Dieser Isidor ist doch nicht ... sagte das Fräu- lein schüchtern.
Der nämliche Hirsewenzel, welcher seither die deutsche Bühne mit einer so unermeßlichen Anzahl von Stücken bedacht hat, versetzte der Freiherr. Unser Mann und Held, aus einem guten aber herabgekom- menen Geschlechte in Olgendorf, einem Flecken in der Nähe der Lüneburger Haide entsprossen, hat einen sonderbaren Lebenslauf gehabt. Dramatiker wurde er erst spät; von der Natur war er durch- aus zum Lederhändler bestimmt. Der erste Laut, den sein kindlicher Mund von sich gab, klang wie: Leder! Kein Spielzeug von Holz oder Blech ver- gnügte den heranwachsenden Knaben, die muntre braun und gelbbemalte Erbsenflinte war ihm ein Gräuel, mit Abscheu stieß er das gefällig construirte grüne Nürnberger Wägelchen, das schuldlose Weih- nachtsschaaf mit den sinnigen rothen Lackaugen zurück, dagegen begannen seine Blicke zu leuchten, wenn er der Peitsche ansichtig wurde, und der fünfgeflochtenen Schnur, wenn er das Leder-über- zogene Hottpferd besteigen durfte, wenn man ihm die kleine Scherzpatrontasche umhing. Später war er oft halbe Tage lang aus der väterlichen Woh-
Dieſer Iſidor iſt doch nicht … ſagte das Fräu- lein ſchüchtern.
Der nämliche Hirſewenzel, welcher ſeither die deutſche Bühne mit einer ſo unermeßlichen Anzahl von Stücken bedacht hat, verſetzte der Freiherr. Unſer Mann und Held, aus einem guten aber herabgekom- menen Geſchlechte in Olgendorf, einem Flecken in der Nähe der Lüneburger Haide entſproſſen, hat einen ſonderbaren Lebenslauf gehabt. Dramatiker wurde er erſt ſpät; von der Natur war er durch- aus zum Lederhändler beſtimmt. Der erſte Laut, den ſein kindlicher Mund von ſich gab, klang wie: Leder! Kein Spielzeug von Holz oder Blech ver- gnügte den heranwachſenden Knaben, die muntre braun und gelbbemalte Erbſenflinte war ihm ein Gräuel, mit Abſcheu ſtieß er das gefällig conſtruirte grüne Nürnberger Wägelchen, das ſchuldloſe Weih- nachtsſchaaf mit den ſinnigen rothen Lackaugen zurück, dagegen begannen ſeine Blicke zu leuchten, wenn er der Peitſche anſichtig wurde, und der fünfgeflochtenen Schnur, wenn er das Leder-über- zogene Hottpferd beſteigen durfte, wenn man ihm die kleine Scherzpatrontaſche umhing. Später war er oft halbe Tage lang aus der väterlichen Woh-
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Dieſer Iſidor iſt doch nicht … ſagte das Fräu-
lein ſchüchtern.
Der nämliche Hirſewenzel, welcher ſeither die
deutſche Bühne mit einer ſo unermeßlichen Anzahl
von Stücken bedacht hat, verſetzte der Freiherr. Unſer
Mann und Held, aus einem guten aber herabgekom-
menen Geſchlechte in Olgendorf, einem Flecken in
der Nähe der Lüneburger Haide entſproſſen, hat
einen ſonderbaren Lebenslauf gehabt. Dramatiker
wurde er erſt ſpät; von der Natur war er durch-
aus zum Lederhändler beſtimmt. Der erſte Laut,
den ſein kindlicher Mund von ſich gab, klang wie:
Leder! Kein Spielzeug von Holz oder Blech ver-
gnügte den heranwachſenden Knaben, die muntre
braun und gelbbemalte Erbſenflinte war ihm ein
Gräuel, mit Abſcheu ſtieß er das gefällig conſtruirte
grüne Nürnberger Wägelchen, das ſchuldloſe Weih-
nachtsſchaaf mit den ſinnigen rothen Lackaugen
zurück, dagegen begannen ſeine Blicke zu leuchten,
wenn er der Peitſche anſichtig wurde, und der
fünfgeflochtenen Schnur, wenn er das Leder-über-
zogene Hottpferd beſteigen durfte, wenn man ihm
die kleine Scherzpatrontaſche umhing. Später war
er oft halbe Tage lang aus der väterlichen Woh-
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/52>, abgerufen am 23.11.2024.
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