Topfe, der ihm den spartanischen Becher oder Ko- thon bedeuten mußte, und von welchem er rühmte, daß er, wie jenes antike Schöpfgefäß, wegen seines eingebognen Randes jegliches Trübe und Unreine vom Munde abhalte; alle Woche aber holte er vom Schlosse sich frisches Stroh zur Lagerstatt, und hieß dieß, sich Schilf im Eurotos schneiden.
Nach einiger Zeit hatte der Baron alle Furcht vor seinem Gaste verloren. Denn er bemerkte, daß dieser über jeden Gegenstand so verständig dachte und redete, wie der gesetzteste Alltags- mensch, und daß auch seine spartanischen Vor- stellungen sich zu einer sogenannten unschädlichen Schrolle, oder zu dem, was man den Wurm bei einem Menschen nennt, gemildert hatten. In der That mußte er gestehen, daß unter den Ge- setzen Schmalhansens, des Küchenmeisters, die über Schloß und Gartenhäuschen herrschten, die lacedämonische Einfachheit vollkommen gerechtfer- tigt war, und daß ihrem Anhänger daher die Zugabe von der Ahnenschaft des Königs Agesilaus wohl mit durchgehen konnte. Seine Gesellschaft wurde ihm nun sehr lieb; er hatte doch Jemand, mit dem er in den langen Herbst- und Winterabenden
Topfe, der ihm den ſpartaniſchen Becher oder Ko- thon bedeuten mußte, und von welchem er rühmte, daß er, wie jenes antike Schöpfgefäß, wegen ſeines eingebognen Randes jegliches Trübe und Unreine vom Munde abhalte; alle Woche aber holte er vom Schloſſe ſich friſches Stroh zur Lagerſtatt, und hieß dieß, ſich Schilf im Eurotos ſchneiden.
Nach einiger Zeit hatte der Baron alle Furcht vor ſeinem Gaſte verloren. Denn er bemerkte, daß dieſer über jeden Gegenſtand ſo verſtändig dachte und redete, wie der geſetzteſte Alltags- menſch, und daß auch ſeine ſpartaniſchen Vor- ſtellungen ſich zu einer ſogenannten unſchädlichen Schrolle, oder zu dem, was man den Wurm bei einem Menſchen nennt, gemildert hatten. In der That mußte er geſtehen, daß unter den Ge- ſetzen Schmalhanſens, des Küchenmeiſters, die über Schloß und Gartenhäuschen herrſchten, die lacedämoniſche Einfachheit vollkommen gerechtfer- tigt war, und daß ihrem Anhänger daher die Zugabe von der Ahnenſchaft des Königs Ageſilaus wohl mit durchgehen konnte. Seine Geſellſchaft wurde ihm nun ſehr lieb; er hatte doch Jemand, mit dem er in den langen Herbſt- und Winterabenden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0166"n="158"/>
Topfe, der ihm den ſpartaniſchen Becher oder Ko-<lb/>
thon bedeuten mußte, und von welchem er rühmte,<lb/>
daß er, wie jenes antike Schöpfgefäß, wegen ſeines<lb/>
eingebognen Randes jegliches Trübe und Unreine<lb/>
vom Munde abhalte; alle Woche aber holte er<lb/>
vom Schloſſe ſich friſches Stroh zur Lagerſtatt,<lb/>
und hieß dieß, ſich Schilf im Eurotos ſchneiden.</p><lb/><p>Nach einiger Zeit hatte der Baron alle Furcht<lb/>
vor ſeinem Gaſte verloren. Denn er bemerkte,<lb/>
daß dieſer über jeden Gegenſtand ſo verſtändig<lb/>
dachte und redete, wie der geſetzteſte Alltags-<lb/>
menſch, und daß auch ſeine ſpartaniſchen Vor-<lb/>ſtellungen ſich zu einer ſogenannten unſchädlichen<lb/>
Schrolle, oder zu dem, was man den Wurm bei<lb/>
einem Menſchen nennt, gemildert hatten. In der<lb/>
That mußte er geſtehen, daß unter den Ge-<lb/>ſetzen Schmalhanſens, des Küchenmeiſters, die<lb/>
über Schloß und Gartenhäuschen herrſchten, die<lb/>
lacedämoniſche Einfachheit vollkommen gerechtfer-<lb/>
tigt war, und daß ihrem Anhänger daher die Zugabe<lb/>
von der Ahnenſchaft des Königs Ageſilaus wohl<lb/>
mit durchgehen konnte. Seine Geſellſchaft wurde<lb/>
ihm nun ſehr lieb; er hatte doch Jemand, mit<lb/>
dem er in den langen Herbſt- und Winterabenden<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[158/0166]
Topfe, der ihm den ſpartaniſchen Becher oder Ko-
thon bedeuten mußte, und von welchem er rühmte,
daß er, wie jenes antike Schöpfgefäß, wegen ſeines
eingebognen Randes jegliches Trübe und Unreine
vom Munde abhalte; alle Woche aber holte er
vom Schloſſe ſich friſches Stroh zur Lagerſtatt,
und hieß dieß, ſich Schilf im Eurotos ſchneiden.
Nach einiger Zeit hatte der Baron alle Furcht
vor ſeinem Gaſte verloren. Denn er bemerkte,
daß dieſer über jeden Gegenſtand ſo verſtändig
dachte und redete, wie der geſetzteſte Alltags-
menſch, und daß auch ſeine ſpartaniſchen Vor-
ſtellungen ſich zu einer ſogenannten unſchädlichen
Schrolle, oder zu dem, was man den Wurm bei
einem Menſchen nennt, gemildert hatten. In der
That mußte er geſtehen, daß unter den Ge-
ſetzen Schmalhanſens, des Küchenmeiſters, die
über Schloß und Gartenhäuschen herrſchten, die
lacedämoniſche Einfachheit vollkommen gerechtfer-
tigt war, und daß ihrem Anhänger daher die Zugabe
von der Ahnenſchaft des Königs Ageſilaus wohl
mit durchgehen konnte. Seine Geſellſchaft wurde
ihm nun ſehr lieb; er hatte doch Jemand, mit
dem er in den langen Herbſt- und Winterabenden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/166>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.