gegeben, der seitdem in der Welt auftrat. Ja, um mich eines Gleichnisses aus einer seiner abge- schmackten Fabeln zu bedienen, es erging der Menschheit nachmals mit jedem falschen Propheten wie dem Bären, den der Ahnherr an die honigbe- schmierte Wagenstange lockte, und der sich durch und durch auf selbige hinaufleckte. Denn es mochte den Leuten etwas noch so Unglaubliches vorgeschwätzt werden, sie riefen immer: Das muß wahr seyn; Münchhausen hat ganz andre Sachen erfahren! So leckten sich die Leute vor fünfzig bis sechszig Jahren auf den Eiszapfen der Auf- klärung hinauf, und als sie mit Mühe und Noth von diesem wieder heruntergeschroben waren, und die grimmige Erkältung noch in ihren Einge- weiden rasselte, da kamen die Franzosen und hiel- ten ihnen den Freiheitsbaum vor, mit einer Mischung von Sirup und Cognac bestrichen, und die Narren leckten wieder so tapfer darauf los, daß sie bald Alle mit Schmerzen an dem stach- lichten Stamme festsaßen, und Napoleon mit leichter Mühe sie daran hinter sich herziehen konnte. Nun, diese Begeisterung nahm denn endlich auch ein Ende mit Schrecken und gegenwärtig ...
gegeben, der ſeitdem in der Welt auftrat. Ja, um mich eines Gleichniſſes aus einer ſeiner abge- ſchmackten Fabeln zu bedienen, es erging der Menſchheit nachmals mit jedem falſchen Propheten wie dem Bären, den der Ahnherr an die honigbe- ſchmierte Wagenſtange lockte, und der ſich durch und durch auf ſelbige hinaufleckte. Denn es mochte den Leuten etwas noch ſo Unglaubliches vorgeſchwätzt werden, ſie riefen immer: Das muß wahr ſeyn; Münchhauſen hat ganz andre Sachen erfahren! So leckten ſich die Leute vor fünfzig bis ſechszig Jahren auf den Eiszapfen der Auf- klärung hinauf, und als ſie mit Mühe und Noth von dieſem wieder heruntergeſchroben waren, und die grimmige Erkältung noch in ihren Einge- weiden raſſelte, da kamen die Franzoſen und hiel- ten ihnen den Freiheitsbaum vor, mit einer Miſchung von Sirup und Cognac beſtrichen, und die Narren leckten wieder ſo tapfer darauf los, daß ſie bald Alle mit Schmerzen an dem ſtach- lichten Stamme feſtſaßen, und Napoleon mit leichter Mühe ſie daran hinter ſich herziehen konnte. Nun, dieſe Begeiſterung nahm denn endlich auch ein Ende mit Schrecken und gegenwärtig …
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0013"n="5"/>
gegeben, der ſeitdem in der Welt auftrat. Ja,<lb/>
um mich eines Gleichniſſes aus einer ſeiner abge-<lb/>ſchmackten Fabeln zu bedienen, es erging der<lb/>
Menſchheit nachmals mit jedem falſchen Propheten<lb/>
wie dem Bären, den der Ahnherr an die honigbe-<lb/>ſchmierte Wagenſtange lockte, und der ſich durch<lb/>
und durch auf ſelbige hinaufleckte. Denn es<lb/>
mochte den Leuten etwas noch ſo Unglaubliches<lb/>
vorgeſchwätzt werden, ſie riefen immer: Das muß<lb/>
wahr ſeyn; Münchhauſen hat ganz andre Sachen<lb/>
erfahren! So leckten ſich die Leute vor fünfzig<lb/>
bis ſechszig Jahren auf den Eiszapfen der Auf-<lb/>
klärung hinauf, und als ſie mit Mühe und Noth<lb/>
von dieſem wieder heruntergeſchroben waren, und<lb/>
die grimmige Erkältung noch in ihren Einge-<lb/>
weiden raſſelte, da kamen die Franzoſen und hiel-<lb/>
ten ihnen den Freiheitsbaum vor, mit einer<lb/>
Miſchung von Sirup und Cognac beſtrichen, und<lb/>
die Narren leckten wieder ſo tapfer darauf los,<lb/>
daß ſie bald Alle mit Schmerzen an dem ſtach-<lb/>
lichten Stamme feſtſaßen, und Napoleon mit<lb/>
leichter Mühe ſie daran hinter ſich herziehen<lb/>
konnte. Nun, dieſe Begeiſterung nahm denn endlich<lb/>
auch ein Ende mit Schrecken und gegenwärtig …</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[5/0013]
gegeben, der ſeitdem in der Welt auftrat. Ja,
um mich eines Gleichniſſes aus einer ſeiner abge-
ſchmackten Fabeln zu bedienen, es erging der
Menſchheit nachmals mit jedem falſchen Propheten
wie dem Bären, den der Ahnherr an die honigbe-
ſchmierte Wagenſtange lockte, und der ſich durch
und durch auf ſelbige hinaufleckte. Denn es
mochte den Leuten etwas noch ſo Unglaubliches
vorgeſchwätzt werden, ſie riefen immer: Das muß
wahr ſeyn; Münchhauſen hat ganz andre Sachen
erfahren! So leckten ſich die Leute vor fünfzig
bis ſechszig Jahren auf den Eiszapfen der Auf-
klärung hinauf, und als ſie mit Mühe und Noth
von dieſem wieder heruntergeſchroben waren, und
die grimmige Erkältung noch in ihren Einge-
weiden raſſelte, da kamen die Franzoſen und hiel-
ten ihnen den Freiheitsbaum vor, mit einer
Miſchung von Sirup und Cognac beſtrichen, und
die Narren leckten wieder ſo tapfer darauf los,
daß ſie bald Alle mit Schmerzen an dem ſtach-
lichten Stamme feſtſaßen, und Napoleon mit
leichter Mühe ſie daran hinter ſich herziehen
konnte. Nun, dieſe Begeiſterung nahm denn endlich
auch ein Ende mit Schrecken und gegenwärtig …
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/13>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.