Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Dort ordnete er, was er an diesem Orte zuwei-
len aufgeschrieben hatte, packte seine wenigen
Sachen zusammen und sah sich dann nach dem
Gewehre um.

Dieses war jedoch verschwunden. Er begriff
nicht, wer es ihm fortgenommen haben könne, und
ging, bei dem Hofschulzen Erkundigung einzuziehen,
über den Gang nach der Treppe zu. In einem
Gelasse seitwärts glaubte er ein Geräusch zu ver-
nehmen -- vielleicht ist eine Magd darin, die dir
es auch nachweisen kann -- dachte er und klinkte
die Thür auf. Er war aber in die Schlafkammer
der Tochter gerathen und sah erschreckt eine unzwei-
deutige Gruppe. Herzklopfend schritt er rasch nach
seinem Zimmer zurück; der Bräutigam, ein junger
starker Bauer, folgte ihm dahin nach. Das müssen
Sie nicht für übel nehmen, sagte dieser. Denn das
zweite Aufgebot ist gewesen, und nächsten Donner-
stag ist die Hochzeit, und wenn es so weit ist, so
hat sich Keiner um so etwas zu bekümmern, und
der Pastor und der eigene Vater fragt nichts dar-
nach. Es wird diese Nacht bei uns im Hofe Korn
gesackt, deshalb mußte ich meine Braut heut zu
Nachmittage besuchen.


29*

Dort ordnete er, was er an dieſem Orte zuwei-
len aufgeſchrieben hatte, packte ſeine wenigen
Sachen zuſammen und ſah ſich dann nach dem
Gewehre um.

Dieſes war jedoch verſchwunden. Er begriff
nicht, wer es ihm fortgenommen haben könne, und
ging, bei dem Hofſchulzen Erkundigung einzuziehen,
über den Gang nach der Treppe zu. In einem
Gelaſſe ſeitwärts glaubte er ein Geräuſch zu ver-
nehmen — vielleicht iſt eine Magd darin, die dir
es auch nachweiſen kann — dachte er und klinkte
die Thür auf. Er war aber in die Schlafkammer
der Tochter gerathen und ſah erſchreckt eine unzwei-
deutige Gruppe. Herzklopfend ſchritt er raſch nach
ſeinem Zimmer zurück; der Bräutigam, ein junger
ſtarker Bauer, folgte ihm dahin nach. Das müſſen
Sie nicht für übel nehmen, ſagte dieſer. Denn das
zweite Aufgebot iſt geweſen, und nächſten Donner-
ſtag iſt die Hochzeit, und wenn es ſo weit iſt, ſo
hat ſich Keiner um ſo etwas zu bekümmern, und
der Paſtor und der eigene Vater fragt nichts dar-
nach. Es wird dieſe Nacht bei uns im Hofe Korn
geſackt, deshalb mußte ich meine Braut heut zu
Nachmittage beſuchen.


29*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0459" n="451"/>
Dort ordnete er, was er an die&#x017F;em Orte zuwei-<lb/>
len aufge&#x017F;chrieben hatte, packte &#x017F;eine wenigen<lb/>
Sachen zu&#x017F;ammen und &#x017F;ah &#x017F;ich dann nach dem<lb/>
Gewehre um.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;es war jedoch ver&#x017F;chwunden. Er begriff<lb/>
nicht, wer es ihm fortgenommen haben könne, und<lb/>
ging, bei dem Hof&#x017F;chulzen Erkundigung einzuziehen,<lb/>
über den Gang nach der Treppe zu. In einem<lb/>
Gela&#x017F;&#x017F;e &#x017F;eitwärts glaubte er ein Geräu&#x017F;ch zu ver-<lb/>
nehmen &#x2014; vielleicht i&#x017F;t eine Magd darin, die dir<lb/>
es auch nachwei&#x017F;en kann &#x2014; dachte er und klinkte<lb/>
die Thür auf. Er war aber in die Schlafkammer<lb/>
der Tochter gerathen und &#x017F;ah er&#x017F;chreckt eine unzwei-<lb/>
deutige Gruppe. Herzklopfend &#x017F;chritt er ra&#x017F;ch nach<lb/>
&#x017F;einem Zimmer zurück; der Bräutigam, ein junger<lb/>
&#x017F;tarker Bauer, folgte ihm dahin nach. Das mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie nicht für übel nehmen, &#x017F;agte die&#x017F;er. Denn das<lb/>
zweite Aufgebot i&#x017F;t gewe&#x017F;en, und näch&#x017F;ten Donner-<lb/>
&#x017F;tag i&#x017F;t die Hochzeit, und wenn es &#x017F;o weit i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
hat &#x017F;ich Keiner um &#x017F;o etwas zu bekümmern, und<lb/>
der Pa&#x017F;tor und der eigene Vater fragt nichts dar-<lb/>
nach. Es wird die&#x017F;e Nacht bei uns im Hofe Korn<lb/>
ge&#x017F;ackt, deshalb mußte ich meine Braut heut zu<lb/>
Nachmittage be&#x017F;uchen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">29*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[451/0459] Dort ordnete er, was er an dieſem Orte zuwei- len aufgeſchrieben hatte, packte ſeine wenigen Sachen zuſammen und ſah ſich dann nach dem Gewehre um. Dieſes war jedoch verſchwunden. Er begriff nicht, wer es ihm fortgenommen haben könne, und ging, bei dem Hofſchulzen Erkundigung einzuziehen, über den Gang nach der Treppe zu. In einem Gelaſſe ſeitwärts glaubte er ein Geräuſch zu ver- nehmen — vielleicht iſt eine Magd darin, die dir es auch nachweiſen kann — dachte er und klinkte die Thür auf. Er war aber in die Schlafkammer der Tochter gerathen und ſah erſchreckt eine unzwei- deutige Gruppe. Herzklopfend ſchritt er raſch nach ſeinem Zimmer zurück; der Bräutigam, ein junger ſtarker Bauer, folgte ihm dahin nach. Das müſſen Sie nicht für übel nehmen, ſagte dieſer. Denn das zweite Aufgebot iſt geweſen, und nächſten Donner- ſtag iſt die Hochzeit, und wenn es ſo weit iſt, ſo hat ſich Keiner um ſo etwas zu bekümmern, und der Paſtor und der eigene Vater fragt nichts dar- nach. Es wird dieſe Nacht bei uns im Hofe Korn geſackt, deshalb mußte ich meine Braut heut zu Nachmittage beſuchen. 29*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/459
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/459>, abgerufen am 27.11.2024.