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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Nach einigen Minuten erseufzte das Fräulein
am trocknen Wasserbecken so laut, daß selbst ihr
Vater am Flötenbläser ohne Flöte und der Schul-
meister auf dem Taygetus es vernahmen. Aus
Sympathie stimmten sie ihrerseits ein, so stark sie
nur vermochten, und es stieg daher ein dreifacher,
gewaltiger Seufzer der Sehnsucht im Garten des
Schlosses Schnick-Schnack-Schnurr empor. Kaum
war er verklungen, so ertonte aus einer Ecke des
Gartens, zunächst der einfassenden Hecke, ein lautes
Geräusch, wie wenn Jemand von einer nicht unbe-
deutenden Höhe herabfalle, ein Hufschlag, wie von
einem davoneilenden Pferde, und das Gespräch
zweier Menschen, von denen der Eine fragte: Wie
ist es, mein gnädiger Herr? Haben Sie sich wehe
gethan? der Andre aber antwortete: Durchaus
nicht, durchaus nicht, du weißt ja, daß mir kein
Sturz etwas thut, auch liegt hier, wie du siehst,
ein weicher Haufen Unkraut und Gras zusammen-
getrieben, auf den bin ich gesunken, als ich aus
den Lüften herniederschwebte. Soll ich dem Pferde
nachrennen? fragte die eine Stimme. Nein, ver-
setzte die Andre, wir sind am Ziel, welches das
Schicksal uns wies. Laß die Creatur auch ihrem

Nach einigen Minuten erſeufzte das Fräulein
am trocknen Waſſerbecken ſo laut, daß ſelbſt ihr
Vater am Flötenbläſer ohne Flöte und der Schul-
meiſter auf dem Taygetus es vernahmen. Aus
Sympathie ſtimmten ſie ihrerſeits ein, ſo ſtark ſie
nur vermochten, und es ſtieg daher ein dreifacher,
gewaltiger Seufzer der Sehnſucht im Garten des
Schloſſes Schnick-Schnack-Schnurr empor. Kaum
war er verklungen, ſo ertonte aus einer Ecke des
Gartens, zunächſt der einfaſſenden Hecke, ein lautes
Geräuſch, wie wenn Jemand von einer nicht unbe-
deutenden Höhe herabfalle, ein Hufſchlag, wie von
einem davoneilenden Pferde, und das Geſpräch
zweier Menſchen, von denen der Eine fragte: Wie
iſt es, mein gnädiger Herr? Haben Sie ſich wehe
gethan? der Andre aber antwortete: Durchaus
nicht, durchaus nicht, du weißt ja, daß mir kein
Sturz etwas thut, auch liegt hier, wie du ſiehſt,
ein weicher Haufen Unkraut und Gras zuſammen-
getrieben, auf den bin ich geſunken, als ich aus
den Lüften herniederſchwebte. Soll ich dem Pferde
nachrennen? fragte die eine Stimme. Nein, ver-
ſetzte die Andre, wir ſind am Ziel, welches das
Schickſal uns wies. Laß die Creatur auch ihrem

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[173/0181] Nach einigen Minuten erſeufzte das Fräulein am trocknen Waſſerbecken ſo laut, daß ſelbſt ihr Vater am Flötenbläſer ohne Flöte und der Schul- meiſter auf dem Taygetus es vernahmen. Aus Sympathie ſtimmten ſie ihrerſeits ein, ſo ſtark ſie nur vermochten, und es ſtieg daher ein dreifacher, gewaltiger Seufzer der Sehnſucht im Garten des Schloſſes Schnick-Schnack-Schnurr empor. Kaum war er verklungen, ſo ertonte aus einer Ecke des Gartens, zunächſt der einfaſſenden Hecke, ein lautes Geräuſch, wie wenn Jemand von einer nicht unbe- deutenden Höhe herabfalle, ein Hufſchlag, wie von einem davoneilenden Pferde, und das Geſpräch zweier Menſchen, von denen der Eine fragte: Wie iſt es, mein gnädiger Herr? Haben Sie ſich wehe gethan? der Andre aber antwortete: Durchaus nicht, durchaus nicht, du weißt ja, daß mir kein Sturz etwas thut, auch liegt hier, wie du ſiehſt, ein weicher Haufen Unkraut und Gras zuſammen- getrieben, auf den bin ich geſunken, als ich aus den Lüften herniederſchwebte. Soll ich dem Pferde nachrennen? fragte die eine Stimme. Nein, ver- ſetzte die Andre, wir ſind am Ziel, welches das Schickſal uns wies. Laß die Creatur auch ihrem

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/181>, abgerufen am 17.05.2024.