Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Hier in dieser alterthümlichen Stadt verweile
ich seit mehreren Tagen bei einem guten Bekannten,
den ich unversehens wiedergefunden habe. Eine
gar hübsche Häuslichkeit und ein angenehmer Kreis
umgiebt ihn. Auch hier habe ich närrische Son-
derlinge kennen gelernt, welche doch dabei gute,
schätzbare, unterrichtete Menschen sind, so daß man
über sie lächeln und ihnen zugleich von Herzen
zugethan seyn kann. Welche Masse von Bildung,
Wissen und Eigenartigkeit ist bei uns überallhin
verbreitet! Wenn diese Reise auch weiter keinen
Nutzen hat, so wird sie mir schon dadurch, daß sie
mir jene Ueberzeugung recht in die Hand gab,
heilsam seyn.

Der Gipfel unserer Geselligkeit war der vor-
gestrige Abend, wo ihre gelehrte Gesellschaft (lache
nicht!) eine Sitzung hielt. Sie haben eine Aca-
demie zusammen gestiftet, in welcher die verschieden-
artigsten Aufsätze vorgelesen werden. Diese sind
aber statutenmäßig bis auf Weiteres aller Veröf-
fentlichung durch den Druck streng entzogen. Jeder
muß Strafe zahlen, der sich zur Unterstützung einer
vorgetragenen Meinung auf eine Flugschrift oder
ein Zeitblatt beruft, und von den Zusammenkünften

Hier in dieſer alterthümlichen Stadt verweile
ich ſeit mehreren Tagen bei einem guten Bekannten,
den ich unverſehens wiedergefunden habe. Eine
gar hübſche Häuslichkeit und ein angenehmer Kreis
umgiebt ihn. Auch hier habe ich närriſche Son-
derlinge kennen gelernt, welche doch dabei gute,
ſchätzbare, unterrichtete Menſchen ſind, ſo daß man
über ſie lächeln und ihnen zugleich von Herzen
zugethan ſeyn kann. Welche Maſſe von Bildung,
Wiſſen und Eigenartigkeit iſt bei uns überallhin
verbreitet! Wenn dieſe Reiſe auch weiter keinen
Nutzen hat, ſo wird ſie mir ſchon dadurch, daß ſie
mir jene Ueberzeugung recht in die Hand gab,
heilſam ſeyn.

Der Gipfel unſerer Geſelligkeit war der vor-
geſtrige Abend, wo ihre gelehrte Geſellſchaft (lache
nicht!) eine Sitzung hielt. Sie haben eine Aca-
demie zuſammen geſtiftet, in welcher die verſchieden-
artigſten Aufſätze vorgeleſen werden. Dieſe ſind
aber ſtatutenmäßig bis auf Weiteres aller Veröf-
fentlichung durch den Druck ſtreng entzogen. Jeder
muß Strafe zahlen, der ſich zur Unterſtützung einer
vorgetragenen Meinung auf eine Flugſchrift oder
ein Zeitblatt beruft, und von den Zuſammenkünften

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0445" n="437"/>
            <p>Hier in die&#x017F;er alterthümlichen Stadt verweile<lb/>
ich &#x017F;eit mehreren Tagen bei einem guten Bekannten,<lb/>
den ich unver&#x017F;ehens wiedergefunden habe. Eine<lb/>
gar hüb&#x017F;che Häuslichkeit und ein angenehmer Kreis<lb/>
umgiebt ihn. Auch hier habe ich närri&#x017F;che Son-<lb/>
derlinge kennen gelernt, welche doch dabei gute,<lb/>
&#x017F;chätzbare, unterrichtete Men&#x017F;chen &#x017F;ind, &#x017F;o daß man<lb/>
über &#x017F;ie lächeln und ihnen zugleich von Herzen<lb/>
zugethan &#x017F;eyn kann. Welche Ma&#x017F;&#x017F;e von Bildung,<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en und Eigenartigkeit i&#x017F;t bei uns überallhin<lb/>
verbreitet! Wenn die&#x017F;e Rei&#x017F;e auch weiter keinen<lb/>
Nutzen hat, &#x017F;o wird &#x017F;ie mir &#x017F;chon dadurch, daß &#x017F;ie<lb/>
mir jene Ueberzeugung recht in die Hand gab,<lb/>
heil&#x017F;am &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <p>Der Gipfel un&#x017F;erer Ge&#x017F;elligkeit war der vor-<lb/>
ge&#x017F;trige Abend, wo ihre gelehrte Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft (lache<lb/>
nicht!) eine Sitzung hielt. Sie haben eine Aca-<lb/>
demie zu&#x017F;ammen ge&#x017F;tiftet, in welcher die ver&#x017F;chieden-<lb/>
artig&#x017F;ten Auf&#x017F;ätze vorgele&#x017F;en werden. Die&#x017F;e &#x017F;ind<lb/>
aber &#x017F;tatutenmäßig bis auf Weiteres aller Veröf-<lb/>
fentlichung durch den Druck &#x017F;treng entzogen. Jeder<lb/>
muß Strafe zahlen, der &#x017F;ich zur Unter&#x017F;tützung einer<lb/>
vorgetragenen Meinung auf eine Flug&#x017F;chrift oder<lb/>
ein Zeitblatt beruft, und von den Zu&#x017F;ammenkünften<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[437/0445] Hier in dieſer alterthümlichen Stadt verweile ich ſeit mehreren Tagen bei einem guten Bekannten, den ich unverſehens wiedergefunden habe. Eine gar hübſche Häuslichkeit und ein angenehmer Kreis umgiebt ihn. Auch hier habe ich närriſche Son- derlinge kennen gelernt, welche doch dabei gute, ſchätzbare, unterrichtete Menſchen ſind, ſo daß man über ſie lächeln und ihnen zugleich von Herzen zugethan ſeyn kann. Welche Maſſe von Bildung, Wiſſen und Eigenartigkeit iſt bei uns überallhin verbreitet! Wenn dieſe Reiſe auch weiter keinen Nutzen hat, ſo wird ſie mir ſchon dadurch, daß ſie mir jene Ueberzeugung recht in die Hand gab, heilſam ſeyn. Der Gipfel unſerer Geſelligkeit war der vor- geſtrige Abend, wo ihre gelehrte Geſellſchaft (lache nicht!) eine Sitzung hielt. Sie haben eine Aca- demie zuſammen geſtiftet, in welcher die verſchieden- artigſten Aufſätze vorgeleſen werden. Dieſe ſind aber ſtatutenmäßig bis auf Weiteres aller Veröf- fentlichung durch den Druck ſtreng entzogen. Jeder muß Strafe zahlen, der ſich zur Unterſtützung einer vorgetragenen Meinung auf eine Flugſchrift oder ein Zeitblatt beruft, und von den Zuſammenkünften

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/445
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/445>, abgerufen am 22.11.2024.