Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Hieb lange vergeben, da ich weiß, daß Ihr mich
nicht absichtlich beleidigen wolltet. Zudem könnt
Ihr Andern auch gar nicht fassen, was es bedeutet,
durch die Geburt zu einer Ehre, oder einem Vor-
zuge, oder einem Amte, wie der Geheimerathspo-
sten ist, bestimmt zu seyn. Ihr redet also über
solche Sachen, wie der Blinde von der Farbe, und
man muß Euch Euer Geschwätz darüber nicht so
übel nehmen. Nein, ich blieb nur hier draußen,
weil ich, aufrichtig gesagt, an Liebessachen keinen
sonderlichen Antheil nehme und dachte, Ihr würdet
wohl so gütig seyn, mir einmal unter vier Augen
ohne Umschweif das Ergrünen zu erklären. Ueber-
haupt wünschte ich, bester Münchhausen, meiner
Tochter wegen, Ihr sprächet von Romanenangele-
genheiten wenig oder gar nicht mehr.

Meine Tochter hat in diesem Puncte einen
Sparren, fuhr der Alte mit leiserer Stimme fort,
indem er dicht zu Münchhausen trat. Es ist immer
schlimm, wenn die Frauenzimmer nicht heirathen,
oder keine Kinder bekommen, denn auf Zärtlichkeit
sind denn doch nun einmal die armen Dinger durch-
aus gestellt, und die versetzt sich ihnen dann leicht,
daß sie entweder langweilige, empfindsame Bücher

16*

Hieb lange vergeben, da ich weiß, daß Ihr mich
nicht abſichtlich beleidigen wolltet. Zudem könnt
Ihr Andern auch gar nicht faſſen, was es bedeutet,
durch die Geburt zu einer Ehre, oder einem Vor-
zuge, oder einem Amte, wie der Geheimerathspo-
ſten iſt, beſtimmt zu ſeyn. Ihr redet alſo über
ſolche Sachen, wie der Blinde von der Farbe, und
man muß Euch Euer Geſchwätz darüber nicht ſo
übel nehmen. Nein, ich blieb nur hier draußen,
weil ich, aufrichtig geſagt, an Liebesſachen keinen
ſonderlichen Antheil nehme und dachte, Ihr würdet
wohl ſo gütig ſeyn, mir einmal unter vier Augen
ohne Umſchweif das Ergrünen zu erklären. Ueber-
haupt wünſchte ich, beſter Münchhauſen, meiner
Tochter wegen, Ihr ſprächet von Romanenangele-
genheiten wenig oder gar nicht mehr.

Meine Tochter hat in dieſem Puncte einen
Sparren, fuhr der Alte mit leiſerer Stimme fort,
indem er dicht zu Münchhauſen trat. Es iſt immer
ſchlimm, wenn die Frauenzimmer nicht heirathen,
oder keine Kinder bekommen, denn auf Zärtlichkeit
ſind denn doch nun einmal die armen Dinger durch-
aus geſtellt, und die verſetzt ſich ihnen dann leicht,
daß ſie entweder langweilige, empfindſame Bücher

16*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0251" n="243"/>
Hieb lange vergeben, da ich weiß, daß Ihr mich<lb/>
nicht ab&#x017F;ichtlich beleidigen wolltet. Zudem könnt<lb/>
Ihr Andern auch gar nicht fa&#x017F;&#x017F;en, was es bedeutet,<lb/>
durch die Geburt zu einer Ehre, oder einem Vor-<lb/>
zuge, oder einem Amte, wie der Geheimerathspo-<lb/>
&#x017F;ten i&#x017F;t, be&#x017F;timmt zu &#x017F;eyn. Ihr redet al&#x017F;o über<lb/>
&#x017F;olche Sachen, wie der Blinde von der Farbe, und<lb/>
man muß Euch Euer Ge&#x017F;chwätz darüber nicht &#x017F;o<lb/>
übel nehmen. Nein, ich blieb nur hier draußen,<lb/>
weil ich, aufrichtig ge&#x017F;agt, an Liebes&#x017F;achen keinen<lb/>
&#x017F;onderlichen Antheil nehme und dachte, Ihr würdet<lb/>
wohl &#x017F;o gütig &#x017F;eyn, mir einmal unter vier Augen<lb/>
ohne Um&#x017F;chweif das Ergrünen zu erklären. Ueber-<lb/>
haupt wün&#x017F;chte ich, be&#x017F;ter Münchhau&#x017F;en, meiner<lb/>
Tochter wegen, Ihr &#x017F;prächet von Romanenangele-<lb/>
genheiten wenig oder gar nicht mehr.</p><lb/>
          <p>Meine Tochter hat in die&#x017F;em Puncte einen<lb/>
Sparren, fuhr der Alte mit lei&#x017F;erer Stimme fort,<lb/>
indem er dicht zu Münchhau&#x017F;en trat. Es i&#x017F;t immer<lb/>
&#x017F;chlimm, wenn die Frauenzimmer nicht heirathen,<lb/>
oder keine Kinder bekommen, denn auf Zärtlichkeit<lb/>
&#x017F;ind denn doch nun einmal die armen Dinger durch-<lb/>
aus ge&#x017F;tellt, und die ver&#x017F;etzt &#x017F;ich ihnen dann leicht,<lb/>
daß &#x017F;ie entweder langweilige, empfind&#x017F;ame Bücher<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">16*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0251] Hieb lange vergeben, da ich weiß, daß Ihr mich nicht abſichtlich beleidigen wolltet. Zudem könnt Ihr Andern auch gar nicht faſſen, was es bedeutet, durch die Geburt zu einer Ehre, oder einem Vor- zuge, oder einem Amte, wie der Geheimerathspo- ſten iſt, beſtimmt zu ſeyn. Ihr redet alſo über ſolche Sachen, wie der Blinde von der Farbe, und man muß Euch Euer Geſchwätz darüber nicht ſo übel nehmen. Nein, ich blieb nur hier draußen, weil ich, aufrichtig geſagt, an Liebesſachen keinen ſonderlichen Antheil nehme und dachte, Ihr würdet wohl ſo gütig ſeyn, mir einmal unter vier Augen ohne Umſchweif das Ergrünen zu erklären. Ueber- haupt wünſchte ich, beſter Münchhauſen, meiner Tochter wegen, Ihr ſprächet von Romanenangele- genheiten wenig oder gar nicht mehr. Meine Tochter hat in dieſem Puncte einen Sparren, fuhr der Alte mit leiſerer Stimme fort, indem er dicht zu Münchhauſen trat. Es iſt immer ſchlimm, wenn die Frauenzimmer nicht heirathen, oder keine Kinder bekommen, denn auf Zärtlichkeit ſind denn doch nun einmal die armen Dinger durch- aus geſtellt, und die verſetzt ſich ihnen dann leicht, daß ſie entweder langweilige, empfindſame Bücher 16*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/251
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/251>, abgerufen am 27.11.2024.