ihm, und war überhaupt dem Waidwerke nicht lei- denschaftlich ergeben, obschon er es, wie ihm sonst nach seinen Verhältnissen zukam, getrieben hatte.
Mehrere Jahre der Ehe blieben kinderlos. Endlich fühlte meine Mutter ihren Schooß geseg- net. Sonst pflegt, wie man mir gesagt hat, in diesem Zustande die Neigung der Frau zu dem Manne abzunehmen, und sich der verborgenreifenden Frucht zuzuwenden, meine Mutter machte aber von dieser Regel eine Ausnahme. Ihre Liebe zu dem Vater wuchs noch, wenn sie eines Wachsthums fähig war. Zugleich stellte sich die Erinnerung an den früher gehabten und seitdem fast vergessenen Traum wieder bei ihr mit Heftigkeit ein, dessen eigentliche Bilder ihr jedoch nicht deutlich werden wollten, obgleich sie stundenlang sich damit abmühte, sie hervorzurufen. Nochmals mußte mein Vater sein früheres Gelübde in ihre Hand wiederholen.
Inzwischen rückte der Sanct Hubertustag heran, an welchem der Fürst, mit dem mein Vater eng zusammenhing, die jährliche große Jagd zu veran- stalten pflegte. Es war in seiner Umgebung schon verwundernd viel davon geschwätzt worden, warum mein Vater sich in den Jahren zuvor unter aller-
ihm, und war überhaupt dem Waidwerke nicht lei- denſchaftlich ergeben, obſchon er es, wie ihm ſonſt nach ſeinen Verhältniſſen zukam, getrieben hatte.
Mehrere Jahre der Ehe blieben kinderlos. Endlich fühlte meine Mutter ihren Schooß geſeg- net. Sonſt pflegt, wie man mir geſagt hat, in dieſem Zuſtande die Neigung der Frau zu dem Manne abzunehmen, und ſich der verborgenreifenden Frucht zuzuwenden, meine Mutter machte aber von dieſer Regel eine Ausnahme. Ihre Liebe zu dem Vater wuchs noch, wenn ſie eines Wachsthums fähig war. Zugleich ſtellte ſich die Erinnerung an den früher gehabten und ſeitdem faſt vergeſſenen Traum wieder bei ihr mit Heftigkeit ein, deſſen eigentliche Bilder ihr jedoch nicht deutlich werden wollten, obgleich ſie ſtundenlang ſich damit abmühte, ſie hervorzurufen. Nochmals mußte mein Vater ſein früheres Gelübde in ihre Hand wiederholen.
Inzwiſchen rückte der Sanct Hubertustag heran, an welchem der Fürſt, mit dem mein Vater eng zuſammenhing, die jährliche große Jagd zu veran- ſtalten pflegte. Es war in ſeiner Umgebung ſchon verwundernd viel davon geſchwätzt worden, warum mein Vater ſich in den Jahren zuvor unter aller-
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ihm, und war überhaupt dem Waidwerke nicht lei-
denſchaftlich ergeben, obſchon er es, wie ihm ſonſt
nach ſeinen Verhältniſſen zukam, getrieben hatte.
Mehrere Jahre der Ehe blieben kinderlos.
Endlich fühlte meine Mutter ihren Schooß geſeg-
net. Sonſt pflegt, wie man mir geſagt hat, in
dieſem Zuſtande die Neigung der Frau zu dem
Manne abzunehmen, und ſich der verborgenreifenden
Frucht zuzuwenden, meine Mutter machte aber von
dieſer Regel eine Ausnahme. Ihre Liebe zu dem
Vater wuchs noch, wenn ſie eines Wachsthums
fähig war. Zugleich ſtellte ſich die Erinnerung an
den früher gehabten und ſeitdem faſt vergeſſenen
Traum wieder bei ihr mit Heftigkeit ein, deſſen
eigentliche Bilder ihr jedoch nicht deutlich werden
wollten, obgleich ſie ſtundenlang ſich damit abmühte,
ſie hervorzurufen. Nochmals mußte mein Vater
ſein früheres Gelübde in ihre Hand wiederholen.
Inzwiſchen rückte der Sanct Hubertustag heran,
an welchem der Fürſt, mit dem mein Vater eng
zuſammenhing, die jährliche große Jagd zu veran-
ſtalten pflegte. Es war in ſeiner Umgebung ſchon
verwundernd viel davon geſchwätzt worden, warum
mein Vater ſich in den Jahren zuvor unter aller-
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/362>, abgerufen am 22.11.2024.
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