Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

der Vernunft, des mystischen Puncts im Menschen.
Die Gaben dieser von Grundaus gehenden Arbeit
des Geistes sich anzueignen sind eben nur wieder
Geister, welche die Arbeit stählte, vermögend. Mit
Leichtfertigkeit ist deutscher Art nicht beizukommen.
Die Vornehmen arbeiten aber nicht gern, sie ziehen
es bekanntlich vor, zu ernten, wo sie nicht gesäet
haben. Deßhalb ist es wieder natürlich -- wenn
auch das Verwerfungsurtheil über die Barbarei des
ersten Standes bei Kräften stehen bleibt -- daß er
locker mit deutschem Geiste zusammenhängt; zu
einem näheren Bündnisse hätte er sich über Gebühr
anstrengen müssen.

Zu läugnen ist doch auch nicht, daß gerade
durch die Absonderung des deutschen Geistes von
dem Athem der hohen Societät ihm manche Tugen-
den erhalten worden sind, sagte der Jäger; seine
Frische, seine eigensinnige herbe Jungfräulichkeit, sein
rücksichtsloses Um- und Vorgreifen. Denn jede Erfin-
dung der schaffenden Seele, welche vor Augen haben
muß, mit gewissen Forderungen der Gesellschaft zu-
sammenzutreffen, wird nothwendigerweise mechani-
sirt. Unsere Wissenschaft, unsere Philosophie, unsere
Literatur sind Töchter Gottes und der Natur; mit

der Vernunft, des myſtiſchen Puncts im Menſchen.
Die Gaben dieſer von Grundaus gehenden Arbeit
des Geiſtes ſich anzueignen ſind eben nur wieder
Geiſter, welche die Arbeit ſtählte, vermögend. Mit
Leichtfertigkeit iſt deutſcher Art nicht beizukommen.
Die Vornehmen arbeiten aber nicht gern, ſie ziehen
es bekanntlich vor, zu ernten, wo ſie nicht geſäet
haben. Deßhalb iſt es wieder natürlich — wenn
auch das Verwerfungsurtheil über die Barbarei des
erſten Standes bei Kräften ſtehen bleibt — daß er
locker mit deutſchem Geiſte zuſammenhängt; zu
einem näheren Bündniſſe hätte er ſich über Gebühr
anſtrengen müſſen.

Zu läugnen iſt doch auch nicht, daß gerade
durch die Abſonderung des deutſchen Geiſtes von
dem Athem der hohen Societät ihm manche Tugen-
den erhalten worden ſind, ſagte der Jäger; ſeine
Friſche, ſeine eigenſinnige herbe Jungfräulichkeit, ſein
rückſichtsloſes Um- und Vorgreifen. Denn jede Erfin-
dung der ſchaffenden Seele, welche vor Augen haben
muß, mit gewiſſen Forderungen der Geſellſchaft zu-
ſammenzutreffen, wird nothwendigerweiſe mechani-
ſirt. Unſere Wiſſenſchaft, unſere Philoſophie, unſere
Literatur ſind Töchter Gottes und der Natur; mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0412" n="404"/>
der Vernunft, des my&#x017F;ti&#x017F;chen Puncts im Men&#x017F;chen.<lb/>
Die Gaben die&#x017F;er von Grundaus gehenden Arbeit<lb/>
des Gei&#x017F;tes &#x017F;ich anzueignen &#x017F;ind eben nur wieder<lb/>
Gei&#x017F;ter, welche die Arbeit &#x017F;tählte, vermögend. Mit<lb/>
Leichtfertigkeit i&#x017F;t deut&#x017F;cher Art nicht beizukommen.<lb/>
Die Vornehmen arbeiten aber nicht gern, &#x017F;ie ziehen<lb/>
es bekanntlich vor, zu ernten, wo &#x017F;ie nicht ge&#x017F;äet<lb/>
haben. Deßhalb i&#x017F;t es wieder natürlich &#x2014; wenn<lb/>
auch das Verwerfungsurtheil über die Barbarei des<lb/>
er&#x017F;ten Standes bei Kräften &#x017F;tehen bleibt &#x2014; daß er<lb/>
locker mit deut&#x017F;chem Gei&#x017F;te zu&#x017F;ammenhängt; zu<lb/>
einem näheren Bündni&#x017F;&#x017F;e hätte er &#x017F;ich über Gebühr<lb/>
an&#x017F;trengen mü&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Zu läugnen i&#x017F;t doch auch nicht, daß gerade<lb/>
durch die Ab&#x017F;onderung des deut&#x017F;chen Gei&#x017F;tes von<lb/>
dem Athem der hohen Societät ihm manche Tugen-<lb/>
den erhalten worden &#x017F;ind, &#x017F;agte der Jäger; &#x017F;eine<lb/>
Fri&#x017F;che, &#x017F;eine eigen&#x017F;innige herbe Jungfräulichkeit, &#x017F;ein<lb/>
rück&#x017F;ichtslo&#x017F;es Um- und Vorgreifen. Denn jede Erfin-<lb/>
dung der &#x017F;chaffenden Seele, welche vor Augen haben<lb/>
muß, mit gewi&#x017F;&#x017F;en Forderungen der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu-<lb/>
&#x017F;ammenzutreffen, wird nothwendigerwei&#x017F;e mechani-<lb/>
&#x017F;irt. Un&#x017F;ere Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, un&#x017F;ere Philo&#x017F;ophie, un&#x017F;ere<lb/>
Literatur &#x017F;ind Töchter Gottes und der Natur; mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[404/0412] der Vernunft, des myſtiſchen Puncts im Menſchen. Die Gaben dieſer von Grundaus gehenden Arbeit des Geiſtes ſich anzueignen ſind eben nur wieder Geiſter, welche die Arbeit ſtählte, vermögend. Mit Leichtfertigkeit iſt deutſcher Art nicht beizukommen. Die Vornehmen arbeiten aber nicht gern, ſie ziehen es bekanntlich vor, zu ernten, wo ſie nicht geſäet haben. Deßhalb iſt es wieder natürlich — wenn auch das Verwerfungsurtheil über die Barbarei des erſten Standes bei Kräften ſtehen bleibt — daß er locker mit deutſchem Geiſte zuſammenhängt; zu einem näheren Bündniſſe hätte er ſich über Gebühr anſtrengen müſſen. Zu läugnen iſt doch auch nicht, daß gerade durch die Abſonderung des deutſchen Geiſtes von dem Athem der hohen Societät ihm manche Tugen- den erhalten worden ſind, ſagte der Jäger; ſeine Friſche, ſeine eigenſinnige herbe Jungfräulichkeit, ſein rückſichtsloſes Um- und Vorgreifen. Denn jede Erfin- dung der ſchaffenden Seele, welche vor Augen haben muß, mit gewiſſen Forderungen der Geſellſchaft zu- ſammenzutreffen, wird nothwendigerweiſe mechani- ſirt. Unſere Wiſſenſchaft, unſere Philoſophie, unſere Literatur ſind Töchter Gottes und der Natur; mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/412
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/412>, abgerufen am 22.11.2024.