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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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entrichten, welche sie nicht einbringt. Sonst trieb
ich einen kleinen Handel mit Seifenkugeln, Zahn-
bürsten, wohlriechenden Wassern und Patentrasir-
messern, wie das in Wirthshäusern so gebräuchlich
ist, aber die Steuern waren zu schwer, und deßhalb
ließ ich das Geschäft eingehen und etablirte als
stillen Nebenverdienst die Stube mit Geistergepolter.

Wir gingen vorsichtig zum Hinterhause hinaus
und durch einen finstern Gang, worin allerhand
Geräthschaften und Weintonnen standen, nach einem
kleinen Seitengebäude, welches vermuthlich das
Waschgelaß in sich faßte, denn es roch nach Seife
aus dessen offenstehenden Fenstern. Darin schloß
mir der Oberkellner eine Kammer auf, in der eine
herrlich verdorbene Luft brütete. Er wollte diese
Atmosphäre entschuldigen, ich aber unterbrach ihn
und fragte, ob er sich nicht besser auf das Metier
verstehe? Gerade ein solcher müffiger Dunst und
Schwaden sei der rechte Geisterbrodem.

Es war ganz darin, wie es da sein muß, wo
das Kernbeißer-Eschenmichel'sche Wunderwesen sein
Quartier aufschlagen soll; die Wände sahen wie
verwitterte Dämonen aus, und von der Decke hat-
ten die Poltergeister den Kalk abgetrampelt. Ich

entrichten, welche ſie nicht einbringt. Sonſt trieb
ich einen kleinen Handel mit Seifenkugeln, Zahn-
bürſten, wohlriechenden Waſſern und Patentraſir-
meſſern, wie das in Wirthshäuſern ſo gebräuchlich
iſt, aber die Steuern waren zu ſchwer, und deßhalb
ließ ich das Geſchäft eingehen und etablirte als
ſtillen Nebenverdienſt die Stube mit Geiſtergepolter.

Wir gingen vorſichtig zum Hinterhauſe hinaus
und durch einen finſtern Gang, worin allerhand
Geräthſchaften und Weintonnen ſtanden, nach einem
kleinen Seitengebäude, welches vermuthlich das
Waſchgelaß in ſich faßte, denn es roch nach Seife
aus deſſen offenſtehenden Fenſtern. Darin ſchloß
mir der Oberkellner eine Kammer auf, in der eine
herrlich verdorbene Luft brütete. Er wollte dieſe
Atmosphäre entſchuldigen, ich aber unterbrach ihn
und fragte, ob er ſich nicht beſſer auf das Metier
verſtehe? Gerade ein ſolcher müffiger Dunſt und
Schwaden ſei der rechte Geiſterbrodem.

Es war ganz darin, wie es da ſein muß, wo
das Kernbeißer-Eſchenmichel’ſche Wunderweſen ſein
Quartier aufſchlagen ſoll; die Wände ſahen wie
verwitterte Dämonen aus, und von der Decke hat-
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[244/0262] entrichten, welche ſie nicht einbringt. Sonſt trieb ich einen kleinen Handel mit Seifenkugeln, Zahn- bürſten, wohlriechenden Waſſern und Patentraſir- meſſern, wie das in Wirthshäuſern ſo gebräuchlich iſt, aber die Steuern waren zu ſchwer, und deßhalb ließ ich das Geſchäft eingehen und etablirte als ſtillen Nebenverdienſt die Stube mit Geiſtergepolter. Wir gingen vorſichtig zum Hinterhauſe hinaus und durch einen finſtern Gang, worin allerhand Geräthſchaften und Weintonnen ſtanden, nach einem kleinen Seitengebäude, welches vermuthlich das Waſchgelaß in ſich faßte, denn es roch nach Seife aus deſſen offenſtehenden Fenſtern. Darin ſchloß mir der Oberkellner eine Kammer auf, in der eine herrlich verdorbene Luft brütete. Er wollte dieſe Atmosphäre entſchuldigen, ich aber unterbrach ihn und fragte, ob er ſich nicht beſſer auf das Metier verſtehe? Gerade ein ſolcher müffiger Dunſt und Schwaden ſei der rechte Geiſterbrodem. Es war ganz darin, wie es da ſein muß, wo das Kernbeißer-Eſchenmichel’ſche Wunderweſen ſein Quartier aufſchlagen ſoll; die Wände ſahen wie verwitterte Dämonen aus, und von der Decke hat- ten die Poltergeiſter den Kalk abgetrampelt. Ich

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/262>, abgerufen am 23.12.2024.