solle -- Zumuthungen, die Roß und Schwärmerin außer sich setzten, weil sie ihnen das Beleidigendste dünkten, was ihnen nur gesagt werden konnte. Seelenverkäufer! Seelenverkäufer! brummte der Kä- fer. -- Warum soll denn Unsereins nicht fressen, was Unsereinem schmeckt? -- Ich such', such', such' Ge- ruch! summte die Fliege. Am meisten ärgerte es die beiden Candidaten der Sittlichkeit, daß sie ihre Besserer draußen behaglich in Laub und Feigen knarpen hörten, und daß denen die tugendhaften ermahnenden Reden gleichsam nur dienten, sich der Verdauung halber nach dem Essen eine Bewegung zu machen. Indessen nahmen die Dinge für Beide eine sehr ernste Gestalt an, denn sie bekamen na- türlich nicht das Allergeringste zu essen und fielen daher während ihrer Bearbeitung zu einem reine- ren Leben jämmerlich ab. Das Trygäosroß wurde so matt, daß es kaum noch auf den Füßen stehen konnte; die blaue Schwärmerin ließ kraftlos die Flügel hängen.
In dieser traurigen Verfassung überkam sie der den Thieren eingepflanzte schlaue Trieb der Selbst- erhaltung. Sie setzten sich vor zu heucheln, und gaben klägliche und melancholische Tone von sich.
ſolle — Zumuthungen, die Roß und Schwärmerin außer ſich ſetzten, weil ſie ihnen das Beleidigendſte dünkten, was ihnen nur geſagt werden konnte. Seelenverkäufer! Seelenverkäufer! brummte der Kä- fer. — Warum ſoll denn Unſereins nicht freſſen, was Unſereinem ſchmeckt? — Ich ſuch’, ſuch’, ſuch’ Ge- ruch! ſummte die Fliege. Am meiſten ärgerte es die beiden Candidaten der Sittlichkeit, daß ſie ihre Beſſerer draußen behaglich in Laub und Feigen knarpen hörten, und daß denen die tugendhaften ermahnenden Reden gleichſam nur dienten, ſich der Verdauung halber nach dem Eſſen eine Bewegung zu machen. Indeſſen nahmen die Dinge für Beide eine ſehr ernſte Geſtalt an, denn ſie bekamen na- türlich nicht das Allergeringſte zu eſſen und fielen daher während ihrer Bearbeitung zu einem reine- ren Leben jämmerlich ab. Das Trygäosroß wurde ſo matt, daß es kaum noch auf den Füßen ſtehen konnte; die blaue Schwärmerin ließ kraftlos die Flügel hängen.
In dieſer traurigen Verfaſſung überkam ſie der den Thieren eingepflanzte ſchlaue Trieb der Selbſt- erhaltung. Sie ſetzten ſich vor zu heucheln, und gaben klägliche und melancholiſche Tone von ſich.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0183"n="165"/>ſolle — Zumuthungen, die Roß und Schwärmerin<lb/>
außer ſich ſetzten, weil ſie ihnen das Beleidigendſte<lb/>
dünkten, was ihnen nur geſagt werden konnte.<lb/>
Seelenverkäufer! Seelenverkäufer! brummte der Kä-<lb/>
fer. — Warum ſoll denn Unſereins nicht freſſen, was<lb/>
Unſereinem ſchmeckt? — Ich ſuch’, ſuch’, ſuch’ Ge-<lb/>
ruch! ſummte die Fliege. Am meiſten ärgerte es<lb/>
die beiden Candidaten der Sittlichkeit, daß ſie ihre<lb/>
Beſſerer draußen behaglich in Laub und Feigen<lb/>
knarpen hörten, und daß denen die tugendhaften<lb/>
ermahnenden Reden gleichſam nur dienten, ſich der<lb/>
Verdauung halber nach dem Eſſen eine Bewegung<lb/>
zu machen. Indeſſen nahmen die Dinge für Beide<lb/>
eine ſehr ernſte Geſtalt an, denn ſie bekamen na-<lb/>
türlich nicht das Allergeringſte zu eſſen und fielen<lb/>
daher während ihrer Bearbeitung zu einem reine-<lb/>
ren Leben jämmerlich ab. Das Trygäosroß wurde<lb/>ſo matt, daß es kaum noch auf den Füßen ſtehen<lb/>
konnte; die blaue Schwärmerin ließ kraftlos die<lb/>
Flügel hängen.</p><lb/><p>In dieſer traurigen Verfaſſung überkam ſie der<lb/>
den Thieren eingepflanzte ſchlaue Trieb der Selbſt-<lb/>
erhaltung. Sie ſetzten ſich vor zu heucheln, und<lb/>
gaben klägliche und melancholiſche Tone von ſich.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[165/0183]
ſolle — Zumuthungen, die Roß und Schwärmerin
außer ſich ſetzten, weil ſie ihnen das Beleidigendſte
dünkten, was ihnen nur geſagt werden konnte.
Seelenverkäufer! Seelenverkäufer! brummte der Kä-
fer. — Warum ſoll denn Unſereins nicht freſſen, was
Unſereinem ſchmeckt? — Ich ſuch’, ſuch’, ſuch’ Ge-
ruch! ſummte die Fliege. Am meiſten ärgerte es
die beiden Candidaten der Sittlichkeit, daß ſie ihre
Beſſerer draußen behaglich in Laub und Feigen
knarpen hörten, und daß denen die tugendhaften
ermahnenden Reden gleichſam nur dienten, ſich der
Verdauung halber nach dem Eſſen eine Bewegung
zu machen. Indeſſen nahmen die Dinge für Beide
eine ſehr ernſte Geſtalt an, denn ſie bekamen na-
türlich nicht das Allergeringſte zu eſſen und fielen
daher während ihrer Bearbeitung zu einem reine-
ren Leben jämmerlich ab. Das Trygäosroß wurde
ſo matt, daß es kaum noch auf den Füßen ſtehen
konnte; die blaue Schwärmerin ließ kraftlos die
Flügel hängen.
In dieſer traurigen Verfaſſung überkam ſie der
den Thieren eingepflanzte ſchlaue Trieb der Selbſt-
erhaltung. Sie ſetzten ſich vor zu heucheln, und
gaben klägliche und melancholiſche Tone von ſich.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/183>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.