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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Der Jäger war gerade in einer verdrießlichen
Stimmung, die zuweilen am offensten macht. Er
versetzte daher kurzweg: Daß ich nichts treffe, ist
nicht meine Schuld, und daß ich dennoch immerdar
schießen muß, liegt auch nicht an mir, das hängt
mir von Mutterleib an.

Wie? Von Mutterleib? fragte der Hofschulze.

Ich kann es nicht anders nennen, erwiederte
der Jäger. Ihr seid ein so verständiger Mann,
daß ich keinen Grund habe, Euch eine Geschichte
vorzuenthalten, welche Euch meine Jägerei, über
die Ihr, wie ich sehe, schon seit einiger Zeit den
Kopf schüttelt, einigermaßen erklärlich machen wird.
Man hat Muttermäler in Form von Sternen,
Kreuzen, Kronen, Schwertern, weil die Frau, welche
den Menschen trug, sich an einem großen Orden, an
einem Kirchenzuge, an einer Krönung versah, oder
unter Kriegsgetümmel ihre Schwangerschaft abhielt;
warum sollte Einer nicht Jäger von Mutterleib
aus seyn können?

Der Hofschulze nöthigte seinen jungen Gast an den
Tisch unter den Linden vor der Thüre, ließ eine Fla-
sche sehr trinkbaren Weins bringen, und der Jäger
begann hierauf folgendergestalt seine Erzählung.


Der Jäger war gerade in einer verdrießlichen
Stimmung, die zuweilen am offenſten macht. Er
verſetzte daher kurzweg: Daß ich nichts treffe, iſt
nicht meine Schuld, und daß ich dennoch immerdar
ſchießen muß, liegt auch nicht an mir, das hängt
mir von Mutterleib an.

Wie? Von Mutterleib? fragte der Hofſchulze.

Ich kann es nicht anders nennen, erwiederte
der Jäger. Ihr ſeid ein ſo verſtändiger Mann,
daß ich keinen Grund habe, Euch eine Geſchichte
vorzuenthalten, welche Euch meine Jägerei, über
die Ihr, wie ich ſehe, ſchon ſeit einiger Zeit den
Kopf ſchüttelt, einigermaßen erklärlich machen wird.
Man hat Muttermäler in Form von Sternen,
Kreuzen, Kronen, Schwertern, weil die Frau, welche
den Menſchen trug, ſich an einem großen Orden, an
einem Kirchenzuge, an einer Krönung verſah, oder
unter Kriegsgetümmel ihre Schwangerſchaft abhielt;
warum ſollte Einer nicht Jäger von Mutterleib
aus ſeyn können?

Der Hofſchulze nöthigte ſeinen jungen Gaſt an den
Tiſch unter den Linden vor der Thüre, ließ eine Fla-
ſche ſehr trinkbaren Weins bringen, und der Jäger
begann hierauf folgendergeſtalt ſeine Erzählung.


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[351/0359] Der Jäger war gerade in einer verdrießlichen Stimmung, die zuweilen am offenſten macht. Er verſetzte daher kurzweg: Daß ich nichts treffe, iſt nicht meine Schuld, und daß ich dennoch immerdar ſchießen muß, liegt auch nicht an mir, das hängt mir von Mutterleib an. Wie? Von Mutterleib? fragte der Hofſchulze. Ich kann es nicht anders nennen, erwiederte der Jäger. Ihr ſeid ein ſo verſtändiger Mann, daß ich keinen Grund habe, Euch eine Geſchichte vorzuenthalten, welche Euch meine Jägerei, über die Ihr, wie ich ſehe, ſchon ſeit einiger Zeit den Kopf ſchüttelt, einigermaßen erklärlich machen wird. Man hat Muttermäler in Form von Sternen, Kreuzen, Kronen, Schwertern, weil die Frau, welche den Menſchen trug, ſich an einem großen Orden, an einem Kirchenzuge, an einer Krönung verſah, oder unter Kriegsgetümmel ihre Schwangerſchaft abhielt; warum ſollte Einer nicht Jäger von Mutterleib aus ſeyn können? Der Hofſchulze nöthigte ſeinen jungen Gaſt an den Tiſch unter den Linden vor der Thüre, ließ eine Fla- ſche ſehr trinkbaren Weins bringen, und der Jäger begann hierauf folgendergeſtalt ſeine Erzählung.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/359>, abgerufen am 22.11.2024.