Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

gethan. Besonders war an ihm ein scharfes
Ahnungsvermögen für eigne Körperzustände ausge-
bildet worden, und Alles, was nachmals in diesem
Betreff von nervösen oder somnambülen Personen
erzählt worden ist, war Kleinigkeit gegen das, was
glaubwürdige Gewährsmänner mir von ihm berich-
tet haben. Er wußte an sich selbst jede Befin-
densveränderung, wie die Homöopathen die Krank-
heiten nennen, vorauszuspüren, und trug, so zu
sagen, seine ganze somatische Zukunft, im Geruch
vorgebildet, mit sich umher. Daß Einer merkt,
wenn ein Schnupfen bei ihm im Anzug ist, will
nicht viel bedeuten; aber durch den Schnupfen
hindurch die späteren Uebel, die ihn noch betreffen
sollen, zu merken, ist allerdings nicht Jedem gege-
ben. Theophilus, sagte der Ahnherr eines Tages
zu dem Manne, der mein Vater vor der Welt
heißt, Theophilus, ich kriege morgen einen rech-
schaffenen Schnupfen, wenn der vorüber ist, giebt's
ein kaltes Fieberchen, und darnach wird der Rest
der bösen Schärfe als Podagra in den rechten Fuß
fahren. Und richtig, so kam es. Er hatte durch den
Schnupfen hindurch das kalte Fieber, durch dieses
hindurch das Podagra an sich abgewittert.


gethan. Beſonders war an ihm ein ſcharfes
Ahnungsvermögen für eigne Körperzuſtände ausge-
bildet worden, und Alles, was nachmals in dieſem
Betreff von nervöſen oder ſomnambülen Perſonen
erzählt worden iſt, war Kleinigkeit gegen das, was
glaubwürdige Gewährsmänner mir von ihm berich-
tet haben. Er wußte an ſich ſelbſt jede Befin-
densveränderung, wie die Homöopathen die Krank-
heiten nennen, vorauszuſpüren, und trug, ſo zu
ſagen, ſeine ganze ſomatiſche Zukunft, im Geruch
vorgebildet, mit ſich umher. Daß Einer merkt,
wenn ein Schnupfen bei ihm im Anzug iſt, will
nicht viel bedeuten; aber durch den Schnupfen
hindurch die ſpäteren Uebel, die ihn noch betreffen
ſollen, zu merken, iſt allerdings nicht Jedem gege-
ben. Theophilus, ſagte der Ahnherr eines Tages
zu dem Manne, der mein Vater vor der Welt
heißt, Theophilus, ich kriege morgen einen rech-
ſchaffenen Schnupfen, wenn der vorüber iſt, giebt’s
ein kaltes Fieberchen, und darnach wird der Reſt
der böſen Schärfe als Podagra in den rechten Fuß
fahren. Und richtig, ſo kam es. Er hatte durch den
Schnupfen hindurch das kalte Fieber, durch dieſes
hindurch das Podagra an ſich abgewittert.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0015" n="7"/>
gethan. Be&#x017F;onders war an ihm ein &#x017F;charfes<lb/>
Ahnungsvermögen für eigne Körperzu&#x017F;tände ausge-<lb/>
bildet worden, und Alles, was nachmals in die&#x017F;em<lb/>
Betreff von nervö&#x017F;en oder &#x017F;omnambülen Per&#x017F;onen<lb/>
erzählt worden i&#x017F;t, war Kleinigkeit gegen das, was<lb/>
glaubwürdige Gewährsmänner mir von ihm berich-<lb/>
tet haben. Er wußte an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t jede Befin-<lb/>
densveränderung, wie die Homöopathen die Krank-<lb/>
heiten nennen, vorauszu&#x017F;püren, und trug, &#x017F;o zu<lb/>
&#x017F;agen, &#x017F;eine ganze &#x017F;omati&#x017F;che Zukunft, im Geruch<lb/>
vorgebildet, mit &#x017F;ich umher. Daß Einer merkt,<lb/>
wenn ein Schnupfen bei ihm im Anzug i&#x017F;t, will<lb/>
nicht viel bedeuten; aber durch den Schnupfen<lb/>
hindurch die &#x017F;päteren Uebel, die ihn noch betreffen<lb/>
&#x017F;ollen, zu merken, i&#x017F;t allerdings nicht Jedem gege-<lb/>
ben. Theophilus, &#x017F;agte der Ahnherr eines Tages<lb/>
zu dem Manne, der mein Vater vor der Welt<lb/>
heißt, Theophilus, ich kriege morgen einen rech-<lb/>
&#x017F;chaffenen Schnupfen, wenn der vorüber i&#x017F;t, giebt&#x2019;s<lb/>
ein kaltes Fieberchen, und darnach wird der Re&#x017F;t<lb/>
der bö&#x017F;en Schärfe als Podagra in den rechten Fuß<lb/>
fahren. Und richtig, &#x017F;o kam es. Er hatte durch den<lb/>
Schnupfen hindurch das kalte Fieber, durch die&#x017F;es<lb/>
hindurch das Podagra an &#x017F;ich abgewittert.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0015] gethan. Beſonders war an ihm ein ſcharfes Ahnungsvermögen für eigne Körperzuſtände ausge- bildet worden, und Alles, was nachmals in dieſem Betreff von nervöſen oder ſomnambülen Perſonen erzählt worden iſt, war Kleinigkeit gegen das, was glaubwürdige Gewährsmänner mir von ihm berich- tet haben. Er wußte an ſich ſelbſt jede Befin- densveränderung, wie die Homöopathen die Krank- heiten nennen, vorauszuſpüren, und trug, ſo zu ſagen, ſeine ganze ſomatiſche Zukunft, im Geruch vorgebildet, mit ſich umher. Daß Einer merkt, wenn ein Schnupfen bei ihm im Anzug iſt, will nicht viel bedeuten; aber durch den Schnupfen hindurch die ſpäteren Uebel, die ihn noch betreffen ſollen, zu merken, iſt allerdings nicht Jedem gege- ben. Theophilus, ſagte der Ahnherr eines Tages zu dem Manne, der mein Vater vor der Welt heißt, Theophilus, ich kriege morgen einen rech- ſchaffenen Schnupfen, wenn der vorüber iſt, giebt’s ein kaltes Fieberchen, und darnach wird der Reſt der böſen Schärfe als Podagra in den rechten Fuß fahren. Und richtig, ſo kam es. Er hatte durch den Schnupfen hindurch das kalte Fieber, durch dieſes hindurch das Podagra an ſich abgewittert.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/15
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/15>, abgerufen am 03.12.2024.