicher Stunden gezeigt wird, die dann auf einmal Licht über <TEI> <text> <body> <div n="17"> <p><pb facs="#f0093"/> niß naht seiner Entwicklung, alle Fragen sollen ihre Antwort finden.</p><lb/> <p>Du warst ... stammelte ich.</p><lb/> <p>Auf dem Carneval, unter dem Schutze meines Bruders, Fledermaus, Pilgerin, betrogene Frau, Anhörerin zärtlicher Ausrufungen und wohlgesetzter Reden, Empfängerin verschiedener Küsse und Austheilerin einer hoffentlich nicht zu sanften Ohrfeige. —</p><lb/> <p>Und die Anzeige in der Carnevalszeitung?</p><lb/> <p>War von mir. —</p><lb/> <p>Was hat dich bewogen, fuhr ich leidenschaftlich auf, diesen verwegenen Scherz mit deinem Manne zu treiben?</p><lb/> <p>Laune, Etourderie, ein unüberwindlicher Kitzel, zu erproben, wie weit der Herr Gemahl mir angehören — vielleicht ein bischen Verdruß über deine somnambüle Liebschaft. Es wäre wahrscheinlich vernünftiger gewesen, wenn ich's nicht gethan hätte; wer weiß, ob es geschähe, müßte ich es noch thun. Nun, es ist einmal geschehen, wer kann es ungeschehen machen? Vergieb mir! Mein Bruder weiß von dem eigentlichen Zusammenhange der Sache nichts, er denkt, denn so habe ich es ihm gesagt, daß ich nur einen gewöhnlichen Carnevalsscherz mit dir getrieben habe. Fühle dich in die Stimmung einer armen Frau, die in bedeutenden mystischen Ausrufungen immer von einem Wesen höherer Art hören muß, der ein Brillantring als unschätzbares Erinnerungszeichen köstlicher Stunden gezeigt wird, die dann auf einmal Licht über<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0093]
niß naht seiner Entwicklung, alle Fragen sollen ihre Antwort finden.
Du warst ... stammelte ich.
Auf dem Carneval, unter dem Schutze meines Bruders, Fledermaus, Pilgerin, betrogene Frau, Anhörerin zärtlicher Ausrufungen und wohlgesetzter Reden, Empfängerin verschiedener Küsse und Austheilerin einer hoffentlich nicht zu sanften Ohrfeige. —
Und die Anzeige in der Carnevalszeitung?
War von mir. —
Was hat dich bewogen, fuhr ich leidenschaftlich auf, diesen verwegenen Scherz mit deinem Manne zu treiben?
Laune, Etourderie, ein unüberwindlicher Kitzel, zu erproben, wie weit der Herr Gemahl mir angehören — vielleicht ein bischen Verdruß über deine somnambüle Liebschaft. Es wäre wahrscheinlich vernünftiger gewesen, wenn ich's nicht gethan hätte; wer weiß, ob es geschähe, müßte ich es noch thun. Nun, es ist einmal geschehen, wer kann es ungeschehen machen? Vergieb mir! Mein Bruder weiß von dem eigentlichen Zusammenhange der Sache nichts, er denkt, denn so habe ich es ihm gesagt, daß ich nur einen gewöhnlichen Carnevalsscherz mit dir getrieben habe. Fühle dich in die Stimmung einer armen Frau, die in bedeutenden mystischen Ausrufungen immer von einem Wesen höherer Art hören muß, der ein Brillantring als unschätzbares Erinnerungszeichen köstlicher Stunden gezeigt wird, die dann auf einmal Licht über
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T12:19:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T12:19:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |