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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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beständiges Schießen und Fehlen müsse doch irgend
einen, mir freilich nicht begreiflichen Zweck haben.
Aber lassen wir diesen waidmännischen Instinct,
der mir den Spitznamen; der wilde Jäger, bei
Euch zugezogen hat, vor der Hand auf sich beruhen!

Aber ein Zweites in mir ist etwas Ernsteres,
und doch kein Vorsatz, keine Ueberzeugung, keine
Leidenschaft -- sondern ein wahrer Instinct. Es
ist ein unbeschreibliches Gefühl für die Frauen.
So lange ich denken kann, wohnt es mir bei. Ich
kann es dir eigentlich nicht schildern. Mich durch-
säuselt die Ahnung einer unendlich milden Lösung
aller Schmerzen, das Vorempfinden des überschwäng-
lichsten Erfüllens und Ergänzens, sehe ich eine
Frau. Und nicht bloß Jugend und Schönheit,
Reiz und Anmuth bewegen meine Seele in einem
Bade so erquickender Fluthen, sondern in der Un-
scheinbarsten gewahre ich etwas Göttliches, wenn
sie mir begegnet. Oft hat mich ein solches zufäl-
liches und gleichgültiges Treffen von trüben leiden-
schaftlichen Aufregungen wie mit einem Zauberschlage
geheilt; oft habe ich mich auch scheu vor allen
weiblichen Cirkeln zurückgehalten, weil in mir etwas
vorgegangen war, was ich unter Frauen zu bringen

beſtändiges Schießen und Fehlen müſſe doch irgend
einen, mir freilich nicht begreiflichen Zweck haben.
Aber laſſen wir dieſen waidmänniſchen Inſtinct,
der mir den Spitznamen; der wilde Jäger, bei
Euch zugezogen hat, vor der Hand auf ſich beruhen!

Aber ein Zweites in mir iſt etwas Ernſteres,
und doch kein Vorſatz, keine Ueberzeugung, keine
Leidenſchaft — ſondern ein wahrer Inſtinct. Es
iſt ein unbeſchreibliches Gefühl für die Frauen.
So lange ich denken kann, wohnt es mir bei. Ich
kann es dir eigentlich nicht ſchildern. Mich durch-
ſäuſelt die Ahnung einer unendlich milden Löſung
aller Schmerzen, das Vorempfinden des überſchwäng-
lichſten Erfüllens und Ergänzens, ſehe ich eine
Frau. Und nicht bloß Jugend und Schönheit,
Reiz und Anmuth bewegen meine Seele in einem
Bade ſo erquickender Fluthen, ſondern in der Un-
ſcheinbarſten gewahre ich etwas Göttliches, wenn
ſie mir begegnet. Oft hat mich ein ſolches zufäl-
liches und gleichgültiges Treffen von trüben leiden-
ſchaftlichen Aufregungen wie mit einem Zauberſchlage
geheilt; oft habe ich mich auch ſcheu vor allen
weiblichen Cirkeln zurückgehalten, weil in mir etwas
vorgegangen war, was ich unter Frauen zu bringen

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[328/0336] beſtändiges Schießen und Fehlen müſſe doch irgend einen, mir freilich nicht begreiflichen Zweck haben. Aber laſſen wir dieſen waidmänniſchen Inſtinct, der mir den Spitznamen; der wilde Jäger, bei Euch zugezogen hat, vor der Hand auf ſich beruhen! Aber ein Zweites in mir iſt etwas Ernſteres, und doch kein Vorſatz, keine Ueberzeugung, keine Leidenſchaft — ſondern ein wahrer Inſtinct. Es iſt ein unbeſchreibliches Gefühl für die Frauen. So lange ich denken kann, wohnt es mir bei. Ich kann es dir eigentlich nicht ſchildern. Mich durch- ſäuſelt die Ahnung einer unendlich milden Löſung aller Schmerzen, das Vorempfinden des überſchwäng- lichſten Erfüllens und Ergänzens, ſehe ich eine Frau. Und nicht bloß Jugend und Schönheit, Reiz und Anmuth bewegen meine Seele in einem Bade ſo erquickender Fluthen, ſondern in der Un- ſcheinbarſten gewahre ich etwas Göttliches, wenn ſie mir begegnet. Oft hat mich ein ſolches zufäl- liches und gleichgültiges Treffen von trüben leiden- ſchaftlichen Aufregungen wie mit einem Zauberſchlage geheilt; oft habe ich mich auch ſcheu vor allen weiblichen Cirkeln zurückgehalten, weil in mir etwas vorgegangen war, was ich unter Frauen zu bringen

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/336>, abgerufen am 13.06.2024.